Wilhelm IX. von Aquitanien (1071–1127), Farai un vers de dreyt nien
Farai un vers de dreyt nien:
non er de mi ni d’autra gen,
non er d’amor ni de joven,
ni de ren au,
qu’enans fo trobatz en durmen
sobre chevau.
No sai en qual hora.m fuy natz:
no suy alegres ni iratz,
no suy estrayns ni sui privatz,
ni no.n puesc au,
qu’enaissi fuy de nueitz fadatz,
sobr‘ un pueg au.
No sai quora.m fuy endurmitz
ni quora.m velh, s’om no m’o ditz.
Per pauc no m’es lo cor partitz
d’un dol corau;
e no m’o pretz una soritz,
par Sanh Marsau!
Malautz suy e tremi murir,
e ren no sai mas quan n’aug dir;
metge querrai al mieu albir,
e non sai tau;
bos metges es qui.m pot guerir,
mas non, si amau.
M’amigu‘ ai ieu, no sai qui s’es,
qu’anc non la vi, si m’ajut fes;
ni.m fes que.m plassa ni que.m pes,
ni no m’en cau,
qu’anc non ac Norman ni Frances
dins mon ostau.
Anc non la vi et am la fort,
anc non n’aic dreyt ni no.m fes tort;
quan non la vey, be m’en deport,
no.m pretz un jau
qu’ie.n sai gensor et bellazor,
e que mais vau.
Fag ai lo vers, no say de cuy;
e trametrai lo a selhuy
que lo.m trametra per autruy
lay vers Anjau,
que.m tramezes del sieu estuy
la contraclau.
Ich schöpfe einen Vers aus lauter Leere,
ihn bedrückt nicht Lebens Schwere,
für Liebe, für Jugend ohne Kehre
nennt er niemand,
er kam im Schlaf mir in die Quere,
da ritt ich über Land.
Weiß nicht den Stern, dem ich geboren,
ob heil ich bin, ob schon verloren,
hinter oder vor den Toren
fand ich keinen Stand,
mich hat die Nacht heraufbeschworen
an eines Hügels Rand.
Weiß nicht, ob lang ich schlief,
ob lange wachte, keiner rief.
Es erschrak das Herz so tief,
daß es fast entschwand,
doch warʼs nur eine Maus, die lief,
Sankt Martial, deine Hand!
Fühl mich krank, als müßt ich sterben,
weiß nicht, was mich will verderben,
ein Arzt, zu wetzen Wundes Kerben,
ist mir nicht bekannt,
gut wär er, leimte er die Scherben,
schlecht, fräße mich der Brand.
Ein Rätsel liegt in meinem Bette.
Nicht, daß ich sie erraten hätte,
Nicht, daß sie kose oder kette,
hat mich gebannt,
Normannin nicht und nicht Kokette
knüpft auf hier das Gewand.
Nie sah ich sie, doch lieb ich sie,
sie tat mir Recht, mir Unrecht nie,
ihr Fernsein ist mir Poesie,
ihr Bild ist eitel Tand,
weiß eine Schöne mit Esprit,
die ist mir mehr verwandt.
Der Vers steht da, weiß nicht den Sinn,
ich reiche ihn an jemand hin,
der ihn reicht, und so von Anbeginn
bis Anjou – und wieder mir gesandt,
les ich ihn endlich mit Gewinn,
den Schlüssel in der Hand.
Musikalische Interpretation:
https://www.youtube.com/watch?v=UyZCeFl1iI4