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Walther von der Vogelweide, Maget und muoter

04.07.2022

Leich B

1

Maget und muoter, schouwe der kristenheite nôt,
dû blüende gert Aarônes, ûf gênder morgenrôt!
Ezechiêles porte, diu nie wart ûf getân,
dur die der künig hêrlîche wart ûz und in gelân!
Als diu sunne schînet durch ganz gewürhtez glas,
alsô gebar diu reine Krist, diu magt und muoter was.

2

Ein bosch der bran, dâ nie niht an
besenget noch verbrennet wart:
Breit unde ganz dâ beleib sîn glanz
vor fiures flamme unverschart.
Daz was diu reine magt aleine
diu mit megetlîcher art

3

Kindes muoter worden ist
ân aller manne mitewist,
wider menschlîchen list
den wâren Krist
gebar, der uns bedâhte.
Wol ir, daz si den ie getruog,
der unsern tôt ze tôde sluog!
mit sînem bluote er ab uns twuog
den unfuog,
den Even schulde uns brâhte

4

Salomônes hôhen thrônes
bist dû, frouwe,
ein selde hêre und ouch gebieterinne!
balsamite,
margarîte,
ob allen magden bist dû,
maget, ein magt, ein küniginne!
Gotes lambe was dîn wambe
ein palas reine,
da er eine lag beslozzen inne.

5

Daz lambe ist Krist,
der wârer got ist,
dâ von dû bist
gehôhet und geêret.
Dem lambe ist gar
gelîch gevar
der megde schar.
nû nemt sîn war
und kêret, swâr ez kêret!
des bist dû, frouwe, geêret.
nû bitte in, daz er uns gewer
durch dich, des unser dürfte ger.
dû sende uns trôst von himel her,
des wirt dîn lob gemêret.

 

1

Jungfrau und Mutter, blick auf die Christenheit in Not,
du Aarons blühender Stab, aufgehendes Morgenrot!
Du Tor Hesekiels, das nie ward aufgetan,
durch das der König nur nahm herrlich seine Bahn.
Wie Sonne bricht durchs Glas, das ganz bleibt, wie es war,
so Christus die Reine, die Jungfrau und Mutter, gebar.

2

Ein Busch im Brand, doch wie gebannt
das Feuer hat ihn nicht verzehrt:
Voll und ganz blieb sein Glanz
von der Flamme unversehrt.
Das war allein die Jungfrau rein,
die jungfräulich beschert

3

das Kind, keusch Mutter worden ist,
und war kein Mann, der sie geküßt,
ist kein Verstand, der es ermißt,
den wahren Christ
gebar, der Nacht uns hellte.
Heil ihr, daß sie ihn trug,
der tot den Tod uns schlug!
Er wusch mit Blut, er gab genug,
uns ab den bösen Zug,
womit uns Evas Schuld entstellte.

4

Dem hohen Thron des Salomon
bist du, Herrin,
ein hehres Haus, gebietest selbst darin!
Balsam immer,
Perlenschimmer,
Jungfrau aller Jungfrauschaft,
bist Jungfrau du die Königin!
Gottes Lamm in dir fand wundersam
sich Weilens Reine,
wo es sich barg, der Weisheit Sinn.

5

Das Lamm ist Christ,
der wahrer Gott ist,
er, von dem du bist
erhöht und hochgeehrt.
Vom Lamme wunderbar
hat ihre Farbe klar
Jungfrauenschar.
Nehmt es nun wahr
und kehrt euch um, wohin es kehrt!
So bist Herrin du geehrt.
Nun bitte ihn, daß er uns gewähr
dir zulieb, wes wir bedürfen sehr,
du sende uns Trost vom Himmel her,
so wird dein Lob vermehrt.

 

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