Sinnvoll – sinnlos – unsinnig
Sinnvoll sind Aussagen, die einem Sprechakttyp zugeordnet werden können. So sind Aussagen, die wahr oder falsch sind, wie die Aussage „Der Mond ist einer von zwei Erdtrabanten der Erde“ oder die Aussage: „Die Winkelsumme des Dreiecks beträgt (in der Euklidischen Geometrie) 180 Grad“, sinnvolle Aussagen, weil die Verneinung der ersten eine wahre Aussage, die Verneinung der zweiten eine falsche Aussage ergibt. Demnach können diese Aussagen dem Sprechakttyp der Behauptung zugeordnet werden.
Sinnlos sind Aussagen, die wir zwar einem Sprechakttyp zuordnen können, die aber dessen Geltungsbedingungen nicht erfüllen. So sind die Äußerungen: „Bitte, leih mir mal dein Gehirn!“ oder „Siehst du, wie viele Leute sich im Nebenraum aufhalten?“, wenn sie nicht metaphorisch oder ironisch gemeint sind, weder eine sinnvolle Aufforderung noch eine sinnvolle Frage, weil sie weder die Bedingung des Sprechakts der Aufforderung, mittels angemessener Handlungen erfüllt werden zu können, noch die Bedingung des Sprechakts der Frage, einer angemessenen Antwort zugeführt werden zu können, erfüllen.
Unsinnig sind Äußerungen, die nur scheinbar die Form eines Sprechaktes aufweisen, in Wahrheit aber keinem Typus von Sprechakt zugeordnet werden können. So sind die Aussagen: „Die Zahl Pi ist homosexuell“ oder: „Obwohl mein Freund im Büro arbeitete, habe ich ihn im Park gesehen“ nur scheinbar behauptende Sprechakte, erfüllen aber in Wahrheit nicht die Bedingung des Sprechakts der Behauptung, auch in der verneinten Version eine sinnvolle Aussage zu ergeben. Denn die Aussagen: „Die Zahl Pi ist nicht homosexuell“ und „Obwohl mein Freund im Büro arbeitete, habe ich ihn nicht im Park gesehen“ ist genauso unsinnig wie ihr Gegenteil.
Wir bedürfen daher keines speziellen Sinnkriteriums, um nachweisen zu können, welche Äußerungen sinnvoll, sinnlos oder unsinnig sind. Wir müssen sinnvolle Aussagen nicht auf solche mit empirischem Gehalt einschränken oder solche, deren Wahrheitswert durch methodische Verfahren wie die Verifikation festgestellt werden kann. Wenn wir eine Äußerung einem Typus von Sprachhandlung wie dem Behaupten, Fragen und Auffordern eindeutig zuordnen können, weil sie die Geltungsbedingung eines solchen Sprechakttypus erfüllt, wissen wir, daß es sich um eine sinnvolle Äußerung handelt. So eröffnen wir uns den weiten Raum aller sinnvollen Äußerungen und müssen uns nicht auf eine spezielle Ontologie der Tatsachen oder Bedeutungen festlegen.
Ein einfaches Verfahren, festzustellen, ob eine Äußerung eine sinnvolle Behauptung darstellt, ist ihre Negation: Ergibt sie eine sinnvolle Aussage, haben wir im Ausgangssatz ebenfalls eine sinnvolle Aussage. Die Aussage: „Der Mond ist aus Käse“ ist eine sinnvolle Aussage, denn ihre Negation: „Der Mond ist nicht aus Käse“ ist eine sinnvolle Aussage und sogar ein wahrer Satz.
Aussagen wie: „Dieser Satz ist nicht wahr“ scheiden als unsinnige Aussagen aus der Welt, in der unsere Sprechakte des Behauptens Geltung beanspruchen, aus. Wir müssen, um dies zu begründen, nicht einmal auf die dieser Aussage entspringende Paradoxie verweisen. Es genügt festzustellen, daß ihre Negation: „Dieser Satz ist wahr“ unsinnig ist, um zu ermessen, daß der Ausgangssatz die Bedingung des Geltens von Behauptungen, wahr oder falsch zu sein, nicht erfüllt. Denn evidenterweise ist sowohl der Satz: „Dieser Satz ist wahr“ als auch seine Negation weder wahr noch falsch.
Dies gilt auch für Aussagen wie: „Es regnet, aber ich glaube es nicht“ oder: „Ich habe Schmerzen, aber ich glaube es nicht“. Ihr Unsinn erweist sich an ihren Negationen: Denn sowohl die Aussage: „Es regnet nicht, aber ich glaube es nicht“ wie die Aussage: „Ich habe keine Schmerzen, aber ich glaube es nicht“ sind weder wahr noch falsch und also unsinnig.
Unsinnig ist die Aussage: „Mein Gehirn dachte, ich hätte kein Gehirn“, nicht weil es unsinnig wäre, zu behaupten: „Ich habe kein Gehirn“, denn die Negation dieses Satzes: „Ich habe ein Gehirn“ ist sowohl sinnvoll als auch wahr, demnach ist der falsche Ausgangssatz „Ich habe kein Gehirn“ ebenfalls sinnvoll. Die zusammengesetzte Aussage ist deshalb unsinnig, weil sie die Bedingung des Sprechaktes des Behauptens nicht erfüllt, die darin besteht, daß das Subjekt unserer mentalen Akte kein Objekt sein kann. Das Gehirn ist aber ist natürlich ein Objekt in der Welt, das wir zum Gegenstand einer Aussage machen können.
Unsinnig sind Aussagen wie: „Die Gesellschaft unterliegt einem allgemeinen Verblendungszusammenhang“, weil sie impliziert, daß sie die Möglichkeit ihrer Negation: „Die Gesellschaft unterliegt nicht einem allgemeinen Verblendungszusammenhang“ ausschließt, denn würde ich dies behaupten, gäbe ich Zeugnis von eben jener ominösen Verblendung, von der frei zu sein ich mich zu behaupten erdreistet habe. Wir haben es hier also im großen Teich der Unsinns-Fische mit einem besonderen Prachtexemplar zu tun, denn die Aussage hebt die allgemeine Geltungsbedingung des Sprechakts des Behauptens, also ihrer selbst, auf, nämlich, daß eine sinnvolle Aussage negiert werden und eine neue sinnvolle Aussage ergeben kann. Des weiteren erweist sich der Unsinn dieser Aussage darin, daß ein Universalbegriff der Gesellschaft zu logischen Antinomien führt, denn Aussagen über die Gesellschaft im allgemeinen sind per definitionem keine Aussagen über die speziellen Eigenschaften der Gruppen, aus denen sie sich zusammensetzt. Behaupte ich aber, daß sowohl die Eigenschaft P1 der Gruppe A, welche die Eigenschaft P2 der Gruppe B ausschließt, als auch die Eigenschaft P2 Eigenschaften der Gesellschaft im allgemeinen darstellen, verfange ich mich in der Antinomie.
Unsinnig sind Aussagen wie: „Der manifeste Trauminhalt zeigt Ihre Devotion vor dem Vater, weil Ihr latenter oder unbewußter Wunsch, ihn zu töten, verdrängt worden ist.“ Wenn du in der psychoanalytischen Sitzung leugnest, diesen Wunsch je verspürt zu haben, gilt diese Leugnung als Bestätigung der Verdrängung des unbewußten Tötungswunsches. Wieder haben wir eine Aussage vor uns, die die Möglichkeit ihrer Negation und damit die allgemeine Geltungsbedingung von Behauptungen ausschließt.
Die Behauptung, es gebe unbewußte Phänomene oder das Phänomen des Unbewußten, ist Unsinn, denn von dem, was mir nicht bewußt ist, weiß ich nichts, und das, was ich weiß, kann per definitionem nicht unbewußt sein.
In der Rede vom Unbewußten kommen Bilder zur Geltung, die das Denken mißleiten, wie das Bild einer Höhle, deren Eingang noch etwas sichtbar läßt, während die Dinge in ihrem Inneren ganz verborgen sind: Wenn am Eingang ein Handschuh liegt, warum sollte sein Gegenstück nicht unsichtbar im Inneren liegen? Aber das menschliche Bewußtsein ist kein Behälter, ebensowenig wie das Gedächtnis eine Höhle ist, in die man mit dem geeigneten Instrument, wie der freien Assoziation, hineinleuchten könnte.
Unsinnig sind Aussagen wie: „Das Absolute ist die Identität von Natur und Geist.“ Denn auch solche grandios und wie ein Hammerschlag gegen den Kopf auftretende Formeln des deutschen Idealismus schließen die allgemeine Geltungsbedingung sinnvoller Aussagen aus, nämlich in negierter Form ebenfalls eine sinnvolle Aussage zu ergeben. Das sogenannte Absolute sträubt sich, um es ironisch zu sagen, verständlicherweise gegen seine Negation, denn dann verlöre es den Charakter des Absoluten. Zu sagen: „Das Absolute ist nicht die Identität von Natur und Geist“ ist weder sinnvoll noch wahr, also unverständlicher Unsinn, denn wir können weder theoretisch präzise einen Gegenstand namens Natur noch einen Gegenstand namens Geist bestimmen, geschweige denn ihre Identität.
Alle Sätze der (idealistischen) Philosophie, die etwas Absolutes oder eine absolute Erkenntnis auf dem Gebiet der Erfahrung, also der Natur, der Geschichte und der Formen des menschlichen Geistes, auszusagen prätendieren, sind unsinnig, weil sie dem allgemeinen Geltungsgrund des Sprechaktes der Behauptung, entweder wahr oder falsch sein zu können, zuwiderlaufen, eben weil sie vortäuschen, nicht falsch sein zu können. Sie täuschen vor, wie Spinoza mittels Anwendung der geometrischen und axiomatischen Methode auf alles, durch eine Super-Methode der Dialektik oder der intellektuellen Intuition ins innerste Wesen der Erscheinungen vordringen zu können. Darin sind sie vom magischen Denken nur um die Schneckenstrecke der Anwendung eines blendenden Dekors beeindruckender Wörter entfernt.
Unsinnig sind Aussagen und Sätze, die vorgeben, das Ganze der Erfahrung abbilden zu können, denn sie sind selbst kein Teil dieser Abbildung. Für die logisch vorgegebene und unhintergehbare Unvollständigkeit der theoretischen Erfassung des Ganzen der Erfahrung führen wir folgende Gründe an:
1. Das Weltganze kann nicht vollständig – auch nicht durch eine sogenannte Weltformel – erfaßt werden, weil die Theorie, die vorgibt, es zu erfassen, aus dieser Erfassung herausfällt und ihrerseits nach einer Metatheorie verlangt, die sie umfaßte, und so weiter ad Kalendas Graecias.
2. Die Tatsache der Einheit des Bewußtseins, die all unserer Erfahrung und unserem Sprechen zugrundeliegt, kann nicht abgeleitet werden, weil jede Form der theoretischen Ableitung sie wiederum voraussetzt. Es ist natürlich insbesondere müßig und töricht, das Bewußtsein aus den natürlichen Prozessen des neuronalen Systems ableiten zu wollen, weil neuronale Prozesse per definitionem im besten Falle Objekte des Bewußtseins sind, aber selbst kein Bewußtsein enthalten.
3. Das Scheinwissen der idealistischen Lehren in Sätzen wie: „Der absolute Begriff ist das Für-Sich des An-Sich“ oder „Das Ich begrenzt sich durch Setzung des Nicht-Ich“, rührt von bloßer Wortklauberei, wobei die Wörter wie analytische Einheiten kombiniert werden. Denn in der Tat gönnt uns nur die Analyse von Komplexen wie die Analyse der Zahlen, der mathematischen Operationen und geometrischen Formen, eine vollständige Transparenz, die uns die Erfahrung mißgönnt und entzieht, aber einzig aus dem Grund, weil sie Konstruktionen des menschlichen Geistes sind, die wir auf ihre letzten Hintergründe, die Axiome und die logischen Ableitungen der Theoreme, zurückführen können.
Unsinnig sind Aussagen wie: „Ich werde mir meiner seelischen Akte durch Reflexion bewußt“, weil sie die Negation dessen implizieren, was sie behaupten. Hier haben wir den Gegen-Unsinn zu den bisher betrachteten Fällen, welche die Negation ausschlossen. Der Satz impliziert nämlich seine Negation: „Ich werde mir meiner seelischen Akte nicht durch Reflexion bewußt.“ Wenn du ein Bild im Museum betrachtest, dann aber den Strahl deiner Aufmerksamkeit auf den Akt deines Sehens lenkst, siehst du das Bild nicht mehr, sondern bist vom reinen Akte des Sehens abgelenkt. Wenn die Reflexion das, was sie hervorzubringen berufen scheint, vernichtet, sollten wir davon ausgehen, daß es sich bei diesem Begriff und das mit ihm Gemeinte oder vielmehr Beschworene um einen Mythos handelt. Wir müssen vielmehr sagen, daß uns die Akte unseres intentionalen Lebens ohne Reflexion oder unmittelbar gegeben und evident sind: Natürlich weißt du, wenn du ein Bild betrachtest, ohne darüber reflektieren zu müssen und also unmittelbar, daß du ein Bild betrachtest und daß du es bist, der das Bild betrachtet.
Unsinnig sind Aussagen, die die Geltungsgrundlage ihres Sprechaktes oder ihrer zugrundeliegenden Intentionalität implizit bestreiten. Der Ehemann, der seiner Frau seine Liebe bestätigt und anschließend seiner Geliebten einen Heiratsantrag macht. Der Schuldner, der dem Gläubiger anbietet, ihm das geliehene Geld zu einem höheren Zinsfuß zu leihen. Der multikulturalistisch weichgespülte Katholik, der medienbeflisssen bekräftigt, der Gott Mohammeds sei identisch mit dem Vater Christi.
Unsinnig sind Aussagen, etwas sei wahr, wenn ihnen die für sie unentbehrliche Evidenz mangelt. Einer wird des Mordversuchs an einer öffentlichen Person aus einem niederen Motiv bezichtigt, weil ihm dieses Motiv bei einer Versammlung von Menschen begegnet sei, die Personen wie die später von ihm angegriffene angeblich hassen und angeblich als gemeingefährlich und todeswürdig hinstellen. Es ist klar, daß diese Behauptung nur den Sinn hat, die Gruppe von Menschen, die dem Angeklagten das Motiv insinuiert haben soll, zu diskreditieren. Evidenz hätte es nur im Bewußtsein dessen, dem genau dieses Motiv bei der aktuellen Ausführung der Tat vor Augen geschwebt hätte. Aber das wissen wir nicht, und vielleicht nicht einmal der Täter, denn er könnte es bis dato vergessen haben. Aber auch wenn er uns bestätigen würde, aus diesem Motiv gehandelt zu haben, hätten wir keine Gewißheit, denn er könnte jetzt glauben, dieses Motiv habe ihn bei der Tat beherrscht, obwohl es ihm damals nicht im mindestens evident vor Augen geschwebt hat, abgesehen von der Möglichkeit, daß er jetzt lügnerisch dieses Motiv verwenden könnte, um seiner Tat einen fragwürdigen oder schäbigen Glanz zu verleihen.
Comments are closed.