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Und der Tod tritt leise zurück

05.07.2013

Café Ypsilon, Berger Straße, Frankfurt am Main

„… denn Lesen ist Liebe zum Leben …“

An den Gehwagen das Bein gewinkelt,
die winzige Hand, furchig, verfleckt,
ruht, ein herabgetaumeltes Blatt,
auf der aufgeschlagenen Seite,
als würde sie erwarmen an der Schrift.

Oder sie hält die Kaffeetasse schräg,
heikel zitternd – schon siehst du dich
zu Heldentaten auf dem Sprung –,
doch die Alte mit den mausohrigen,
weißen Kringellöckchen ist auf dem Quivive …

… schon wie sich ihr Mund schlürfend, leckend
zu einem zarten Grinsen glättet und stülpt –

ihr Körper aus mädchenhaftem Tüll,
betropften Atemfetzen, Perlmuttnägelchen,
in einem Arom aus Kampfer- und Kölnisch-Wasser,
ihr Körper ist wie nackt
vor der Wahrheit der Stunde.

Und der Tod, an die Litfaßsäule gelehnt –
mit dem scheelen Blick eines Taschendiebs zählt er
die Leberflecken auf den Armen der Greisin –
und der Tod tritt vor der späten Glut
dieses Lese-Lebens leise zurück.

Oh, sie schlägt uns allen ein Schnippchen –
jetzt jongliert sie ihr silbernes Handy
und kündigt dem eingeschüchterten Hörer
klipp und klar ihre baldige Rückkehr an –
und sie schiebt ihren Spazierhelfer,
als würde sie ihm, nicht er ihr Beine machen.

Ihr letzter schräger Blick
auf das Tablet eines Gastes verriet:
„Ich auch, demnächst – das müsste noch drin sein!“

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