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Si tacuisses …

02.11.2021

Philosophische Sentenzen und Aphorismen

Wenn jeder vor seiner eigenen Türe kehrte, wären alle Wege sauber.

Wenn sich jeder um sich selber kümmerte, wäre allen geholfen.

Aber sich in fremde Angelegenheiten zu mischen und alles mißzuverstehen, alles in Unordnung zu bringen gilt als Zeichen eines moralisch hochstehenden Charakters.

Von nüchterner Vernunft nicht begrenztes Wohlwollen verschlimmert den Mißstand, zu dessen Behebung es unter allen Anzeichen von Empathie und Euphorie heroisch anzutreten pflegt.

Si tacuisses … Aber sie, die Meisterdenker, leiden am meisten unter dem pathologischen Zwang, nicht den Mund halten zu können.

Der wie eine Taube geräuschvoll aufflatternde Satz … der plötzlich abbricht, als wäre unhörbar ein Schuß gefallen … als hätte Apollon seinen Pfeil abgeschossen.

Amtlich bestallte Reliquienverehrer, die ein ganzes Professorenleben darangeben, sich in der blassen, immer weiter wuchernden Ranke einer Fußnote am Werk Platons, Kants, Hegels oder Adornos zu entwirklichen.

Ihre devotesten Schüler bekommen einen Ableger, der ihnen, wenn er durch eifriges Wässern Wurzeln bildet, ein glänzendes Examen in Aussicht stellt.

Die menschliche Eitelkeit geht dialektisch so weit, daß ein Philosoph, der das Glück darin sah, verborgen zu leben, und anderen nicht auf den Ruf und den Ruhm zu achten und zu bauen anempfahl, eben aufgrund dessen hoher Achtung und eines weiten Rufes gewürdigt zu werden bemüht war, und tatsächlich dadurch allbekannt und berühmt wurde.

Manche Propheten der Menschheitsbeglückung ähneln den vom Tourette-Syndrom heimgesuchten Autisten, nur daß sie anstelle von Flüchen und obszönen Interjektionen dem semantischen Zwang unterliegen, kontextfrei knallig-billige Plastikrosen, das heißt Begriffe wie Humanität, soziale Gerechtigkeit, Gleichheit und Weltrettung, in die Menge schleudern zu müssen.

Die korrekte und die mißglückte Bildung von Sätzen stehen gleichnishaft für den Sinn und Unsinn des menschlichen Lebens.

Dichtung ist ein anmutiger Tanz mit Worten, der die fatalen Fußfesseln und Fallstricke nicht fürchten muß, die dem gravitätischen Gang des Denkens mit Worten in den unscheinbaren Begriffen „wahr“ und „falsch“ allenthalben begegnen.

Doch sollten die Schritte und Figuren beim Tanz kein unkontrolliertes Gezappel und wildes Getrampel sein; hier finden wir der Poesie eigene Kriterien der präskriptiven Zuschreibung und der ästhetischen Urteilskraft wie plump und elegant, verworren und maßvoll, schwerfällig und behende, kraftlos und gespannt, farblos und schillernd und viele weitere mehr.

Die meisten wohlwollenden Ratschläge sind solche, um die man nicht gebeten hat.

Die uns raten, tun es meist, um uns nicht gleich zu ohrfeigen.

Das kulturelle Elend der Deutschen zeigt sich in dem trotz der Mahnungen und Menetekel von 1933, 1945, 1968, 1989 zügellos gebliebenen Verlangen nach sozialen Utopien.

Der nüchtern gewordene Geist, wie der eines Horaz, eines Seneca oder Tacitus, nimmt hin, daß es über das morgendliche Festmahl und den sonntäglichen Spaziergang mit Freunden oder wenn es hochkommt den abendlichen Kuß der Geliebten hinaus nichts zu erwarten gibt.

Die Resignation ist die Schwelle zum Glück, und sei es zu dem bescheidenen, auf einem bemoosten Stein in der Abendsonne zu sitzen und nichts weiter zu fühlen als die noch warmen Strahlen auf der Haut und nicht weiter zu sehen, als die letzten Strahlen eben reichen.

Würde man die Funktionsträger der politischen Elite durch Automaten ersetzen, die nur stumm die Lage berechnen und fällige Entscheidungen auf ihren Bildschirmen anzeigen, müßten Krethi und Plethi nichts entbehren, aber jeder Feinhörige dürfte für die Stille danken, in der all die hochmögenden Phrasen ungesagt blieben.

Wenn ein kleiner Verrückter einen großen der Verrücktheit zeiht, wie Schopenhauer Hegel, ist dies nicht allemal ein Ausweis von Vernunft.

Hegel mal Marx ist gleich Irrsinn im Quadrat.

Ein kopfstehendes schlangenlockiges Monstrum auf die Füße zu stellen macht aus ihm noch keinen Apoll.

Der Glaube, daß der Heilige Geist sowohl aus dem Vater als auch aus dem Sohne hervorgehe, ist die reine Vernunft gegenüber jenem, wonach sowohl das Ich als auch das Nicht-Ich aus dem absoluten Ich hervorgehen.

Die den Gedanken nicht ertragen, daß der Raum zwischen den Sternen und Galaxien leer ist und stumm, erlauschen sich Engelschöre. Das spricht vielleicht nicht für ihren Verstand, aber für ihren edlen Charakter.

Der Glaube, daß die Götter wie Menschen Händel und Liebschaften untereinander pflegen, ist die reine Vernunft gegenüber jenem, wonach die Rede zwischen Krethi und Plethi, läßt man ihnen nur freie Hand und gewährt ihnen eine Tüte blauer Luft, von rationalen Kriterien gelenkt und zu einer respektheischenden Verständigung erblühen werde.

Die Torheiten der Philosophen verbreiten sich epidemisch, wenn sie mit dem Nachhall der alten Heilsversprechen versehen wurden.

Jene, denen die Wahrheiten der Bibel nur ein Grinsen entlocken, blicken selig-verklärt auf zu den Kathedern philosophischer Heilsverkündigung.

Wenn Fichte, Hegel und Schopenhauer sich aus derselben Quelle nähren, kann diese trotz der Kritik der reinen Vernunft nicht ganz sauber sein.

Das Kind bemerkt, wie es größere Aufmerksamkeit der Eltern auf sich zieht, wenn es krank ist und sich unter der Decke verkriecht; desgleichen finden wir den neurotischen Patienten, der scheinbar grundlos krank wird und sich in seinem Unterschlupf verbirgt, in der törichten Hoffnung, gütige Augen würden ihn bald dort entdecken.

Wenn das Kind die Puppe wiegte, ließ sie den wonnigen Laut eines Babys vernehmen; nachdem das Kind die Puppe, um eine ungute Neugierde zu stillen, recht unsanft geöffnet hatte, blieb sie stumm.

Die despektierlich herabzerrende Geste, mit der man einmal glaubte durch das Herunterreißen der Talare den unter ihnen angesammelten Muff freizulegen, ist heute zur grauen Phrase der Festtagsreden und dem staubigen Rankenwerk feuilletonistischer Nachrufe erstarrt.

„Die Welt als Wille und Vorstellung“ – welch eine befremdliche Phantasmagorie, was für ein Irrwitz schon im Titel.

Wer wähnt, die Welt sei seine Vorstellung, hat vergessen, daß er der Sohn seiner Eltern ist.

Mißtrauen wir den Geistesblitzen in der währenden Nacht der Vernunft.

Der Kunsthandwerker versteht sich darauf, mit wenigen routinierten Griffen die Töpferscheibe wieder in Drehung zu versetzen, die Meißener Porzellanfigur zu kitten, ohne daß die Bruchstelle zu sehen wäre, dem Kirchenfenster transparentere farbige Scheiben einzufügen; die kurzsichtigen Bürokraten und betriebsblinden Sozialingenieure aber, denen gesinnungsethisch verblendete Politik ihre Entscheidungen zur allbeglückenden Modernisierung der Gesellschaft überantwortet, können die marktschreierisch ausgerufenen Eingriffe in die Feinmechanik und das undurchsichtige Netzwerk des ökonomischen oder sozialen Systems nur unter dem unausbleiblichen Risiko ihrer Beschädigung vornehmen.

Gott als Substanz, ens verum, ens realissimum, causa prima, causa finalis … – die christliche Theologie als parasitärer Wurm, der sich durch den Leichnam der antiken Metaphysik frißt.

So mag Pascal es gemeint haben: Die Gebete, die Riten, die Hymnen sind echt und ursprünglich, nicht der Weihrauch der Theologie, der sie im Zwielicht surrealer Begriffswolken verschwimmen läßt.

Der parasitäre Wurm der Theologie frißt sich durch den Leichnam der antiken Metaphysik, bis er schließlich im Ekel und Überdruß von Atheismus und Nihilismus kraftlos von ihm abfällt.

Man kann Begriffe definieren, konstruieren, dekonstruieren – aber keine natürlichen Sprachen, die uns eine ins Dunkel der Vergangenheit reichende Überlieferung vermacht hat.

Der Gebrauch von „wissen“ führt uns auf die notwendigen Bedingungen des korrekten Gebrauchs von „wahr“ und „falsch“.

Die Bedingungen des korrekten Gebrauchs von „wahr“ und „falsch“ sind objektiv; dieser Umstand schließt nicht aus, sondern impliziert, daß „Objektivität“ ein korrelativer Begriff zu „Subjektivität“ ist.

Denn wir können „wissen“ nicht korrekt verwenden, ohne zu sagen: „Ich weiß“ oder „Wir wissen“; das mittels der Personalpronomina der ersten Person aufgespannte syntaktische Netzwerk aber verweist uns auf räumlich und zeitlich verschiebbare Positionen seiner Befestigung, während die Semantik von „wissen“ davon unberührt bleibt.

So können wir logisch konsistent nicht sagen: „Ich wußte, daß der Mond der einzige Erdtrabant ist“, denn dies würde implizieren, daß wir jetzt eine Wahrheit verkennen, die wir einmal erkannt hatten; ja, eine Wahrheit in der Vergangenheit einmal eingesehen und gewußt zu haben impliziert, sie auch in der Gegenwart noch zu wissen, falls nicht Geistesschwäche oder Demenz unsere Wissensbestände aufgelöst hat.

Freilich, wenn wir den Satz in ein passendes syntaktisches Netz fügen, dem wir räumliche und zeitliche Koordinaten zuordnen, können wir ihn ohne Widerspruch behaupten und etwa sagen: „Unser Geographielehrer hat uns anhand eines astronomischen Modells vorgeführt, wie der Mond um die Erde kreist. Da wußte ich, daß der Mond der einzige Erdtrabant ist.“

Daß der Mond der einzige Erdtrabant ist, bildet eine Tatsache und ist keine Vorstellung von der Welt, die natürlicherweise verschwindet, wenn wir in den Schlaf oder eine Ohnmacht sinken; sie bleibt auch dann eine objektive Wahrheit, wenn wir aufgrund einer Geistesschwäche daran gehindert würden, ihrer inne zu werden. Allerdings, ihrer inne zu werden impliziert, daß du oder ich oder wer immer sagt: „Ich weiß, daß der Mond der einzige Erdtrabant ist.“

Der semantische Zusammenhang zwischen dem Gebrauch von „wissen“ und dem Gebrauch von „wahr“ und „falsch“ ist ein interner und logisch notwendiger Zusammenhang, der syntaktische Zusammenhang zwischen dem Gebrauch von „wissen“ und dem Gebrauch der Personalpronomina der ersten Person ist ein externer und logisch nicht notwendiger Zusammenhang.

 

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