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Schwärzliche Körner des Grams

02.12.2024

Wie es wohl sein kann, daß mehr als Fülle die Leere uns tröstet?
Hör das Geratter des Tags, lausch in die Stille der Nacht.

*

Wie es die Wimpern beschatten, wie sich ihr Auge befeuchtet,
denn was sie las, war der Brief mit seinem Lilienemblem.

*

Was denn noch lesen, es bröckeln die Zeichen, die Namen verwittern,
überwuchert hat Moos, Flechte die Schrift auf dem Mal.

*

Kehlig erschallt der Ruf des Muezzins von Minaretten.
Sind wir in Mohammeds Reich? Nein, in germanischem Gau.

*

Blendender Muschel entstiegen, die selige Göttin der Liebe,
bald von den Salzen zersetzt, bitteren Tränen des Grams.

*

Zeugen wollen sie nimmer, weder im Geist noch im Fleische,
sondern des Kommenden Saat zehren sie auf vor der Zeit.

*

Feinde ziehen sie groß, am Busen die zischende Natter,
bis sich der giftige Zahn wühlt in das staunende Herz.

*

Bacchus umringte die Schar der fackelschwingenden Frauen,
er aber brachte den Wein, goldene Trauben des Lieds.
Heute siehst du auf Foren kurzgeschorene Mädchen
schwärzliche Körner des Grams streuen aus aschfahlem Vers.

*

Grenzen wahren sie nicht, sie wollen die Schwelle nicht hüten,
durch die offene Tür stieben die Flocken des Wahns.

*

Aus dem Dunkel der Erde nähren die Wurzeln die Krone,
aber die Wurzel der Luft reißt die erstickte hinab.

*

Sklaven hochtönender Phrase hörst du kläffend verkünden
aus dem Maulkorb der Angst, rein sei ihr eitriges Wort.

*

Unbeschworen zerfließen die Worte wie gleißende Tropfen,
heil aus dem Brunnen geschöpft hat sie dein Becher, Horaz.

*

O ihr Tränen, feuchte Glut auf den Wangen, mondbleichen,
weicher Lippen o Hauch, seufzt uns noch einmal im Traum.

*

Heilszeit schimmerte heimlich ins Lied von der rettenden Gnade,
Sternenlied des Vergil, war ihm auch Israel fern.

 

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