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Schlummert ein, ihr matten Augen

18.11.2018

In der dämmerigen, kühlen Katakombe, in der vor dem Altar aus wuchtigen, grob gehauenen Steinen nur die große, einsame Kerze Licht spendet, verhalten wir den Schritt und dämpfen die Stimme, und ihr Hauch wird flüchtiger Dunst.

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Welche Stille, dunkelblaues Tuch, vom Wind der Dämmerung leicht gebläht, breitet sich über die Gedichte des alten Meisters.

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Nachts, das Schimmern ferner Fenster in schneebedeckten Hütten, in denen Menschen singen, flüstern, sich küssen, schlafen, zu denen du, unterwegs auf verschneiten Pfaden, nicht mehr findest.

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Schmerz der Erleuchtung, Stern über blauer Winternacht.

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Rings das ungeheure Kreisen des Lichts um die schwarze Rose, in dir aus dem schwarzen Brunnen das unverständliche Rauschen.

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Kelch des Engels, schwebend gehalten unter die Wunde, Kelch, gefüllt vom einzig lebendigen Wort.

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Kind, das die gelben Blätter der Linde, des Ahorns, der Buche vom Boden aufrafft und zum Drei-Blatt der Liebe fächert.

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Schnörkel des Verses, Gitter vor dem Blau des stummen Himmels.

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Lied, Taschentuch, das aus dem Fenster winkt.

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Das leise Knistern der dürren Gräser im Schnee, kaum noch Durst, kaum noch Klage.

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Das Hoffen der Frommen, und die Arme, es zu halten, knicken ein wie blutleere Zweige.

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Die Schatten wandern über den Sand, der Wind spielt mit dem Sand, bis er müde wird, müde der Wind, müde der Sand, die Schatten wandern.

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Wenn das Dunkel mit Blütenblättern später Rosen niederschwebt, wenn das Dunkel sanfter glimmt mit Tropfen, die von Veilchenwangen rinnen, schlummert ein, ihr matten Augen.

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Der Schein der Kerze knistert von Schatten.

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Lippen zur Unschuld salben mit eines Verses zartem Finger.

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Das Eichhorn huscht und sammelt seine Nüsse und weiß von keinem letzten Schnee.

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Wenn wir kaum noch flüstern im Kerzenschimmer des hohen Doms, wenn wir verstummen, mag das Schweigen uns ins heilige Dunkel heben.

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Erst ist es das Wogen des Atems, des Bluts, dann ist es der Rhythmus des Lieds, endlich das Wogen der Stille.

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Die Taube hat sich auf dem Zweig vor deinem Fenster niedergelassen. Frag nicht, wieso diese Taube, warum zu dieser Stunde auf diesem Zweig. Frag nicht, wieso du dort sitzt, warum zu dieser Stunde in diesem Zimmer.

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Gezählte Stunden. Ist noch eine, die vom Grund des blechernen Haufens golden heraufglänzt?

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Wie zwischen schillernden Seifenblasen, die aneinander schweben, ist zwischen den Worten, den Seufzern, den Küssen ein unendlich leerer Raum.

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Hündchen, legt sich auf die Füße des schlaflosen Dichters.

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Strahl, der über das Polster des Schnees streift und es rötet, als würde es leise, leise tönen.

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Die Kleine, läuft mit ihrem blauen Plastikeimerchen und der kleinen Schaufel zu den Spielkameraden, und ist kein Zweifel, daß der Sand warm und die Kinder freundlich sind.

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Der stinkende, von Schwären verunstaltete Bettler, und singt wie die Sirene schön, wenn der stille Mond herableuchtet, sie haben ihn in einen alten Turm gesperrt, der oben gleich einem Brunnen offen ist, und so hockt er in der Tiefe und blickt in das blaue Loch und singt, und sie sitzen in der warmen Luft der Sommernacht rings um den Turm und lauschen, wenn der Mond in sein Inneres leuchtet.

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Das tränenhelle Auge, das dich gläubig anschaut, die kleine Hand, die sich um deine schlingt, der trockne Mund, der um den Becher eines wahren Wortes bettelt – könnte das der Seele taugen?

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Dort, wo an Dämmers Ufern Schilfe zittern, Lampions weißer Blüten auf den Wassern schweben, wo ein Herz, die blaue Knospe, in das Herz der roten blickt, dort …

 

 

Siehe:
https://www.youtube.com/watch?v=QioNzrN9wdI

 

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