Am Saum des Weges
Dort kam sie aus dem Nebel des Gartens,
die Locke aus der heißen Stirne streichend
mit der vom Jäten und Rupfen,
vom Wringen und Scheuern
aufgerauhten, rissigen Hand,
den aus Bast geflochtenen Korb am Arm,
Früchte der Erde, Boten des Lichts,
von Nachttau genährt,
morgenrötlichen Schimmers,
Äpfel und Pflaumen, Kirschen und Beeren
und für dich, Mutter der Mutter,
Knospen des Monds
und Flammen der Venus,
Lilien und Rosen,
auf- und untergehend
zwischen den summenden Schatten
von Flieder- und Holundergebüsch.
Ihr Lächeln war noch mädchenhaft scheu,
doch von feuchten Funken
blauender Blicke umsprüht,
wie das Lächeln einer Dryade,
die Taubengeflatter geweckt
aus der harzigen Rinde des Schlafs.
Die Schalen sah ich als Kind noch,
worin sie die Früchte gehäuft,
die schön bemalten irdenen Vasen,
die sie mit Blüten erhöht,
aber sie lagen verwittert im eichenen Kasten,
in Leinentücher gewickelt,
als müßte man sie vor Frost
oder böser Blicke Verätzung bewahren.
Dort hockte die Greisin auf einem Stein,
wo am Saum des Weges die staubige Distel sich zackt,
das Haupt gebeugt
unterm veilchenbetupften Tuch,
der viel zu große schäbige Mantel,
den sie dem Leutnant mühsam hat abgezogen,
starr lag er im Schnee
und zeigte statt des Gesichts
einen erloschenen Krater,
er blähte sich wie ein schwarzes Nomadenzelt
über die schwärende Glut eines Herds,
sie aber schürfte geistesabwesend
mit einem Weidenzweig
im braunen Löß und Geröll
wie nach einem verlorenen Ring.
Der Treck war weitergezogen,
sie hatte keine Stimme mehr,
den Fliehenden nachzurufen,
mit ihren Habseligkeiten,
den Eimern, Schüsseln, Tellern und dem Besteck,
das sie oft auf der Terrasse geputzt,
wenn das leise Raunen der See
die Muschel des Traumes gefüllt hat.
Dort ging ich den gewundenen Pfad
durch die knorrigen Reben hinan
zur Kapelle, die wie eine hudernde Glucke
zwischen Moosen und Farnen des Walds
die weißen Flügel gebreitet,
scheu wie ein unreiner Knabe
über die basaltene Schwelle mich tastend,
um vor der Himmelskönig,
die huldvoll den Mantel,
den Azur der Gnade,
um die verirrten Schafe hüllte,
die halbblinden Küken,
eine Kerze anzuzünden,
den Müttern, den Vätern
und jenen, die am Saum des Weges
nicht mehr die Blumen der Heimat grüßten,
und für mich selbst,
den am ärgsten Verirrten.
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