Südfriedhof, Frankfurt am Main
Auf dem Friedhof unter milder Birke
raschelst Denkens scheu du mit der Zeitung.
Die Bank aus Holz, mit Flechten überleckt,
ist hart. Dein Herz, ein Totenlicht, ist weich.
Es kommt dir vor, als lauschten groß die Toten
rings in dich hinein, ob sie die Stelle fänden,
des Widerhalles Wunde für ein Klagen.
Sie finden deine frauliche Geduld.
Dir ist, als pulse deine Einsamkeit von
Stimmen, Summen, Singen, süßem
Lispeln, Seufzen, angelischem Diskant
von einem Kind, das jüngst verstarb,
von einer Kind-Geliebten, die wohl,
das Haupt von warmen Segenshänden
gewiegt, entschlief. – Du wandelst,
unentstellt von Taggedrängen,
du schlenderst leicht und wehmutweich
gehobener, geliebter durch der Gräber
Reihen als in Promenaden, mit eitlen
Rosen hübsch. – Gib dich der Betrachtung
morbider Fühligkeiten hin,
Engelsschmachten, Todesputten, schlecht
verklärten Jesussen, zerbeulten Kränzen
aus Kupfer oder Blech. – Und schau
und lies und murmle innig vor dich hin
die alten Trost- und Heilungssprüche.
„Habe keine Furcht, ich bin mit dir.
Weiche nicht, ich bin dein Gott.“
Der dies dem Volk der Völker
gottbegeistert wies – das denke! –,
hat die Schreckensnacht Assurs
erlebt, erlitten. – Du frag einmal:
Wie konnte solcher Rettungsspruch
und über welche Brücken, Dornen-
pfade, Labyrinthe, welche Sprachen,
Zeichen, Wundenmale zu uns,
zu dir, zu mir gelangen? Tropft solcher
Spruch nicht wie der Tropfen, den
Abraham wohl nicht verwehrt, dir in die
Herznacht, deiner Liebe Wunde?