Skip to content

Reineke begegnet dem Jesuskind

04.11.2013

Ein Füchslein war vernarrt in Pfarrers Federvieh,
das im dumpfen Pferche gluckend döste
und im Pfarrgemüsegarten wackelte und gackelte.

Nun, da ward es frommen Sinns,
zog den eitlen Bauscheschweif züchtig unter seine Beine
und winselte im Diskant vor der Sakristei.

Dreimal klopft es an, wie die Pilger tun,
und als der Pfarrer öffnete, kreuzte Reineke
bigott die Vorderpfötchen.

Confessio generalis entbot er überkreuzten Blicks,
erwies mit falschen Tränen tiefe Reu,
zu herbem Büßer-Dienst empfahl er sich als Hauskaplan.

Der Herr Pfarrer, hochgelehrt an des Thomas Summen,
durchschaute gleich die List des Roten,
und heimzuzahlen üble Taten, rohen Übergriff

auf manches liebe Hühnervolk, willigt er
gleisnerisch in das schlechte Ansinnen,
denn der Priester war ein ausgefuchster Jesuit.

Nun ward zuerst – des heiligen Dienstes Würde heischt es –
dem Wilden abgeschoren seine buschig-bunte Wildheit,
und am lieben End der tunichtgute Schweif kupiert.

So trat er in den frommen Dienst: nackt wie ein Asket,
das blanke Haupt bedeckt mit einer Bommelmütze,
doch um seine Blöße schlang sich eine Stola weiß.

Und der Erzschelm musst auf dünnen Knochen knien
vor dem Blumenaltar ganze Rosenkränze lang,
Weihrauch betäubte ihm die Gier in seinen Nüstern.

Dann musst er, tief verhasster Schinderdienst,
den Hühnerpferch mit Mopp und Besen kehren aus
von Unrat und verstunknem Hühnerkot.

Doch die Hühnchen hat der weise Seelenhirte
längst zum Urlaub auf den Hof des frommen Nachbarn
still verbracht – zum Verdruss des Leckermauls.

So düpiert, solcherart verhohnepipelt, sann auf Rache
Reineke: Nachts schlich er in die muffige Stube
der Haushälterin, die guten Gewissens voll

und einer warmen Suppe wohlig in die Kissen pfiff.
Doch der Papagei auf seiner Stange – den das Füchslein
arg umschlich – der schlief nicht. Hackt ihm auf das Schnäuzelein,

das er gierig schon entgegenstreckte – da jaultʼs Füchslein
ganz erbärmlich auf, reißt die Lügenstola sich vom Leib,
und es stürmt in Unheilsnacht der Meisterdieb.

Hier hockt einer jämmerlich unter kaltem Sternenflimmer.
Doch ein zartes Kind schmiegt sich ihm zur Seite,
ein rosa Schneelicht-Aureolchen umglänzt das reine Haupt.

„Sei getröstet, Reineklein, lass dich nicht verdrießen,
wes die Menschen dir zahlen heim und leider auch
meiner Kirche hochgelehrte Amtsverweser.

Der hohe Schöpfer hat dich so geschaffen, wie du bist,
deine Liebe zu den Hühnchen ist der alten Sünde Sold,
so treibe fort dein tragisches, dein komisches Schelmenstück.

Tu dich weiter weidlich gütlich an dem Hühnervieh,
nur lass fortan von meinen weißen Täubchen, hörst du? –
es sänftige ihr trunknes Gurren deiner Wildheit Drang.“

Und das Jesuskind küsst das Füchslein auf die heidenkahle Stirn –
es sprießt aufs Neu des Roten weiches Sonnen-Fell,
sein auferstandner Schweif umwedelt weich das Wunderkind.

Kommentar hinterlassen

Note: XHTML is allowed. Your email address will never be published.

Subscribe to this comment feed via RSS

Top