Rabindranath Tagore, Fireflies 181–220
181
Day offers to the silence of stars
his golden lute to be tuned
for the endless life.
182
The wise know how to teach,
the fool how to smite.
183
The centre is still and silent in the heart
of an eternal dance of circles.
184
The judge thinks that he is just when he compares
the oil of another’s lamp
with the light of his own.
185
The captive flower in the King’s wreath
smiles bitterly when the meadow-flower envies her.
186
Its store of snow is the hill’s own burden,
its outpouring of streams is borne by all the world.
187
Listen to the prayer of the forest
for its freedom in flowers.
188
Let your love see me
even through the barrier of nearness.
189
The spirit of work in creation is there
to carry and help the spirit of play.
190
To carry the burden of the instrument,
count the cost of its material,
and never to know that it is for music,
is the tragedy of deaf life.
191
Faith is the bird that feels the light
and sings when the dawn is still dark.
192
I bring to thee, night, my day’s empty cup,
to be cleansed with thy cool darkness
for a new morning’s festival.
193
The mountain fir, in its rustling,
modulates the memory of its fights with the storm
into a hymn of peace.
194
God honoured me with his fight
when I was rebellious,
He ignored me when I was languid.
195
The sectarian thinks
that he has the sea
ladled into his private pond.
196
In the shady depth of life
are the lonely nests of memories
that shrink from words.
197
Let my love find its strength
in the service of day,
its peace in the union of night.
198
Life sends up in blades of grass
its silent hymn of praise
to the unnamed Light.
199
The stars of night are to me
the memorials of my day’s faded flowers.
200
Open thy door to that which must go,
for the loss becomes unseemly when obstructed.
201
True end is not in the reaching of the limit,
but in a completion which is limitless.
202
The shore whispers to the sea:
‘Write to me what thy waves struggle to say.’
The sea writes in foam again and again
and wipes off the lines in a boisterous despair.
203
Let the touch of thy finger thrill my life’s strings
and make the music thine and mine.
204
The inner world rounded in my life like a fruit,
matured in joy and sorrow,
will drop into the darkness of the original soil
for some further course of creation.
205
Form is in Matter, rhythm in Force,
meaning in the Person.
206
There are seekers of wisdom and seekers of wealth,
I seek thy company so that I may sing.
207
As the tree its leaves, I shed my words on the earth,
let my thoughts unuttered flower in thy silence.
208
My faith in truth, my vision of the perfect,
help thee, Master, in thy creation.
209
All the delights that I have felt
in life’s fruits and flowers
let me offer to thee at the end of the feast,
in a perfect union of love.
210
Some have thought deeply and explored the
meaning of thy truth,
and they are great;
I have listened to catch the music of thy play,
and I am glad.
211
The tree is a winged spirit
released from the bondage of seed,
pursuing its adventure of life
across the unknown.
212
The lotus offers its beauty to the heaven,
the grass its service to the earth.
213
The sun’s kiss mellows into abandonment
the miserliness of the green fruit clinging to its stem.
214
The flame met the earthen lamp in me,
and what a great marvel of light!
215
Mistakes live in the neighbourhood of truth
and therefore delude us.
216
The cloud laughed at the rainbow
saying that it was an upstart
gaudy in its emptiness.
The rainbow calmly answered,
‘I am as inevitably real as the sun himself.’
217
Let me not grope in vain in the dark
but keep my mind still in the faith
that the day will break
and truth will appear
in its simplicity.
218
Through the silent night
I hear the returning vagrant hopes of the morning
knock at my heart.
219
My new love comes
bringing to me the eternal wealth of the old.
220
The earth gazes at the moon and wonders
that she should have all her music in her smile.
Glühwürmchen 180–220
181
Der Tag taucht seine goldene Laute
in das Schweigen der Sterne, auf daß sie gestimmt werde
auf das immerwährende Leben.
182
Die Weisen wissen zu lehren,
die Narren totzuschlagen.
183
Der Mittelpunkt verharrt schweigend im Herzen
eines ewigen Tanzes von Kreisen.
184
Der Richter glaubt, gerecht zu sein,
wenn er das Öl einer Lampe
mit dem Licht seiner eigenen vergleicht.
185
Die im Kranz des Königs gefangene Blume
lächelt bitter, wenn die Wiesenblume sie beneidet.
186
Die Halde von Schnee ist des Berges eigene Last,
seine herabspringenden Bäche sind die Kinder der ganzen Welt.
187
Lausche dem Beten des Waldes
um Freiheit in seinen Blumen.
188
Laß deine Liebe mich erblicken,
selbst durch das Gitter der Nähe.
189
Der Geist der schöpferischen Arbeit dient dazu,
den Geist des Spiels zu befördern.
190
Die Last des Instrumentes zu schleppen,
die Kosten seines Materials zu berechnen
und nicht darauf zu kommen, daß man Musik damit macht,
ist die Tragik des tauben Lebens.
191
Glaube ist der Vogel, der das Licht fühlt
und in der Frühe singt, wenn es noch dunkel ist.
192
Ich bringe, Nacht, dir meinen leeren Becher,
auf daß er gereinigt werde von deinem kühlen Dunkel
für eine neue Morgenfeier.
193
Die Bergkiefer verwandelt in ihrem Rauschen
die Erinnerung an ihre Kämpfe mit dem Sturm
in einen Hymnus auf den Frieden.
194
Gott ehrte mich mit seinem Kampf,
als ich widerspenstig war,
Er mißachtete mich in meiner Lauheit.
195
Der Sektierer wähnt,
er habe das Meer
in seinen Gartenteich geschöpft.
196
In der schattigen Tiefe des Lebens
schweben die einsamen Nester der Erinnerung,
die zurückschrecken vor dem Wort.
197
Laß meine Liebe ihre Stärke finden
im täglichen Dienst,
ihren Frieden in der Vereinigung der Nacht.
198
Das Leben reckt in Grashalmen
seinen stummen Lobgesang
ans namenlose Licht empor.
199
Die Sterne der Nacht sind mir
Denkmäler meiner verblaßten Blumen des Tags.
200
Öffne deine Tür jenem, der scheiden muß,
denn was verloren ging, soll man nicht halten.
201
Das wahre Ziel erreicht man nicht an der Grenze,
sondern in der Vollendung, die keine Grenze kennt.
202
Die Küste flüstert dem Meer zu:
„Schreibe mir, was deine Wogen zu sagen sich mühen.“
Das Meer schreibt wieder und wieder in Schaum
und wischt die Zeilen in wilder Verzweiflung aus.
203
Die Berührung deiner Finger lasse meines Lebens Saiten erzittern,
und das Lied sei deines und meines.
204
Die innere Welt, wie eine Frucht gerundet in meinem Leben,
in Freude gereift und Kummer,
will in das Dunkel der heimatlichen Erde fallen,
um einen neuen Kreislauf der Schöpfung zu beginnen.
205
Form ist in der Materie, Rhythmus in der Kraft,
Sinn in der Person.
206
Die einen sind auf der Suche nach Weisheit, die anderen nach Reichtum,
ich suche nach deiner Nähe, auf daß ich singen mag.
207
Wie der Baum seine Blätter, so schütte ich meine Worte auf die Erde,
laß meine unausgesprochenen Gedanken in deinem Schweigen blühen.
208
Mein Vertrauen in die Wahrheit, meine Vision der Vollkommenheit,
komm, Meister, in deiner Schöpfung dir zuhilfe.
209
All die Freuden, die ich erfuhr
in den Früchten und Blumen des Lebens,
laß sie mich dir reichen am Ausgang der Feier
zum Zeichen innigsten Liebesbunds.
210
Manche haben tief gedacht und nach dem Sinn
der Wahrheit geforscht
und sie sind groß;
ich habe dem Spiel deiner Weisen gelauscht
und ich bin froh.
211
Der Baum ist ein geflügelter Geist,
befreit von der Fessel des Samens
strebt er nach dem Abenteuer des Lebens
im Unbekannten.
212
Der Lotus bringt seine Schönheit dem Himmel dar,
das Gras seinen Dienst der Erde.
213
Der Kuß der Sonne erweicht den Geiz der grünen Frucht,
die sich an ihren Stamm klammert, zur Hingabe.
214
Die Flamme fand die irdene Lampe in mir,
und welch ein Wunder aus Licht!
215
Irrtümer sind die Nachbarn der Wahrheit
und deshalb führen sie uns hinters Licht.
216
Die Wolke lacht über den Regenbogen,
sie hält ihm vor, er sei ein Emporkömmling,
buntscheckig vor Leere.
Der Regenbogen antwortet gelassen:
„Ich bin so notwendig da wie die Sonne selbst.“
217
Lass mich nicht umsonst im Dunkeln tappen,
sondern halte in mir den Glauben wach,
daß der Tag anbrechen
und die Wahrheit in ihrer Einfachheit
erscheinen wird.
218
Ich höre in der stillen Nacht,
wie die herumirrenden Hoffnungen des Morgens heimkehren
und an mein Herz klopfen.
219
Meine neue Liebe kommt
und bringt mir den unvergänglichen Reichtum der alten.
220
Die Erde blickt zum Mond und ist überrascht,
daß er all seine Musik in seinem Lächeln birgt.
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