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Rabindranath Tagore, The Crescent Moon, Der Sichelmond XIX–XXI

17.10.2018

XIX Paper Boats

Day by Day I float my paper boats one by one down the running stream.
In big black letters I write my name on them and the name of the village where I live.
I hope that someone in some strange land will find them and know who I am.
I load my little boats with shiuli flowers from our garden, and hope that these blooms of the dawn will be carried safely to land in the night.
I launch my paper boats and look up into the sky and see the little clouds setting their white bulging sails.
I know not what playmate of mine in the sky sends them down the air to race with my boats!
When night comes I bury my face in my arms and dream that my paper boats float on and on under the midnight stars.
The fairies of sleep are sailing in them, and the lading is their baskets full of dreams.

 

XIX Papierbötchen

Täglich setze ich meine Papierbötchen auf die Wellen des Stroms.
Ich schreibe meinen Namen in fetten schwarzen Buchstaben darauf und den Namen des Dorfes, in dem ich wohne.
Ich hoffe, daß jemand in einem fremden Land sie findet und dann weiß, wer ich bin.
Ich befrachte meine Bötchen mit Shiuli-Blüten aus unserem Garten und hoffe, daß diese Blüten der Morgendämmerung bei Nacht sicher am Ufer landen.
Ich lasse meine Papierbötchen vom Stapel in den Himmel und sehe, wie die kleinen Wolken ihre weißen schwellenden Segel hissen.
Ich weiß nicht, welcher Spielkamerad im Himmel sie durch die Lüfte zu einer Regatta mit meinen Booten herabschickt.
Wenn die Nacht kommt, vergrabe ich mein Gesicht in den Armen und träume davon, wie meine Papierbötchen unter den Sternen der Mitternacht weiter und weiter dahintreiben.
Die Feen des Schlafs segeln auf ihnen, und ihre Fracht sind ihre Körbchen, gefüllt mit Träumen.

 

XX. The Sailor

The boat of the boatman Madhu is moored at the wharf of Rajgunj.
It is uselessly laden with jute, and has been lying there idle forever so long.
If he would only lend me his boat, I should man her with a hundred oars, and hoist sails, five or six or seven.
I should never steer her to stupid markets.
I should sail the seven seas and the thirteen rivers of fairyland.
But, mother, you won’t weep for me in a corner.
I am not going into the forest like Ramachandra to come back only after fourteen years.
I shall become the prince of the story, and fill my boat with whatever I like.
I shall take my friend Ashu with me. We shall sail merrily across the seven seas and the thirteen rivers of fairyland.
We shall set sail in the early morning light.
When at noontide you are bathing at the pond, we shall be in the land of a strange king.
We shall pass the ford of Tirpurni, and leave behind us the desert of Tepantar.
When we come back it will be getting dark, and I shall tell you of all that we have seen.
I shall cross the seven seas and the thirteen rivers of fairyland.

 

XX. Der Seefahrer

Das Boot des Schiffers Madhu hat am Kai von Rajganj angelegt.
Es hatte umsonst Jute geladen und lag dort ungenutzt so lange Zeit.
Würde er mir nur sein Boot ausleihen, würde ich es mit einhundert Ruderern bemannen und Segel hissen, fünf oder sechs oder sieben.
Ich würde niemals dumme Marktplätze ansteuern.
Ich würde über die sieben Meere fahren und die dreizehn Flüsse des Märchenlands.
Du aber, Mutter, wirst nicht in der Ecke sitzen und um mich weinen.
Ich mache mich nicht auf in den Wald wie Ramachandra, um erst nach vierzehn Jahren heimzukehren.
Ich werde der Prinz des Märchens sein und mein Boot mit allem füllen, was ich mag.
Ich werde meinen Freud Ashu mitnehmen. Wir werden fröhlich über die sieben Meere fahren und die dreizehn Flüsse des Märchenlands.
Wir werden die Segel hissen im ersten Morgenlicht.
Wenn du zur Mittagszeit im Teich ein Bad nimmst, werden wir im Land eines fremden Königs sein.
Wir werden die Furt von Tirpuni überqueren und die Tepantar-Wüster hinter uns lassen.
Wenn wir zurückkehren, wird es schon dunkel, und ich werde dir von allem erzählen, was wir gesehen haben.
Ich werde über die sieben Meere fahren und die dreizehn Flüsse des Märchenlands.

 

XXI The Further Bank

I long to go over there to the further bank of the river,
Where those boats are tied to the bamboo poles in a line;
Where men cross over in their boats in the morning with ploughs on their shoulders to till their far-away fields;
Where the cowherds make their lowing cattle swim across to the riverside pasture;
Whence they all come back home in the evening, leaving the jackals to howl in the island overgrown with weeds.
Mother, if you don’t mind, I should like to become the boatman of the ferry when I am grown up.
They say there are strange pools hidden behind that high bank,
Where flocks of wild ducks come when the rains are over, and thick reeds grow round the margins where waterbirds lay their eggs;
Where snipes with their dancing tails stamp their tiny footprints upon the clean soft mud;
Where in the evening the tall grasses crested with white flowers invite the moonbeam to float upon their waves.
Mother, if you don’t mind, I should like to become the boatman of the ferryboat when I am grown up.
I shall cross and cross back from bank to bank, and all the boys and girls of the village will wonder at me while they are bathing.
When the sun climbs the mid sky and morning wears on to noon,
I shall come running to you, saying, ‘Mother, I am hungry!’
When the day is done and the shadows cower under the trees, I shall come back in the dusk.
I shall never go away from you into the town to work like father.
Mother, if you don’t mind, I should like to become the boatman of the ferryboat when I am grown up.

 

XXI. Das andere Ufer

Mich verlangt es , an das andere Ufer des Flusses zu gelangen,
wo jene Boote in einer Reihe an Bambuspfählen vertäut sind;
wohin Männer am Morgen in ihren Booten mit Pflügen fahren, um ihre fernen Äcker zu bestellen;
wo die Kuhhirten ihre muhenden Rinder ans andere Ufer zur Weide schwimmen lassen;
woher sie alle am Abend heimkehren, hinter sich die Schakale, die auf der mit Seegras überwucherten Insel heulen.
Falls du nichts dagegen hast, Mutter, würde ich gerne der Schiffer der Fähre werden, wenn ich groß bin.
Man sagt, es gebe dort unbekannte Teiche hinter dem hohen Ufer,
wo sich nach dem Regen Schwärme von Wildenten sammeln und an deren Rändern dichtes Schilfrohr wächst, in dem Wasservögel ihre Eier legen;
wo Schnepfen bei ihrem Balztanz winzige Fußspuren im glatten, weichen Schlamm hinterlassen;
wo am Abend die hohen Gräser, von weißen Blüten gekrönt, den Mondschein einladen, über ihre Wogen zu gleiten.
Falls du nichts dagegen hast, Mutter, würde ich gerne der Schiffer der Fähre werden, wenn ich groß bin.
Ich werde hin und her von Ufer zu Ufer fahren und alle Jungen und Mädchen aus dem Dorf werden mich bewundern, wenn sie ihr Bad nehmen.
Wenn die Sonne zum Zenit emporsteigt und der Morgen im Mittag vergeht,
werde ich zu dir eilen und sagen: „Mutter, ich bin hungrig!“
Wenn der Tag vorüber ist und die Schatten unter den Bäumen kauern, komme ich in der Abenddämmerung zurück.
Ich werde niemals von dir weg in die Stadt gehen, um dort wie Vater zu arbeiten.
Falls du nichts dagegen hast, Mutter, würde ich gerne der Schiffer der Fähre werden, wenn ich groß bin.

 

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