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Purpureos spargam flores

23.06.2024

Philosophische Sentenzen und Aphorismen

Spricht man mit der traditionellen Theologie von der Allmacht und dem Allwissen Gottes als seinem Begriff notwendig zukommenden Attributen, ist man versucht, spöttisch zu fragen, ob ein solches der zeitlichen Kontingenz zudem enthobenes Wesen schon immer alle Arten von Zahlen und Zahlreihen überblickt haben mag; ob es zum Beispiel die unendliche Reihe der Primzahlen durchgegangen ist. – Dies aber kann unmöglich sein oder es ist notwendigerweise unmöglich, denn die Reihe der Primzahlen ist eben unendlich; daraus folgt, daß dieses Wesen weder allmächtig noch allwissend ist. – Dies ist ein Hinweis auf den tieferen Grund des Scheiterns einer Theologie, die ihre Begriffe einer metaphysischen Ontologie verdankt und mit ihnen den wahren Ort des Glaubens im Leben, Ritus, Kult, Liturgie und Gesang, verdunkelt.

Die mathematische Tatsache, daß die Reihe der Primzahlen nicht abzählbar ist oder eine jede Primzahl einen Nachfolger hat, kann allerdings nur als Einwand gegen die göttlichen Attribute der Allmacht und Allwissenheit oder die Existenz Gottes als ens realissimum ins Feld geführt werden, wenn man die überzeitlichen Konstruktionen einer metaphysischen Theologie für sinnvoll betrachtet. – Aber sie sind es nicht.

Der Gott der metaphysischen Theologie hat nur ein Scheinleben geführt; es war daher keine großartige Leistung, seinen Tod zu diagnostizieren.

Der Abgrund zwischen Natur und Geist, Physik und Psychologie, Erklärung und Intuition tut sich mit Descartes auf; doch der Aberwitz, der ihn füllen oder besser verdecken soll, beginnt mit Fichtes Ich als Anti-Substanz einer grundlosen Reflexion der Reflexion und gipfelt in Sartres Begriff der Existenz als unbedingt freiem Entwurf aus dem Nichts. – Die Vulgarisierung dieser geistigen Fehlentscheidungen finden wir heute in der politisch korrekten Ideologie von Gender und Transgender, die das biologische Schicksal von Körper, Geschlecht, Charakter und intellektueller und moralischer Veranlagung leugnet und das Individuum in einem Wolkenkuckucksheim leerer Phrasen und willkürlicher Konstruktionen ansiedelt.

Der menschliche Körper ist nicht nur ein Gegenstand bestimmter meßbarer Größen und Strukturen, sondern der lebendige Leib, der uns in Leibempfindungen gegenwärtig ist oder der uns ermöglicht, uns in Leibempfindungen gegenwärtig zu sein.

Pseudo-Philosophen wollen mit der Bemerkung verblüffen, es sei doch seltsam, daß die Materie abgesehen von den paar Atomen und subatomaren Teilchen eigentlich nichts als Leere sei und daß unsere Hände, wenn wir sie klatschend aufeinanderprallen lassen, sich dennoch nicht durchdringen. – Andere, noch dümmere, wollen mit der Bemerkung renommieren, die Rede von der Willensfreiheit lasse sich angesichts der physikalischen Tatsache der Unbestimmtheit subatomarer Ereignisse in den Neuronen unseres Nervensystems plausibilisieren oder gar rechtfertigen.

Die Begriffe, mit denen wir vom Maßstab sprechen, seinen Umfang, seinen Wert, seine Mächtigkeit beschreiben und festlegen, sind kategorial verschieden von den Begriffen, mit denen wir über das Gemessene sprechen. – Den zeitlichen Rhythmus von Versen messen wir an der durchschnittlichen Frequenz des menschlichen Herzens; so sagen wir, ein rein daktylischer Hexameter ist schnell, ein hauptsächlich aus Spondeen zusammengesetzter langsam, doch können wir von der durchschnittlichen Herzfrequenz nicht sagen, sie sei schnell oder langsam.

Wir können die Wahrheit einer Pressemitteilung nicht dadurch überprüfen, daß wir sie mit der Darstellung im Konkurrenzblatt vergleichen und von ihrer Ähnlichkeit auf ihre Faktizität schließen. Beide könnten falsch sein, die eine, weil sie bei der früher erscheinenden Konkurrenz abgeschrieben hat, oder beide, weil sie aus derselben fehlerhaften Quelle zitieren.

Notwendig nennen wir die Ersetzung eines Begriffs durch ein Synonym, wenn wir die Identität des Sinns beider Aussagen erhalten wollen; aber auch die logische Folge eines Gedankens aus einem anderen, wenn wir die logische Konsistenz zweier Aussagen darstellen wollen. – „Notwendig“ ist ein Prädikat zweiter Stufe; daher ist es unsinnig, von notwendigen Tatsachen oder notwendigen Ereignissen zu sprechen. – Dies gilt nicht für die Verwendung des Prädikatsbegriffs „zufällig“; daher ist es unsinnig, von einem ontologischen Gegensatz zwischen Notwendigkeit und Zufall zu sprechen.

„Gott würfelt nicht“ ist kein sinnvoller Satz, wenn er als Einwand gegen die Feststellung der nichtdeterministischen Unbestimmtheit subatomarer Ereignisse gemeint ist. Denn diese ist ja offensichtlich mit den kausal erklärbaren Ordnungsformen von Atomen, Molekülen, Genen, Kristallen und Organismen vereinbar.

Der Talg des Geschwätzes hat ihnen die Ohren des Herzens versiegelt; das sehr ferne, sehr leise Singen himmlischer Chöre, wie sollten sie es noch vernehmen.

Suum cuique – eine gültige Formel antiken Rechtsdenkens, die Platon verwendet und Cicero vertieft, wurde von den braunen Nihilisten und Sprachverhunzern, die keinem das Eigne ließen, sondern allen das Ihrige oktroyierten, mißbraucht. Ist sie deshalb wie eine verdorbene Frucht ein für alle Mal auszuspeien?

Der Führer war Anhänger des kopernikanischen Weltbildes; sollen wir deshalb zum ptolemäischen zurückkehren? – Hitler war auch ein großer Verehrer des Islam und seiner männlich-heroischen Tugenden fanatisch-kriegerischer Welteroberung; er äußerte in seinen Tischgesprächen den Wunsch, die christlichen Truppen hätten bei der Reconquista Spaniens versagt, auf daß ganz Europa moslemisch geworden wäre und sich das romantisch-effeminierende Virus des Christentums nicht ausgebreitet hätte; an der Balkanfront ließ er viele muslimische Kämpfer in die Reihen der Wehrmacht aufnehmen. Dem Groß-Mufti von Jerusalem, der seinen Judenhaß auch noch nach dem Krieg in Palästina zur Geltung brachte, huldigte er als seinem persönlichen Gast in der Hauptstadt seines auf die Bosheit von Schurken und die Blindheit von Narren gestützten Reiches. – Sind die Gründe der braunen Islamophilie nicht hinreichende Anhaltspunkte für ein gerüttelt Maß an Skepsis gegenüber dieser Gesetzesreligion, die uns heute im Zuge eines neuen Fundamentalismus trotz früher kultureller Blüten archaisch anmutet?

„Toleranz“ ist nur mehr ein Tarn- und Codewort für Feigheit, Angst und Unterwerfung.

„Selbstbestimmung“ ist eine Forderung haltloser Halbwesen.

Mozart und Goethe kann man nicht in der Retorte züchten – nur Scheinidole unterweltlichen Charismas in den Laboren der Kulturindustrie.

Mangel an natürlicher Intelligenz brüstet sich mit den stupid-stupenden Leistungen der künstlichen.

Mißgestalten und Halbwesen, die weder physisch noch geistig zu zeugen vermögen, grimassieren auf den Bühnen, bejubelt als Idole des kulturellen Fortschritts.

Augustus mußte die Gefahr der Unterwerfung unter die kulturelle Hegemonie Asiens in blutigen Schlachten überwinden, auf daß die zarte Seele eines Vergil sein römisches Welt-Epos stiften konnte.

Im „Schloß“ zeigt Kafka das Charisma der Macht im fauligen Zustand des Verfalls, wie das Schimmern von Grünspan oder den Hautgout verdorbenen Wildbrets. – Das faulige Charisma ist das obszöne, unlautere, unheimliche Residuum des echten; es geht als erotischer Nimbus auf die Frauen über, die sein Träger, der ominöse Herr Klamm, hat „zu sich rufen lassen“.

„Humanität!“, brüllt der Vagabund, setzt dem Bürger die Pistole auf die Brust und fordert ihn auf, die Taschen zu leeren.

Die kümmerlichen spirituellen Relikte einer zweitausendjährigen müde gewordenen Religion, deren Todesurteil schon lange von den Kathedern verkündet worden ist, werden nun zum Ladenschluß zu Billigpreisen verramscht.

Was soll der orthodoxe Rabbi, der fromme Chassid von seinem abgefallenen Glaubensgenossen sagen, der die Arie des Wotan goutiert?

Augustus ließ sich gemeinsam mit seiner Gattin Octavia die Nekyia der Aeneis, das 6. Buch, von ihrem Verfasser vorlesen; das Paar soll am Ende der Beschwörung jener heroischen Seelen, denen Rom seinen Ruhm verdanken sollte und deren letzte Marcellus, der frühverstorbene Sohn, der erhoffte Erbe und Nachfolger des Augustus war, in Tränen ausgebrochen sein:

Tu Marcellus eris, manibus date lilia plenis,
purpureos spargam flores …

Du, Marcellus dereinst, so spendet Lilien in Fülle,
purpurne Blüten werde ich streun …

Von welchem unter den plebejischen Volkstribunen demokratischer Provenienz ist vorstellbar, daß er bei der Rezitation von Versen ähnlichen Ranges nicht dümmlich zu grinsen begänne?

Nach ungeheuren Niederlagen, Zerstörungen und Demütigungen scheint der Name der Heimat auf immer mit einem Tabu belegt; ein Numinosum gleichsam pervertierter Art.

Die Freiheit des Denkens und die Unbefangenheit des Sprechens ziehen sich in die innere Emigration einer nachtwandlerischen, der Aktualität des Tages abholden Besinnung zurück.

Kant, der zwar seinen hellen Kopf in die Aura eines obskuren Idioms hüllte, schwamm doch im Hauptstrom der Zeit, jener Aufklärung, deren dunkle Triebkräfte einzig sein Zeitgenosse Hamann mittels Sprachkritik bloßlegte. Heute versickert dieser Strom im Brackwasser einer von Diskurspolizisten überwachten akademischen Sumpflandschaft. Wittgenstein, der die eigentlich radikale Umwälzung des Denkens darstellt, hat er doch den Acker der Vernunft mit der Egge der sprachlichen Besinnung geklärt, ahnte, daß seine Funde vom Zeitgeist an das von hohem Schilf verdeckte Ufer einer ohnmächtigen Nachfolge gespült würden.

In der Gewißheit, daß rhythmisch gebundene Dichtung und ihre reiche, aber nicht unbegrenzte Formenwelt ihr Zeitmaß am menschlichen Herzschlag nimmt, dürften wir von anderen uns wenig ähnelnden Kreaturen, so sie denn dichterischen Ausdrucks fähig wären, nichts Entsprechendes erwarten; jedenfalls wären wir mehr als überrascht, Epen vom Kolibri oder Epigramme vom Wal zu vernehmen.

Je windungsreicher, wuchtiger, fordernder die metrische und rhythmische Bindung, umso kühner und phantastischer die Exuberanzen der dichterischen Einbildungskraft; der homerische Hexameter glänzt vom Schaum des epischen Vergleichs, die Katarakte der pindarischen Ode schimmern vom Feuer des Himmels.

Der müde Epigone läßt die Zügel schleifen und der herrenlose Pegasus stürzt ins dornige Metapherngestrüpp, in den Sumpf glucksender Zoten.

Die gezügelte Sprache und Form gehört der frühen Kultur an, der Wildwuchs und die Formlosigkeit der dekadenten Spätzeit.

Wer spiegelt wen; die Götter die Menschen oder umgekehrt? – Jedenfalls können wir beispielsweise anhand der mythischen Göttinnen eine Typologie weiblicher Persönlichkeiten und psychologischer Strukturen entwickeln, wie im Bild der Hera die typische Matrone und Ehefrau, der Artemis die sittsame Virgo, der Aphrodite die anmutige Belle de jour, der Demeter die den Verlust der Tochter beklagende und durch ihre Wiederkehr beglückte Mutter.

Der Glaube, nicht die Vernunft, ist der Gestalter und Walter, im Persönlichen und im Geschichtlichen; Glaube an die Berufung, den Auftrag, die Auszeichnung; Glaube an die Größe des Stammes, des Volkes, des Imperiums. Fehlt er oder wird er brüchig, sinken die Schöpfungen, die Triumphbögen, die Reiche.

Der Glaube an die Menschheit ist ein vulgäres Surrogat für den Mangel an persönlicher Größe.

Der Glaube an die Größe des Imperium Romanum hob Vergil und Horaz über die Ebene farbiger Schatten hellenistischer Dekadenz ins reine Licht der astralen Zone des Ruhms.

Der Athena-Tempel der Akropolis zeugt vom Glauben der Hellenen an ihre geschichtliche Größe. Die aberwitzigen Entwürfe eines Albert Speer von der geistigen Nullität des Dritten Reiches.

Fremdstämmige Vergewaltiger werden in psychologische Obhut und aufwendige Pflege gegeben, Kindsmörderinnen als Idole weiblicher Selbstbestimmung umjubelt.

Der Dichter, der sich pfleglich um den Erhalt der nationalen Sprachsubstanz bemüht, wird als der Aufklärung bedürftiger Dunkelmann und reaktionärer Sprachmystiker verdächtigt.

Die neue Therapie besteht in der Leugnung der Krankheit.

Doch es hilft den Siechen nichts, wenn man sie mit einem gönnerhaften Lächeln aus dem Siechenhaus entläßt.

Mit dem ethnischen Kern stirbt auch seine kulturelle Hülle.

Die Verdrängung der tibetanischen Nationalkultur durch die chinesischen Invasoren wird immerhin bedauert; doch der Niedergang der eigenen Kultur in Folge der Invasion von Angehörigen einer fremden wird nicht nur hingenommen, sondern als Sühneakt für die Vergehen der Vorfahren hochgeschätzt, gefeiert, befördert.

 

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