Preislieder auf das gewöhnliche Leben VIII
Gepriesen sei der Bleistift,
der anders als die tauben Tasten am PC
mitfühlt, mitdenkt, mitzittert
und wie ein Blitzableiter
die durchs Geflecht der Schreibhand jagen,
des Schreibers hellste Nervenblitze
in den Schnee jungfräulichen Papiers einfurcht.
Gepriesen sei der Bleistift
und die Dauer des Gefühls,
die Ruhe der Empfindung,
womit er den nervösen Geist beglückt –
wenn uns dereinst wie Hirnen in der Schale
jedwedes Organ des Menschenausdrucks
amputiert ward,
und in Geisterschrift das grad von dir Gedachte
gnadenlos auf dem Screen in Kolonnen aufmarschiert,
oder wir, mit Neuro-Chips verbunden,
uns die Gedanken rauben ungeniert –
dann denk zurück an meines Bleistifts
mühsam gekrakelten Weg zur Wahrheit.
Gepriesen sei der Malstift,
Härtegrade bis B 9,
mit dem ein Maler weichen Sinns wie Ingres
das Purpur-Inkarnat weiblichen Fleisches
in vollen Strichen aus Graphit,
an zart beflaumten Stellen
mit der Estompe nebelhaft verwischt,
erahnen und eratmen lässt.
Gepriesen sei der Bleistift,
auf dem du, aus dem Fenster stierend
oder ins Gedröhn der Boeing dich verlierend,
geistlosen Ausdrucks
herrlich kauen kannst,
wenn dir mal wieder,
obwohl das blöde Ding entgegenragt,
sich das rechte Wort versagt.