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Augenblicke I

15.07.2016

Der Alte verschnauft für einen Augenblick von der Plackerei,
den einen Gummistiefel – die muffigen, groben Wollsocken
sind feucht geworden von Schweiß und Regen,
die Füße schmatzen am rutschigen Boden –
mit einem Ruck aus dem Stiefelknecht zu zwängen,
er stiert vor sich hin, zurückgelehnt auf dem abgewetzten Sessel
mit den hölzernen Beinen, die auf dem fadenscheinigen Teppich,
einem billigen Orientimitat, stehen, wegen der schrillen
Töne beim Drehen und Schieben, blickt auf seine rissigen
und vom Ausbuddeln der Kartoffeln schmutzigen Hände
oder vom Dengeln der Sense und dem Flicken des Zauns,
oder er schaut tiefer auf die blauweißen Kacheln der Küche,
von denen manche wie die Borke Augen haben und dunkle Rillen,
Zacken erstarrter Blitze gleich, in denen sich der Dreck sammelt,
den auch das schartige Messer kaum mehr herauslöst,
Ruß, Asche, Mäusekot, Haare, Späne, Mehl, Brotkrümel
und auch der Milchzahn des Enkels oder die silberne Nadel,
die aus der Locke fiel, als es schon spät war und dunkel.

Nein, er sagt nichts, wenn er den Kopf aus der Versunkenheit
hebt, hier sind ein Seufzer oder ein dunkles Stöhnen alles,
was das Schweigen des Abends höhlt, wie das Küchenmesser,
das klirrend auf dem Grund des Marmeladenglases schabt,
oder der Alte setzt für eine Weile die Schiebermütze ab,
und laut gähnend fährt er mit der Hand über den kahlen Schädel,
oder das Schlürfen im Takt des Löffels, der in die Suppe taucht,
Schlürfen, das alle zum Einklang wie ein Wiegenlied bringt –
es sei denn, plötzlich fällt ein glühendes Scheit im gußeisernen Ofen
mit einem Zischen in sich zusammen, und dabei flammt über Wand
und Decke durch einen breiten Riß ein roter Schein, der das Funzellicht
unter dem Lampenschirm in der Sofaecke und das bange Flackern
des Stundenbrenners vor der gipsern-bunten Figur Mariens,
die ihr blutenden Herz in die unendliche Leere der Küche reckt,
für das Aussetzen eines Herzschlags überblendet – es sei denn
das Ratschen und Schwatzen der Tropfen an den Fensterläden
läßt allmählich nach, ein kühler Wind rüttelt durch die Gardine,
der Fliegenfänger über dem Tisch dreht sich um sich selbst,
dann ist alles verstummt, sogar das Rucken der schlafenden Hühner
im Stall klingt gedämpft oder wenn eines noch von der Stange flattert
und findet sein goldenen Korn zur Nacht, und einer sagt,
als wäre er gerade erwacht: „Ich glaube, es hört auf zu regnen.“

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