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Philosophieren III

11.07.2013

„O!“ und „Ach!“ sind die Interjektionen und Partikeln, die Grenzwerte des Gefühls markieren („himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“) – gleichsam der Nukleus und die Quintessenz von Poesie und Musik. „Und“ und „oder“ sind die sprachlichen Konjunktionen, die die Grundfunktionen des logischen Schließen bezeichnen (angliedern und partiell oder total ausschließen, aufnehmen und partiell oder total ausstoßen).

Je älter die Sprache oder Sprachstufe, scheint es, umso nuancierter und differenzierter der Reichtum der Partikeln, mit denen die Stellung von Satzgliedern und Sätzen zueinander und die Einstellung und emotionale Reaktion des Sprechers auf die geäußerte Mitteilung angezeigt wird. Je nach Kategorie sind diese Ausdrücke logische Marker oder Kennzeichen seelischer Befindlichkeiten und Gefühle.

„Ich ging spazieren, aber (indes, jedoch) da fing es an zu regnen.“ Der Sachgehalt, den der Satz mitteilt, lässt sich in zwei Informationen aufteilen: 1. Einer, der so und so heißt (geboren dann und dann, da und dort), geht zu einem Zeitpunkt, der der Gegenwart um so und so viele Jahre/Tage/Stunden/Minuten vorausliegt, spazieren. 2. Zu einem Zeitpunkt der Vergangenheit, der in die Dauer des Spaziergangs des Genannten eingeschlossen ist, regnet es. Die Bedeutung der einschränkenden, konzessiven Partikel „aber (indes, jedoch“) ist keine logische, sondern eine emotionale und fügt der eben dargelegten Information des Satzes folgende gefühlsmäßige Nuancierung durch emotionale Reaktion und Stellungnahme des sprechend-erlebenden Akteurs hinzu: „Es war schön spazieren zu gehen. Wie schade, dass es ausgerechnet da zu regnen anfing.“

„Das Gehirn ist ein Teil des menschlichen Körpers, aber kein Teil der menschlichen Person.“ In diesem Falle hat der Gebrauch der Partikel „aber“ die Funktion, die Aufmerksamkeit auf den logischen Sinn des Satzes zu lenken, der auf den Wechsel der kategorialen Ebenen von Teil und Ganzem beziehungsweise von Körper und Person verweist. Alle Funktionen, die schludriger oder bornierter Sprachgebrauch dem Gehirn zuweisen zu können wähnt wie denken, sprechen, fühlen und entscheiden, können ausschließlich der menschlichen Person zugesprochen werden. Ich denke, spreche, fühle und entscheide, und dies kann ich nur, wenn das Gehirn ein intakter Teil meines Körpers ist.

„Es regnet und die Straße ist nass.“ „Es regnet oder die Sonne scheint.“ „Es regnet oder es regnet nicht.“ Im Falle dieser Verwendung der Konjunktionen „und“ und „oder“ handelt es sich um ihren logischen Sinn, durch den sie die in den Teilsätzen geäußerten Informationen verknüpfen. Satzverknüpfungen dieser Art vermitteln uns Regeln, wie wir unsere Aussagesysteme konsistent aufbauen sollen. Sie sagen nichts über die Realität der Inhalte und geben uns keine ontologischen Hinweise. Wenn du einen Satz durch „und“ mit einem anderen Satz verknüpfst, ist die Verbindung stichhaltig, wenn immer die beiden Teilsätze zutreffen oder nicht zutreffen. „Es regnet und die Straße ist nass“ trifft genauso zu wie der zusammengesetzte Satz „Es regnet nicht und die Straße ist nicht nass.“ Wenn du zwei Teilsätze mit dem nichtausschließenden „oder“ verknüpfst, sind die ganzen Sätze richtig, es sei denn, beide treffen nicht zu. „Es regnet nicht oder die Straße ist nicht nass“ ist falsch. Akzeptierst du einen Satz und verwirfst du ihn im gleichen Moment, verstößt du gegen die Regel, Widersprüche und Inkonsistenzen zu vermeiden. Denn würdest du gedankenlos Widersprüche und Inkonsistenzen zulassen, würden unsere Aussagenetze ziemlich bald sehr rissig und mit der Zeit unbrauchbar. Kein Fisch eines wahren Inhalts bliebe mehr darin hängen.

„Die Straße ist nass, weil es regnet.“ „Die Sonne scheint nicht, denn es regnet.“ „Es regnet, also scheint die Sonne nicht.“ „Er war durstig, deshalb ging er zum Kühlschrank und nahm sich ein Bier.“ Bei dem Gebrauch der Konjunktionen „weil“, „denn“, „also“ und „deshalb“ liegen verschiedene Kategorien von Gebrauchsweisen vor. Die Konjunktion „weil“ leitet einen Nebensatz ein, der die objektive Ursache der Tatsache oder des Vorgangs darstellt, die im Hauptsatz bezeichnet wird. Die Konjunktionen „denn“ und „also“ leiten Schlussfolgerungen aus Prämissen ein, von denen im Hauptsatz meist nur eine genannt wird: „Es regnet, also scheint die Sonne nicht“ lautet in der vervollständigten Version des logischen Schlusses: „Immer wenn es regnet, scheint die Sonne nicht.“ „Es regnet.“ – „Also scheint die Sonne nicht.“

Im Unterschied zum kausalen Grund gibt der intentionale Grund kein objektives Moment oder Ereignis der Außenwelt an, aufgrund dessen ein anderes Moment oder Ereignis der Außenwelt eintritt oder zu existieren beginnt, sondern ein Motiv, aufgrund dessen der Akteur tut, was er tut: „Er war durstig, deshalb ging er zum Kühlschrank und nahm sich ein Bier.“ Das Ereignis bleibt nicht aus und tritt stets ein, wann immer seine objektive Ursache vorliegt, während das Motiv, eine bestimmte Handlung zu vollziehen, gleichsam auf der Strecke bleiben und seine Kraft unterwegs verlieren kann, so dass die erwartete oder beabsichtigte Handlung ausbleibt. Er war zwar im Begriff, sich wegen seines Dursts eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank zu holen, zog es dann aber vor, sich ein Glas Wasser aus dem Hahn zu genehmigen, weil er befürchtete, noch ein Bier könne den Kater am nächsten Morgen unerträglich machen. Der intentionale Grund der Befürchtung überwog gleichsam die Kraft des intentionalen Grunds, der zum Biergenuss motivierte.

Intentionale Gründe und Motive, zu handeln, bestimmen einen Großteil unseres Lebens. Was immer wir vorhaben, beabsichtigen und planen, aber auch vermeiden, unterlassen und übergehen wollen, hat seine intentionalen Gründe und Motive. Wir müssen die aus ihnen erwachsenen Taten und Handlungen in die objektive Welt der Dinge und Ereignisse so einpassen, dass wir unsere Ziele erreichen. Diese Anpassungsleistung vollbringen wir durch den Erwerb, die Speicherung und Erweiterung sowie die angemessene Anwendung unserer Fähigkeiten und Erkenntnisse.

Du möchtest heute Abend mit deinem Freund ins Konzert gehen. Der Ort und das Gebäude, wo das Konzert stattfindet, sind objektive Tatsachen der menschlichen Umwelt. Du musst einen Stadtplan lesen können, wenn dir der Ort unbekannt ist. Dazu gehört auch ein intuitives Verständnis der topographischen Projektionsmethode, mittels derer Straßen als weiße, dünne Linien, Gebäude als Rechtecke und Parks als grüne Flächen dargestellt werden. Dieses Wissen hast du schon erworben und erfolgreich erprobt. Die Projektionsmethode wurde über Jahrhunderte von Geometern und Geographen entwickelt. Wenn du zur rechten Zeit zum Konzertsaal kommen möchtest, musst du die Uhrzeit auf deiner Armbanduhr oder deinem Handy ablesen. Auch dieses Wissen hast du schon als Jugendlicher erworben, das Wissen, mittels dessen das Wunder von Präzisionswerk entstand, das du am Arm trägt oder das in deinem Smartphone durch eine sehr lange Liste von Algorithmen repräsentiert wird, wurde über Jahrhundert von Physikern, Mathematikern, Ingenieuren und Technikern angesammelt und angewendet.

Jetzt muss du dich zu einer U-Bahn- oder Bus-Station begeben und dort eine Fahrkarte lösen. Du musst an der richtigen Haltestelle aussteigen und den vereinbarten Treffpunkt aufsuchen, um deinen Freund abzuholen. Auf der gleichsam unteren Ebene des intentionalen Handlungsgeschehens musst du Personen und Hindernissen mittels Körperbewegungen geschickt ausweichen. Ja, du musst als Kind gehen gelernt haben, um eben jetzt deinen Weg machen zu können. Gehen, ausweichen, Auto und Fahrrad fahren sind erlernte Fähigkeiten, zu denen es mehr oder weniger tief angelegte Dispositionen in den sensorisch-neuronalen Netzwerken des Körpers geben mag.

„Wenn ich jetzt losgehe, komme ich noch rechtzeitig an.“ „Wenn ich diese Bahn verpassen würde, käme ich nicht mehr rechtzeitig an.“ Du musst die logischen Verknüpfungen von Teilaussagen zu informativen Sätzen beherrschen und in der Lage sein, irreale Ereignisse und Zustände durch korrekte Anwendung des konditionalen Konjunktivs in Bedingungssätzen zu imaginieren. So kannst du dir vorstellen, welche Ereignisse du vermeiden solltest, wenn du bestimmte Ziele erreichen willst, beziehungsweise welche Ereignisse einträten, falls du versäumen solltest, bestimmte Handlungen zu vollziehen, wie jetzt aber schnell loszugehen und zur Haltestelle zu eilen, um noch rechtzeitig deinen Freund für euren gemeinsamen Konzertabend abholen zu können.

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