Peter Geach, Reason and Argument V (mit deutscher Übersetzung)
5. Starting Points: Observation, Memory, Testimony
Much of our rational belief about the world is an inference from premises; but if we are to believe anything at all, there must be uninferred beliefs to start with. This doesn’t mean that the uninferred beliefs are certain or exempt from revision. Nor need the starting points be the same for all: A and B may share a belief, but A may have to come to it by inference whereas for B it is immediate and uninferred.
It is fairly clear that observation and memory contrast with inference. The expression of judgement that a man comes up with when he observes something only counts as an observation statement if he doesn’t need to make an inference but comes up with it straightaway. (This will be different for trained and untrained observers; cf. W.V. Quine and J.S. Ullian, The Web of Belief, New York 1978, p.33). And if I believe something about my past life because somebody else has told me or because I work it out that that’s what must have happened, then I’m not remembering the past event in my life.
Of course a man’s own memory and observation would not take him very far; he begins as a child by trusting other people’s testimony without any checking or any inference, and it would be impossible for a sophisticated adult to do much checking. There are indeed ways of finding out that an authority previously trusted is unreliable; but even here each man has to rely very largely on checks performed by other people, of which he himself knows by testimony.
Obviously not all testimony is reliable; a prudent man will have learned to apply certain principles about what makes someone a poor observer or an inaccurate or untruthful reporter. These principles would be said to be ‘learned from experience’. But once again it is not the prudent man’s personal experience alone that teaches him these principles; he relies on the general experience of mankind about the reliability of testimony — but what the general experience of mankind amounts to is again something that he can learn only by relying on testimony.
We can rely on observation, memory, and testimony only in a general way; to attempt to accept each detail as true would land us in positive inconsistency. Must we then say: ‘A man has to judge for himself’? In one way this is a triviality; in another way of taking it, plainly silly. If it means that whatever a man judges to be so, he is judging to be so, then this is a tautology from which nothing interesting follows; if on the other hand it means that a man is logically debarred from accepting anybody’s authority about anything, then it is a plainly silly principle. A man who decides to rely on an authority is indeed making a judgement about that authority; but in so doing he is not assuming the position of a judge, not setting himself up as a higher authority. In recommending someone as a good lawyer or doctor, I am not claiming to be myself an even better lawyer or doctor.
5. Ausgangspunkte: Beobachtung, Erinnerung, Zeugenschaft
Viele unserer vernünftigen Annahmen über die Welt sind Schlussfolgerungen aus Prämissen. Doch sollen wir nur überhaupt etwas glauben, müssen wir einmal mit nicht durch Schlussfolgern erworbenen Annahmen begonnen haben. Das heißt nicht, dass solche nicht erschlossenen Annahmen gewiss und von jeder Korrektur ausgenommen wären. Noch brauchen die Ausgangspunkte für alle dieselben zu sein: A und B können einen Glauben über die Welt teilen, aber A könnte zu seiner Annahme mittels Schlussfolgerung, B durch unmittelbare und nicht gefolgerte Erfahrung gekommen sein.
Es dürfte allenthalben einleuchten, dass Beobachtung und Erinnerung der Schlussfolgerung gegenüberstehen. Der Ausdruck des Urteils, welches jemand als Kommentar seiner Beobachtung zum Besten gibt, zählt nur dann als Beobachtungssatz, wenn er auf direktem Wege und ohne Zuhilfenahme von Schlussfolgerungen zustande kommt (hier gibt es Unterschiede zwischen geübten und unerfahrenen Beobachtern, vgl. Willard V. Quine und Joseph S. Ullian, The Web of Belief, New York 1978, S. 33). Und wenn ich etwas über mein vergangenes Leben glaube, das mir ein anderer erzählt hat oder weil ich es selbst herausgefunden habe, dass ein solches Ereignis stattgefunden haben muss, bin ich beide Male nicht im Begriff, mich an ein vergangenes Ereignis meines Lebens zu erinnern.
Natürlich tragen einen die eigenen Erinnerungen und Beobachtungen nicht allzu weit. Es beginnt mit dem Kind, das sich auf das Zeugnis anderer verlässt, ohne es zu überprüfen oder in ein Argument einzubauen, und endet bei dem gebildeten Erwachsenen, dessen Möglichkeiten der Nachprüfung ziemlich begrenzt sind. Sicherlich gibt es Methoden herauszufinden, dass eine Autorität, deren Zeugnis man bisher vertraut hat, unzuverlässig ist. Aber in jedem Falle sind wir alle auf Überprüfungen angewiesen, die von anderen Menschen durchgeführt worden sind, Überprüfungen, von denen wir immer nur wieder Augen- und Ohrenzeugen sind.
Offenkundig ist nicht alle Zeugenschaft seriös; ein kluger Mensch hat gelernt, gewisse Grundsätze anzuwenden, um herauszufinden, was jemanden zu einem schwachen oder ungenauen und unwahrhaftigen Berichterstatter macht. Wir gehen davon aus, dass diese Grundsätze mittels Erfahrung erworben worden sind. Doch auch hier gilt: Es ist nicht die persönliche Erfahrung des klugen Menschen, die ihn diese Grundsätze gelehrt hat. Er verlässt sich vielmehr auf die allgemeine Erfahrung der Menschheit mit der Zuverlässigkeit von Zeugenschaft – aber worauf es bei der allgemeinen Erfahrung der Menschheit ankommt, dies lernt er wiederum nicht anders als so, dass er sich auf Zeugen und ihre Zeugnisse verlässt.
Wir können uns jeweils auf Beobachtungen, Erinnerungen oder Zeugenschaften nur in allgemeiner Form berufen. Der Versuch, jedes kleinste Detail als wahr zu akzeptieren, würde uns zwangsläufig in Inkonsistenzen stürzen. Müssen wir also verkünden: „Jeder Mensch steht mit seinem Urteil allein“? Auf der einen Seite ist dies eine Trivialität; man kann den Satz aber auch so münzen, dass er zu einer großen Dummheit ausartet. Wenn der Satz auf der einen Seite bedeuten soll, ein jeder sei seines Urteiles Schmied, dann ist er nichts als eine Tautologie, aus der nichts Interessantes folgt. Wenn er auf der anderen Seite bedeuten soll, dass logische Gründe jemanden davon abhalten, irgendjemandes Autorität über irgendeine Sache ernst zu nehmen, wird eine große Dummheit aus dem Satz. Ein Mensch, der entschieden ist, sich auf eine Autorität zu verlassen, fällt in der Tat ein Urteil über diese Autorität. Doch indem er dies tut, nimmt er für sich nicht die Stellung eines Richters in Anspruch und überhebt sich nicht über den anderen als eine höhere Autorität. Wenn ich jemanden als einen guten Rechtsanwalt oder Arzt empfehle, beanspruche ich nicht, meinerseits ein noch besserer Anwalt oder Arzt zu sein.