Virenwahn
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Auch die Stirn des hohen Gedankens setzt Patina an.
Unter dem Staub der Gewohnheit ergraut das Feingefühl.
Pestzeit ist allezeit.
Mißtraue deinem Nächsten, in aller Unschuld verbreitet er nicht nur Krankheitskeime, die Läuse seiner Seele hüpfen auch gern und setzen sich schmarotzend in der deinen fest.
Lehre der Geschichte: Ab und an bedarf der soziale Organismus einer Blutwäsche, des Austauschs der Eliten.
Das intime Wir von Liebe und Freundschaft ist eine Oase in der Wüste des kollektiven Wir.
Aber die Sandstürme kommen, das Rieseln der kühlenden Quelle versiegt.
Wer ungebeten deine Schwelle übertritt, kommt nicht mit freundlichen Absichten.
Stabat Drusus manu silentium poscens. – Ein Satz des Tacitus. Stand da Drusus, der Sohn des gerade inthronisierten römischen Herrschers Tiberius, ins Heerlager nach Pannonien entsandt, um die Flammen des aufzüngelnden Aufstands der Legionen auszutreten, und mit einem Wink gebot er Schweigen. Welche stilistische Wucht, welche Kunst, die entscheidende Szene in ein dramatisches Zwielicht zu tauchen – in fünf Worten eines schlichten, schmucklosen, aber monumentalen Satzes.
Das Theater der Geschichte ist der Maskentausch unter den herrschenden Mächten.
Was hält die Maske der Autorität, auf der alles soziale Leben beruht? – Propaganda, humanitäres Geschwätz, Bestechung, Zensur, Lobhudelei, geistige und wirkliche Prostitution der Hofschranzen. – Was reißt sie herunter? – Frechheit, Schamlosigkeit, das Heilsversprechen der homines novi. Oder sie sinkt langsam herab, die dramatis personae zeigen Symptome von Müdigkeit, Altersstarrsinn, Resignation.
Das kulturelle Erbe der Deutschen wird bald so tief unter den Wogen der Vergangenheit liegen wie die Wilhelm Gustloff in der Ostsee.
Die Endzeit der Kirche: Der große Papst exkommuniziert den kriminell gewordenen Priester, sein gottverlassener Nachfolger rehabilitiert ihn.
Unter dem Dorngestrüpp der Kriegs- und Pestzeit des Barocks blühte die Rose der lyrischen Dichtung.
Der dämonische Drang nach Entheiligung ist unheilbar.
Welche seelische Höhe, an Haupt und Gliedern des Verehrten den Nimbus, die Aureole oder die Mandorla zu gewahren.
Heute wird ein tödliches Virus Corona genannt.
Was sie Dichten nennen, ist zumeist Unzucht zwischen Worten.
Die am wildesten grimassieren, am schamlostesten mit den Tattoos ihrer Wortmasken protzen, die leblose Gliederpuppe der Sprache am brutalsten verrenken, erhalten den Preis.
Mit dem Dung des Eigensinns beschmierte Bilder, torkelnde, unförmige, von Blasen und Phrasen geschwollene Versfüße, ein in dürren Halmen blutleerer Silben rasselnder Atem.
Was trippelt da in den staubigen Gängen des öden Hauses, was knittert und knabbert an den harten Samen, den trostlosen Resten der Erinnerung? Die graue Maus der Dichtung.
Das Geschenk der schönen unfruchtbaren Beischläferin an den großen Mann ist die syphilitische Verdunkelung seines Genies.
Leben, als hätte man von allem Abschied genommen, denken, als wäre man tot, sterben, als wäre man nie geboren.
Du gehst den altvertrauten Pfad am Fluß entlang, kommst zu den Uferauen, und da noch der Mond über den Dächern der fernen Altstadt steht, ist alles still, und die weichen Schatten machen auch deine Schritte weich. Doch wie du das weiße Schiff erblickst und Leute an der Reling, als würden sie winken, und das dumpfe Rollen der Maschine hörst und das helle Gischten des Kielwassers, willst du einer von jenen glücklichen Reisenden sein, an denen das Leben in flüchtigen Bildern spurlos vorüberzieht.
Der elende deutsche Musikus, der im Tod in Venedig durch die grassierende Seuche die letzte Inspiration erfährt, die er, statt sie musikalisch in die unerhörten Schreie von Möwen zu verwandeln, die gerade aus dem giftigen Schaum der Untergangsfluten aufzufliegen scheinen, in einem dämlichen letalen Liebeslallen vergeudet.
Corona als Strahlenkranz über einer an sich selbst irre gewordenen Menschheit.
Ein Virus, ach, das den Irrsinn der weltumspannenden Kommunikation, Kulturverwischung und Sprachvermischung in einer gnädigen Apokalypse austilgte!
Der psychotische Verfolgungs- und Vergiftungswahn deutet in überwirklich leuchtenden Menetekeln an der Höhlenwand auf die Wahrheit über die menschliche Situation.
Gefahr ist die Regel, Sicherheit die Ausnahme.
Die Nacht verwischt die Grenzen, im milden Licht nur sind wir uns selbst gegeben.
Die um das Feuer stehen und sich die Hände haltend singen, doch rings ist das Dunkel, das auch ihre Flammen, ihre Leidenschaften und Träume auslöschen wird.
Die Verheißung – ferner jetzt als der Andromedanebel.
Eine Quarantäne für die Träger der geistigen Pest der Lebensverdunklung und Schönheitsverleumdung!
Den Mond weiß schimmern sehen und wissen, daß er befleckt ist von menschlichem Aussatz.
Ein strotzender Leib, doch die Seele war nicht mitgewachsen.
Lieben zu wollen ist gut; auch wenn es einem nur recht und schlecht gelingen sollte.
Man kann nur eines lieben, mehr wäre Betrug und Selbstbetrug.
Die vorgeben, die ganze Menschheit zu lieben, scheuen vor dem Blutbad zu ihrer finalen Errettung nicht zurück.
Sie geben vor, die Sprache zu lieben, schicken sie aber wie Zuhälter auf den Strich und nötigen sie, mit Krethi und Plethi ins Bett zu gehen.
Die Zuhälter der Sprache erwarten, daß sie etwas abwirft, Geld, Preise, Ruhm, Applaus.
Eines Tages sehen sie, wie häßlich sie geworden ist in ihrem unwürdigen Dienst, und lassen sie fallen.
Der vom Virenwahn beherrschte Psychotiker sieht mehr und mehr in jedem Winkel seiner Umgebung, in jeder Hand, die sich ihm entgegenstreckt, Brutstätten heimtückischer Keime und Herde einer tödlichen Ansteckung; die kleinen, freigebliebenen Inseln des Vertrauens werden zunehmend überschattet und von den Wogen der Seuche überschwemmt, bis er, ganz auf sich zurückgeworfen, jeden Kontakt vermeidet, ja sogar die Nahrungsaufnahme verweigert, sodaß er wie der große Logiker Kurt Gödel Hungers sterben muß.
Der Virenwahn ist ein verzerrtes Spiegelbild unseres lebenslangen Kampfes mit den Dämonen der mephistophelischen Verneinung um die Erhaltung seelischer und geistiger Gesundheit, der verlorengeht, sobald wir den Glauben und die Hoffnung aufgeben, in einer intimen Nähe von Liebe und Freundschaft Verbündete in diesem Kampf zu finden.
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