Was ich Pierrot gesagt
Ich tauschte gern sie gegen Blüten ein,
die grauen Worte und die alten Reime,
aus schmalen Furchen brächen frische Keime,
Maiglöckchen, Veilchen, Mohn und blauer Lein.
Doch tauscht ich nie dein banges Radebrechen
mit Wogen, die den Schaum Homers versprechen.
Ich würde gern das Talmigold versetzen,
der Träume dünngewalztes Schummerblatt,
im Pfandhaus, das die echten Perlen hat,
die unterm Monde sich mit Glanz benetzen.
Nie wöge mir der Strahl Auroras gleich
mit deiner Augen Nacht, der Wange bleich.
Ich liehe gern mir von Pierrot den Hut,
den runden, wie ihn hat gemalt Watteau,
und fächelte damit, er gähnt schon so,
dem müden Vers, ihm fehlt’s an Übermut.
Und gäb er dir dann sein Gewand aus Schnee,
sag ich: „Es schmilzt auf ihrer Haut, versteh!“
Robert Frost, The Road Not Taken
Two roads diverged in a yellow wood,
And sorry I could not travel both
And be one traveler, long I stood
And looked down one as far as I could
To where it bent in the undergrowth;
Then took the other, as just as fair,
And having perhaps the better claim,
Because it was grassy and wanted wear;
Though as for that, the passing there
Had worn them really about the same.
And both that morning equally lay
In leaves no step had trodden black.
Oh, I kept the first for another day!
Yet knowing how way leads to way,
I doubted if I should ever come back.
I shall be telling this with a sigh
Somewhere ages and ages hence:
Two roads diverged in a wood, and I –
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.
Der nicht eingeschlagene Weg
Zwei Wege zweigten ab im gelben Wald,
ich konnte leider nicht gehen beide zugleich,
ein Wanderer allein machte lange ich halt,
sah fern die Schneise des einen und bald,
wie er abbog ins schilfige Unterreich.
Da nahm ich den andern, auch er lud ein,
und ich tat womöglich die bessere Wahl,
denn sein Gras, es wollte zertreten sein,
doch war es wohl den beiden gemein,
Gras, von Schritten gebeugtes und fahl.
Auf beiden lag in der Frühe das Laub zuhauf,
von Tritten schwärzlich noch nicht zerdrückt,
Ich hob mir den ersten für ein andermal auf!
Doch wußt ich um der Wege Wechsellauf,
und zweifelte, ob Wiederkehr mir noch glückt.
Ich werde daher nach Tag und Jahr
nur seufzend erzählen, was ich tat, was mied:
Zwei Wege zweigten ab im Wald, es ist wahr,
ich nahm jenen, der weniger begangen war,
das machte den ganzen Unterschied.
Bitte an den Dichter
Aus der Ferne dringen manchmal noch die Töne
durch Schatten deiner Angst, Gespinst der Qual,
die zauberischen jugendlicher Schöne,
als kämen sie aus einem abgelegenen Tal,
wo du mit lieben Freunden einst gegangen,
die längst verschollen, längst verstorben sind,
wo sie der Unschuld süße Weisen sangen,
du aber gingst, von Dankestränen blind.
Kannst, Dichter, du sie einmal noch erwecken,
die schönen Klänge, die wie Tauglanz flossen,
die Töne, die wie Blüten taumelnd sanken?
Kannst du die Mauer nicht mit Efeu decken,
vor der sie liegen, Tag- und Traumgenossen,
nicht Rosen singen, die empor sich ranken?
Robert Frost, Bereft
Where had I heard this wind before
Change like this to a deeper roar?
What would it take my standing there for,
Holding open a restive door,
Looking down hill to a frothy shore?
Summer was past and the day was past.
Sombre clouds in the west were massed.
Out on the porch’s sagging floor,
Leaves got up in a coil and hissed,
Blindly struck at my knee and missed.
Something sinister in the tone
Told me my secret must be known:
Word I was in the house alone,
Somehow must have gotten abroad,
Word I was in my life alone,
Word I had no one left but God.
Beraubt
Wo hab ich es zuvor schon einmal gehört,
wenn der Wind zum Sturm wird und röhrt?
Was hat mich dort zu stehen gelehrt,
mich gegen die Tür zu stemmen, die sich gewehrt,
vom Berg die Küste zu schauen, schaumversehrt?
Vorbei war der Sommer, vergangen der Tag.
Düster die Wolkenbank, die im Westen lag.
Draußen auf der Veranda, die eine Senke durchquert,
rauschten Blätter die zur Spirale sich wanden,
blind ans Knie mir fuhren, doch es nicht fanden.
In den Klang ging etwas Unheimliches ein,
das sagte, mein Geheimnis müsse kennbar sein:
Wort, ich war in dem Hause allein,
irgendwie hat es müssen in die Ferne ziehen,
Wort, ich war in meinem Leben allein,
Wort, mir blieb nur, einsam vor Gott zu knien.
Auf den Tod eines Dichters
Komm, gehen wir noch eine kleine Weile,
die Halme zittern schon im kühlen Wind.
Wie Wolken wandern durch die Bläue blind,
so schreiben wir ins Gras die schmale Zeile.
Wir müssen, Freund, nicht reden viel von Dingen,
die uns entglitten sind wie trüben Lichts
der Tau am Blatt, Gewölk im blauen Nichts,
wir müssen reden nicht, wenn Schatten singen.
Die Rosen haben sich noch nicht geschlossen,
sie wachen lange an der grauen Mauer
und scheinen leuchtender im Abendrot.
Hier ist die Quelle, wo er sich erschossen,
der uns erfühlen ließ die sanften Schauer.
O Stern und Blume, dunkle Sehnsucht, Tod.
Robert Frost, The Pasture
I’m going out to clean the pasture spring;
I’ll only stop to rake the leaves away
(And wait to watch the water clear, I may):
I sha’n’t be gone long.—You come too.
I’m going out to fetch the little calf
That’s standing by the mother. It’s so young,
It totters when she licks it with her tongue.
I sha’n’t be gone long.—You come too.
Die Weide
Ich gehe raus und reinige den Quell der Weide.
Erst wenn ich fertig bin, pack ich die Blätter ein
(und schau vielleicht, ist wohl das Wasser rein):
ich bleib nicht lang – du komme auch.
Ich gehe raus und hol das kleine Kalb.
Bei seiner Mutter steht es stets, das junge,
es taumelt, leckt sie es mit ihrer Zunge.
Ich bleib nicht lang –du komme auch.
Das Ei
Denker, denk das Ei,
grübel’s nicht entzwei.
Es enthält die Welt,
Liebe hat’s bestellt.
Doch muß man es hüten,
mit Geduld bebrüten,
daß ein neues Sein
ins alte spring herein.
Wie im winzig Kleinen
sich zwei Welten einen,
die Kunde hoher Stunden
im feinsten Strang gewunden,
der sinnreich sich zerteilt,
zur Neugestaltung eilt,
die doch der Ahnen Züge
an Aug und Seele trüge,
bewundernd magst du’s schauen,
dem Schöpfergeist vertrauen,
selbst wenn aus zarten Scherben
als Unhold schlüpft Verderben.
Denn hat’s der Kuckuck auch
unter fremden Bauch
trügerisch gelegt,
wird es doch gehegt.
Wenn das Junge gar
die Geschwisterschar
aus dem Neste patzt,
wird es doch geatzt.
List und schierer Trug,
Gottes ist der Fug.
Dichter, sing das Ei,
reim es nicht zu Brei.
Es ist schön oval,
blendend wie der Strahl,
der sie uns erhellt,
dämmert hin die Welt.
Was daraus entspringt,
gackert oder singt,
federbunt geschmückt,
hat dich hoch entzückt.
Manchmal sind die Eier
wie zur Osterfeier
auch gesprenkelt zart,
je nach Vogelart,
Punkte gelb und blau,
perlglänzend wie der Tau,
Dichter, dir zum Zeichen:
Natur kann es erreichen,
was dein Vers ersehnt,
Rhythmen, süß gedehnt.
Doch dann gibt es wieder
ganz mißglückte Lieder,
als wär dir geschlüpft
ein Küken, arg zerrüpft.
Eier gibt’s in Massen
dumpfer Teufelsrassen.
Und wenn daraus kriecht,
woran das Leben siecht,
rasch bringt’s aus dem Tritt
Wurm und Parasit,
was das Hirn befällt,
daß der Feingeist bellt,
mußt es nehmen hin,
Gottes ist der Sinn.
Zwei sind für das Ei
gar nicht einerlei.
Wisset wohl, ihr beiden,
sie zu unterscheiden:
die aus eignem Blut
nährte dieses Gut
und nach vielen Tagen
hat es ausgetragen,
Muttertier heißt sie,
ob nun Mensch, ob Vieh.
Der mit flottem Samen
sagt der Frucht sein Amen,
baute mit das Nest,
doch verschlief den Rest,
dann weckt ihn die Pflicht,
Werktags grelles Licht,
sorgen für die Brut
gibt ihm frischen Mut,
Vater heißt der Mann,
der sich Sinn gewann,
wenn das Junge summt,
was er vorgebrummt.
Die im Zwielicht schwanken,
sind die seelisch Kranken,
die nicht zeugen können,
Mutterschaft mißgönnen,
Mannesehre ächten,
im Dienst von finstren Mächten,
lassen Hohes schleifen,
Niedres um sich greifen,
sind die Nihilisten,
die mit Trug und Listen
Geist der Sprache blenden,
ins Öde sie zu wenden.
Dunkel sind Dämonen,
die kein Herz verschonen,
Tiere, die monströse
geifern für das Böse.
Frage nicht, wieso.
Gottes ist der Zoo.
Robert Frost, My November Guest
My Sorrow, when she’s here with me,
Thinks these dark days of autumn rain
Are beautiful as days can be;
She loves the bare, the withered tree;
She walks the sodden pasture lane.
Her pleasure will not let me stay.
She talks and I am fain to list:
She’s glad the birds are gone away,
She’s glad her simple worsted grey
Is silver now with clinging mist.
The desolate, deserted trees,
The faded earth, the heavy sky,
The beauties she so truly sees,
She thinks I have no eye for these,
And vexes me for reason why.
Not yesterday I learned to know
The love of bare November days
Before the coming of the snow,
But it were vain to tell her so,
And they are better for her praise.
Mein Gast im November
Meine Trauer, wenn ich sie bei mir seh,
denkt, solch dunkle Tage mit herbstlichem Regen
sind von einer Schönheit wie eh und je,
Sie liebt die kahlen Bäume der Allee,
wandert gern auf feuchten Wiesenwegen.
Ihr Vergnügen treibt mich fortzueilen.
Sie redet und hat meines Ohres Gunst:
Es freut sie, daß die Vögel fern schon weilen,
es freut sie, daß ihr Haar voll grauer Zeilen
silbern nun durchwirkt ein lichter Dunst.
Die Bäume, ins Schattenreich entrückt,
die Erde Asche, der Himmel Indigo,
die Schönheit, die sie darin erblickt,
zu sehen sei ich zu ungeschickt,
und quält mich mit Fragen, wieso.
Nicht erst gestern lernt ich sie lieben,
die Novembertage, die kahlen,
bevor die Flocken wild hinstieben,
ihr dies zu gestehn, wär übertrieben,
ihr Lob ist besser: Blicke, die strahlen.
Erloschenes Antlitz
Am dürren Holz mag es noch grünen,
das zarte Reis, wie wenn es spricht
von einem uns verborgnen Licht,
wofür wir taub, Gesang der Bienen.
Vergilbtes Bild mag wieder leuchten,
das sich in Düsternis verlor,
erloschnes Antlitz tritt hervor,
wenn es der Liebe Tränen feuchten.
Das Wort mag sich im Schlaf entzünden,
erwacht an einem fremden Strahl,
die Ader der gestauten Qual
aufbrechend noch ins Offne münden.
Es schweigt der Quell, der zugeschüttet,
der asphaltierte Streifen Grün
wird niemals wieder auferblühn,
betrogne Liebe bleibt zerrüttet.
Robert Frost, Devotion
The heart can think of no devotion
Greater than being shore to ocean -
Holding the curve of one position,
Counting an endless repetition.
Hingebung
Das Herz kann tiefer nicht verehren,
als Bucht zu sein an blauen Meeren –
kniend vor dem Schaum der Molen,
was ewig rauscht, zu wiederholen.
Das Mädchen und die Norn
Dein Lächeln hat mich eingeladen,
dein süßbetauter Veilchenblick,
der bleichen Schwermut Stirn zu baden,
damit kein Grauen bleibt zurück.
Da hat gerissen mich am Schopfe
die Norn, daß keine Süße tropfe.
Ein Helmbusch hat dein Haar geflattert,
als könnte ich den Kampf bestehn.
Es schienen, die das Herz umgattert,
in Glut die Schatten zu zergehn.
Sie hob mich hoch mit ihren Krallen
und ließ mich in das Dunkel fallen.
Des Sturzbachs Schäumen war dein Drängen,
als sähen wir schon fern das Meer.
Wie Traubengold in Laubengängen
glomm dein Gesang von Wiederkehr.
Da wand die Norn die blaue Flechte
mir um den Hals wie einem Knechte.
Robert Frost, A Late Walk
When I go up through the mowing field,
The headless aftermath,
Smooth-laid like thatch with the heavy dew,
Half closes the garden path.
And when I come to the garden ground,
The whir of sober birds
Up from the tangle of withered weeds
Is sadder than any words.
A tree beside the wall stands bare,
But a leaf that lingered brown,
Disturbed, I doubt not, by my thought,
Comes softly rattling down.
I end not far from my going forth
By picking the faded blue
Of the last remaining aster flower
To carry again to you.
Später Gang
Gehe ich durch das gemähte Feld,
verhüllt das Stroh, ganz falb,
weich gebettet wie Reet voller Tau,
den Pfad zum Garten mir halb.
Und gehe ich in den Garten hinein,
schwirren graue Vögel fort
vom vertrockneten Unkrautgewirr,
Klang, trauriger als jedes Wort.
Ein Baum steht an der Mauer, kahl,
ein braunes Blatt hält sich noch knapp,
verstört, ich zweifle nicht, von meinem Geist,
fällt sanft raschelnd es herab.
Nicht weit vom Haustor endet mein Gang,
ich pflücke vom Blau, das verblich,
was von den letzten Astern blieb,
und trag’s wieder heim für dich.
Gang durchs Dunkel
Noch glomm Sonne im Harz auf der Schwelle,
wo wir ins Zwielicht des Waldes gingen.
Unsere Schritte dämpften Nadelkissen,
Waldnacht erstickte alles Singen.
Wir hatten kein Wort, jedes wäre zu schwer
für solch einen Hauch, so kühl und so leer.
Du gingst voran, ein Schatten dem Schatten,
auf dem Pfad, der sich ins Dunkel gewunden.
So auch gingen, die sich verloren hatten,
so, die sich im Licht nie wiedergefunden.
Wir hatten kein Wort, jedes wäre zu leicht
für das Dunkel, das einer Grabesnacht gleicht.
Doch da wir tiefer in den Dämmer drangen,
hieltest du plötzlich im Gehen inne.
Wir hörten, wie ferne Wasser sangen,
silbern, als ob ein Leuchten verrinne.
„Trank“, so sagtest du, „von diesem Quell
machte die Nacht uns rasch wieder hell.“
Robert Frost, A Question
A voice said, Look me in the stars
And tell me truly, men of earth,
If all the soul-and-body scars
Were not too much to pay for birth.
Eine Frage
Eine Stimme sprach: Schauet mir in die Sterne
und sagt mir ehrlich, ihr Menschen auf Erden,
tragt an Seele und Leib all die Narben ihr gerne,
sind sie kein zu hoher Preis für das Geborenwerden.
Die Jesidin
Ich bin, sprach die Jesidin, eine Leiche.
Mohammeds Mob hat sie versklavt. Der Pfau,
den sie verehrt, der Engel wurde grau,
auf daß sein Flügel einem Fetzen gleiche.
Die Sippe, totgehetzt, geköpft, vertrieben.
Ihr Schoß geschändet. Daß sie weitergeht,
ein schwaches Licht aus Aschenwolken weht,
ist ihr der Sohn, des Himmels Kuß, geblieben.
Die Perle Welt, ist sie zu Staub zerfallen?
Wäscht man die Tücher noch im Lalisch-Tal,
die bunten? Windet sich die schwarze Schlange
am hohen Tor des Heiligtums, erschallen
die Hymnen noch, Stern in der Nacht der Qual?
Uns würgt das Wort des Unheils kalte Zange.
Schwarze Pädagogik
Ὁ μὴ δαρεὶς ἄνθρωπος οὐ παιδεύεται. Menander
Die mit den Striemen nackt am Pranger stehen,
die mit vernarbten Fingern, lüstern langen,
sie lernen, lehren zügeln das Verlangen,
an fremdem Gut und Blut sich zu vergehen.
Nur schwarze Pädagogik macht sie rauchen,
die sonst dumm grinsen, infantile Köpfe,
gestriegelt flicht der Geist sich edle Zöpfe,
nur der gezähmte unterläßt das Fauchen.
Die ungerupfte Lichtung wird verschwinden,
und zäunt man sie nicht ein, kommt bald das Wild,
die frischen Sprossen und die Saat zu fressen.
„Laßt uns die rauhen Sitten überwinden,
der Wolf selbst wird im Garten Eden mild“,
so faseln, die vom Dämon schon besessen.
Das Gesetz des Anaximander
Die Lichtung, hart der Wildnis abgerungen,
hat Saatengold und Purpurfrucht erbracht.
Die Ahnen haben in der Sternennacht
der schöpferischen Liebe Psalm gesungen.
Dann tritt sie nieder Sturmschritt von Barbaren,
die Knospe – die schon blich, dahingerafft.
Dem Enkel ist der Mannesmut erschlafft,
er jauchzt der Hure gleich den wilden Scharen.
Erwähltes Volk muß, welke Blüte, fallen,
der Tag hat es geweckt zu hohen Sängen,
doch stumm rollt hin ein blutigroter Mond.
Vom reinen Vers bleibt nur ein fades Lallen,
vom Gartenreich ein Labyrinth von Gängen,
in dessen Mitte feist ein Dämon thront.
Dana Gioia, Alley Cat Serenade
Come into the garden, Fred,
For the neighborhood tabby is gone.
Come into the garden, Fred.
I have nothing but my flea collar on,
And the scent of catnip has gone to my head.
I’ll wait by the screen door till dawn.
The fireflies court in the sweetgum tree.
The nightjar calls from the pine,
And she seems to say in her rhapsody,
“Oh, mustard-brown Fred, be mine!”
The full moon lights my whiskers afire,
And the fur goes erect on my spine.
I hear the frogs in the muddy lake
Croaking from shore to shore.
They’ve one swift season to soothe their ache.
In autumn they sing no more.
So ignore me now, and you’ll hear my meow
As I scratch all night at the door.
Straßenkatzenserenade
Komm in den Garten, Fred,
der getigerte ist weg, der Kater von nebenan.
Komm in den Garten, Fred.
Ich hab nur mein Fliegenhalsband an,
der Duft von Katzenminze macht mich ganz devot.
Ich warte auf dich an der Türe bis zum Morgenrot.
Die Glühwürmchen buhlen im Ambrabaum.
Die Nachtschwalbe ruft von der Föhre,
ihr Lied klingt wie ein Seufzen im Traum:
„Liebe, o senfgelber Fred, mir schwöre!“
Der volle Mond setzt mir das Schnurrhaar in Brand,
es sträubt sich mein Fell, als ob ich vor Hitze fröre.
Ich höre die Frösche im schlammigen Teich,
von Ufer zu Ufer dehnt sich ihr Schrei.
Nur ein Sommer macht ihre Kümmernis weich.
Im Herbst ist ihr Singen vorbei.
Wird dir noch immer nicht flau, so hör mein Miau,
wenn an der Tür ich kratze, die ganze Nacht im Mai.
Das unverweste Wort
Als wär im weichen Abendlicht noch Leben
für matte Veilchen, die schon Schatten sind.
Als könnte uns ein Stern den Blick noch heben,
der längst am Star der Trübsal wurde blind.
Als könnten wir das Angesicht noch deuten,
ist auch das Bildnis schon vom Staub zersetzt.
Den Keim, den wir in dunkle Furchen streuten,
er ging nicht auf – daß Tränen ihn genetzt!
Hast, Dichter, du ein Wort, noch unverwest
vom Speichel und dem Lügenhauch der Lippe,
unangefault aufschimmernd wie das eine,
woran verlassene Liebe rasch genest,
o sag es. Prangen mag’s auf jenem Steine,
der einsam ragt, zerfiel auch dein Gerippe.
I will arise and go now, and go to Innisfree,
And a small cabin build there, of clay and wattles made;
Nine bean rows will I have there, a hive for the honey bee,
And live alone in the bee-loud glade.
And I shall have some peace there, for peace comes dropping slow,
Dropping from the veils of the morning to where the cricket sings;
There midnight’s all a glimmer, and noon a purple glow,
And evening full of the linnet’s wings.
I will arise and go now, for always night and day
I hear lake water lapping with low sounds by the shore;
While I stand on the roadway, or on the pavements grey,
I hear it in the deep heart’s core.
Innisfree, die Insel im See
Ich breche auf, ich geh nach Innisfree, der grünen.
Dort bau ich eine Hütte mir aus Lehm und Rohr.
Neun Reihen Bohnen pflanz ich, halt mir Bienen.
Ich leb für mich, rings nur der Bienen Chor.
Dort will ich Frieden finden, Frieden kommt in leiser Flut,
tropft aus des Morgens Vlies, wenn Grillen singen.
Die Mitternacht ist voller Schimmer, Mittag Purpurglut,
im Abend schwirren Finkenschwingen.
Ich breche auf und geh, hör schon bei Nacht und Tag
der Wellen sanftes Lied das Schilf betören.
Steh ich am Straßenrand, auf grauem Teerbelag,
im Herz des Herzens kann ichʼs hören.
Siehe auch die erhellende Analyse durch Dana Gioia:
https://www.youtube.com/watch?v=MkvhZ6veqNA
Die Hühner im Garten Eden
Loben das Huhn wir nicht nur für das Ei,
geht ja das Ei so leicht, ach, entzwei.
Für seine Küken sei es gepriesen,
gönnen wir ihnen noch sonnige Wiesen.
Daß wir nicht schimpflich schreddern die zarten,
fiepten sie ja schon zu Eden im Garten.
Waren sie nicht Veganer, die beiden,
Adam und Eva? Wer mag es entscheiden,
ob sie nur Früchte aßen vom Baum,
ob sie den Hühnchen rupften den Flaum?
Hierüber schweigen die Bibelgelehrten,
die jedes Verslein mit Glossen beschwerten.
Doch sind wir selbst Hermeneuten genug,
kundig zu deuten: Die Zeit vor dem Pflug,
all jenen Plagen und Ängsten und Sorgen,
kannte den strahlenden Weckruf am Morgen,
denn der Gespornte verabsäumte nie,
siegreich zu krähen sein Kikeriki.
Daß sie zu Ostern die Eier bemalten
und sie verbargen in Erdmutters Falten,
wo ihre Kindlein aufjauchzend sie fanden,
sei dummes Zeug, denn noch nicht erstanden
war ja der Herr, herrscht an uns ein Meister-
denker und Zensor poetischer Geister.
Wir aber wissen, ein Ostern war schon,
als Adam pflückte für Eva den Mohn,
um ihn zu streun auf die lieblichen Glieder –
tat sie die Augen auf, krähte es wieder.
Fragst du uns aber, was ist mit den Hasen,
da in der Bibel wir nichts davon lasen.
Nun, davon sagen uns weise Poeten:
Sanft hat die Henne die Hasen gebeten,
aus dem Gelege des Frühjahrs zu klauben
Eier genug, und in heimischen Lauben
zu kolorieren mit Punkten und Ringen,
dann sie in Körben zu Adam zu bringen,
daß er und Evchen sie schlau unter Hecken
zur Überraschung der Kleinen verstecken.
Fremd sind die Sonnen
Das Haupt im Schilf und über ihm ein Glimmen,
das sich die tiefe Urnacht angezündet,
und keine Sage, die von Tränen kündet,
worin die Sternenbilder dir verschwimmen.
Die Augen schließ und lausche blind den Wellen,
als würde sich die Welt nie mehr erhellen.
Liegst du im Moos, seufzt unter dir die Tiefe,
wie wenn Kristalle in der Erde tauen,
doch keines ist, das dich beim Namen riefe,
ein Wirrsal rinnt aus unnennbarem Grauen.
Ein Fremder wandle hin im Namenlosen,
fremd sind die Sonnen, fremder sind die Rosen.
Dana Gioia, The Apple Orchard
You won’t remember it–the apple orchard
We wandered through one April afternoon,
Climbing the hill behind the empty farm.
A city boy, I’d never seen a grove
Burst in full flower or breathed the bittersweet
Perfume of blossoms mingled with the dust.
A quarter mile of trees in fragrant rows
Arching above us. We walked the aisle,
Alone in spring’s ephemeral cathedral.
We had the luck, if you can call it that,
Of having been in love but never lovers
The bright flame burning, fed by pure desire.
Nothing consumed, such secrets brought to light!
There was a moment when I stood behind you,
Reached out to spin you toward me . . . but I stopped.
What more could I have wanted from that day?
Everything, of course. Perhaps that was the point–
To learn that what we will not grasp is lost.
Der Obstgarten
Du wirst dich kaum erinnern – unter Apfelbäumen,
sind wir, es war April, nachmittags gegangen,
hinter der verlassenen Farm erklommen wir den Hügel.
Ein Stadtkind, hatte ich nie einen Hain gesehen,
entflammt in voller Blüte, nie den bittersüßen
Blumenduft geatmet, vermischt mit Staub.
Weithin haben sich Bäume in duftenden Reihen
über uns gewölbt. Wir wandelten den Weg,
einsam in der flüchtigen Kathedrale des Frühlings.
Wir hatten das Glück, wenn du es so nennen magst,
verliebt zu sein, doch keine Liebenden,
Die Flamme glomm, von bloßem Verlangen genährt.
Unverzehrt trat alles Geheimnis ans Licht.
Für einen Augenblick stand ich hinter dir,
statt dich herumzudrehen, sank mir die Hand.
Was von diesem Tag war mehr zu hoffen –
alles, gewiß. Vielleicht ist dies der Punkt:
Was wir nicht ergreifen, ist verloren.
Rezitation durch den Autor:
https://www.youtube.com/watch?v=eE_-eszZ4E4
Reiche ihn weiter, den Krug
Schüre nur emsig die Glut,
Funken, sie stieben, sie fallen.
Lausch in das Dunkel hinab,
frühe Gesänge verhallen.
Trinke das Lächeln, den Glanz,
eh sie verdunkeln die Falten.
Küß von den Lippen den Hauch,
Lippen, sie werden erkalten.
Schöpf aus der Erde das Wort,
bald schon versiegt diese Quelle.
Reiche ihn weiter, den Krug,
daß uns das Wort noch erhelle.
Wallace Stevens, The Roaring Wind
What syllable are you seeking,
Vocalissimus,
In the distances of sleep?
Speak it.
Der heulende Wind
Nach welcher Silbe suchst du,
Vokalisen-Heuler,
in den Schluchten des Schlafs?
Sag sie.
Es weht ein Duft
Daß einmal uns noch tropfe aus dem Laube
der Dämmerung ein goldnes Abendlicht,
zerfallen mag die Seele dann zu Staube,
sie hat gekostet noch vom Weltgedicht.
Daß einmal uns noch weiche Wasser leuchten,
als hätten Engel uns das Schilf gemäht,
als wär zu lieben es noch nicht zu spät,
wenn süße Verse uns die Augen feuchten.
Und müssen wir auch krank im Dunkel liegen,
es weht ein Duft und eine Rose ragt,
wir fühlen noch, wie es im Osten tagt,
wir hören noch, wie Lerchen aufwärtsfliegen.
Robert Frost, Fire and Ice
Some say the world will end in fire,
Some say in ice.
From what I’ve tasted of desire
I hold with those who favor fire.
But if it had to perish twice,
I think I know enough of hate
To say that for destruction ice
Is also great
And would suffice.
Feuer und Eis
Der meint, die Welt vergeht im Feuer,
und der, im Eis.
Ein unersättlich Ungeheuer,
mein Geist, er schreit nach Feuer.
Doch soll sie zweifach gehn zugrund,
gibt mir der Haß, der alte, recht,
erfrieren in eisblauem Schlund
ist auch nicht schlecht,
ja wär profund.
Purpureos spargam flores
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Spricht man mit der traditionellen Theologie von der Allmacht und dem Allwissen Gottes als seinem Begriff notwendig zukommenden Attributen, ist man versucht, spöttisch zu fragen, ob ein solches der zeitlichen Kontingenz zudem enthobenes Wesen schon immer alle Arten von Zahlen und Zahlreihen überblickt haben mag; ob es zum Beispiel die unendliche Reihe der Primzahlen durchgegangen ist. – Dies aber kann unmöglich sein oder es ist notwendigerweise unmöglich, denn die Reihe der Primzahlen ist eben unendlich; daraus folgt, daß dieses Wesen weder allmächtig noch allwissend ist. – Dies ist ein Hinweis auf den tieferen Grund des Scheiterns einer Theologie, die ihre Begriffe einer metaphysischen Ontologie verdankt und mit ihnen den wahren Ort des Glaubens im Leben, Ritus, Kult, Liturgie und Gesang, verdunkelt.
Die mathematische Tatsache, daß die Reihe der Primzahlen nicht abzählbar ist oder eine jede Primzahl einen Nachfolger hat, kann allerdings nur als Einwand gegen die göttlichen Attribute der Allmacht und Allwissenheit oder die Existenz Gottes als ens realissimum ins Feld geführt werden, wenn man die überzeitlichen Konstruktionen einer metaphysischen Theologie für sinnvoll betrachtet. – Aber sie sind es nicht.
Der Gott der metaphysischen Theologie hat nur ein Scheinleben geführt; es war daher keine großartige Leistung, seinen Tod zu diagnostizieren.
Der Abgrund zwischen Natur und Geist, Physik und Psychologie, Erklärung und Intuition tut sich mit Descartes auf; doch der Aberwitz, der ihn füllen oder besser verdecken soll, beginnt mit Fichtes Ich als Anti-Substanz einer grundlosen Reflexion der Reflexion und gipfelt in Sartres Begriff der Existenz als unbedingt freiem Entwurf aus dem Nichts. – Die Vulgarisierung dieser geistigen Fehlentscheidungen finden wir heute in der politisch korrekten Ideologie von Gender und Transgender, die das biologische Schicksal von Körper, Geschlecht, Charakter und intellektueller und moralischer Veranlagung leugnet und das Individuum in einem Wolkenkuckucksheim leerer Phrasen und willkürlicher Konstruktionen ansiedelt.
Der menschliche Körper ist nicht nur ein Gegenstand bestimmter meßbarer Größen und Strukturen, sondern der lebendige Leib, der uns in Leibempfindungen gegenwärtig ist oder der uns ermöglicht, uns in Leibempfindungen gegenwärtig zu sein.
Pseudo-Philosophen wollen mit der Bemerkung verblüffen, es sei doch seltsam, daß die Materie abgesehen von den paar Atomen und subatomaren Teilchen eigentlich nichts als Leere sei und daß unsere Hände, wenn wir sie klatschend aufeinanderprallen lassen, sich dennoch nicht durchdringen. – Andere, noch dümmere, wollen mit der Bemerkung renommieren, die Rede von der Willensfreiheit lasse sich angesichts der physikalischen Tatsache der Unbestimmtheit subatomarer Ereignisse in den Neuronen unseres Nervensystems plausibilisieren oder gar rechtfertigen.
Die Begriffe, mit denen wir vom Maßstab sprechen, seinen Umfang, seinen Wert, seine Mächtigkeit beschreiben und festlegen, sind kategorial verschieden von den Begriffen, mit denen wir über das Gemessene sprechen. – Den zeitlichen Rhythmus von Versen messen wir an der durchschnittlichen Frequenz des menschlichen Herzens; so sagen wir, ein rein daktylischer Hexameter ist schnell, ein hauptsächlich aus Spondeen zusammengesetzter langsam, doch können wir von der durchschnittlichen Herzfrequenz nicht sagen, sie sei schnell oder langsam.
Wir können die Wahrheit einer Pressemitteilung nicht dadurch überprüfen, daß wir sie mit der Darstellung im Konkurrenzblatt vergleichen und von ihrer Ähnlichkeit auf ihre Faktizität schließen. Beide könnten falsch sein, die eine, weil sie bei der früher erscheinenden Konkurrenz abgeschrieben hat, oder beide, weil sie aus derselben fehlerhaften Quelle zitieren.
Notwendig nennen wir die Ersetzung eines Begriffs durch ein Synonym, wenn wir die Identität des Sinns beider Aussagen erhalten wollen; aber auch die logische Folge eines Gedankens aus einem anderen, wenn wir die logische Konsistenz zweier Aussagen darstellen wollen. – „Notwendig“ ist ein Prädikat zweiter Stufe; daher ist es unsinnig, von notwendigen Tatsachen oder notwendigen Ereignissen zu sprechen. – Dies gilt nicht für die Verwendung des Prädikatsbegriffs „zufällig“; daher ist es unsinnig, von einem ontologischen Gegensatz zwischen Notwendigkeit und Zufall zu sprechen.
„Gott würfelt nicht“ ist kein sinnvoller Satz, wenn er als Einwand gegen die Feststellung der nichtdeterministischen Unbestimmtheit subatomarer Ereignisse gemeint ist. Denn diese ist ja offensichtlich mit den kausal erklärbaren Ordnungsformen von Atomen, Molekülen, Genen, Kristallen und Organismen vereinbar.
Der Talg des Geschwätzes hat ihnen die Ohren des Herzens versiegelt; das sehr ferne, sehr leise Singen himmlischer Chöre, wie sollten sie es noch vernehmen.
Suum cuique – eine gültige Formel antiken Rechtsdenkens, die Platon verwendet und Cicero vertieft, wurde von den braunen Nihilisten und Sprachverhunzern, die keinem das Eigne ließen, sondern allen das Ihrige oktroyierten, mißbraucht. Ist sie deshalb wie eine verdorbene Frucht ein für alle Mal auszuspeien?
Der Führer war Anhänger des kopernikanischen Weltbildes; sollen wir deshalb zum ptolemäischen zurückkehren? – Hitler war auch ein großer Verehrer des Islam und seiner männlich-heroischen Tugenden fanatisch-kriegerischer Welteroberung; er äußerte in seinen Tischgesprächen den Wunsch, die christlichen Truppen hätten bei der Reconquista Spaniens versagt, auf daß ganz Europa moslemisch geworden wäre und sich das romantisch-effeminierende Virus des Christentums nicht ausgebreitet hätte; an der Balkanfront ließ er viele muslimische Kämpfer in die Reihen der Wehrmacht aufnehmen. Dem Groß-Mufti von Jerusalem, der seinen Judenhaß auch noch nach dem Krieg in Palästina zur Geltung brachte, huldigte er als seinem persönlichen Gast in der Hauptstadt seines auf die Bosheit von Schurken und die Blindheit von Narren gestützten Reiches. – Sind die Gründe der braunen Islamophilie nicht hinreichende Anhaltspunkte für ein gerüttelt Maß an Skepsis gegenüber dieser Gesetzesreligion, die uns heute im Zuge eines neuen Fundamentalismus trotz früher kultureller Blüten archaisch anmutet?
„Toleranz“ ist nur mehr ein Tarn- und Codewort für Feigheit, Angst und Unterwerfung.
„Selbstbestimmung“ ist eine Forderung haltloser Halbwesen.
Mozart und Goethe kann man nicht in der Retorte züchten – nur Scheinidole unterweltlichen Charismas in den Laboren der Kulturindustrie.
Mangel an natürlicher Intelligenz brüstet sich mit den stupid-stupenden Leistungen der künstlichen.
Mißgestalten und Halbwesen, die weder physisch noch geistig zu zeugen vermögen, grimassieren auf den Bühnen, bejubelt als Idole des kulturellen Fortschritts.
Augustus mußte die Gefahr der Unterwerfung unter die kulturelle Hegemonie Asiens in blutigen Schlachten überwinden, auf daß die zarte Seele eines Vergil sein römisches Welt-Epos stiften konnte.
Im „Schloß“ zeigt Kafka das Charisma der Macht im fauligen Zustand des Verfalls, wie das Schimmern von Grünspan oder den Hautgout verdorbenen Wildbrets. – Das faulige Charisma ist das obszöne, unlautere, unheimliche Residuum des echten; es geht als erotischer Nimbus auf die Frauen über, die sein Träger, der ominöse Herr Klamm, hat „zu sich rufen lassen“.
„Humanität!“, brüllt der Vagabund, setzt dem Bürger die Pistole auf die Brust und fordert ihn auf, die Taschen zu leeren.
Die kümmerlichen spirituellen Relikte einer zweitausendjährigen müde gewordenen Religion, deren Todesurteil schon lange von den Kathedern verkündet worden ist, werden nun zum Ladenschluß zu Billigpreisen verramscht.
Was soll der orthodoxe Rabbi, der fromme Chassid von seinem abgefallenen Glaubensgenossen sagen, der die Arie des Wotan goutiert?
Augustus ließ sich gemeinsam mit seiner Gattin Octavia die Nekyia der Aeneis, das 6. Buch, von ihrem Verfasser vorlesen; das Paar soll am Ende der Beschwörung jener heroischen Seelen, denen Rom seinen Ruhm verdanken sollte und deren letzte Marcellus, der frühverstorbene Sohn, der erhoffte Erbe und Nachfolger des Augustus war, in Tränen ausgebrochen sein:
Tu Marcellus eris, manibus date lilia plenis,
purpureos spargam flores …
Du, Marcellus dereinst, so spendet Lilien in Fülle,
purpurne Blüten werde ich streun …
Von welchem unter den plebejischen Volkstribunen demokratischer Provenienz ist vorstellbar, daß er bei der Rezitation von Versen ähnlichen Ranges nicht dümmlich zu grinsen begänne?
Nach ungeheuren Niederlagen, Zerstörungen und Demütigungen scheint der Name der Heimat auf immer mit einem Tabu belegt; ein Numinosum gleichsam pervertierter Art.
Die Freiheit des Denkens und die Unbefangenheit des Sprechens ziehen sich in die innere Emigration einer nachtwandlerischen, der Aktualität des Tages abholden Besinnung zurück.
Kant, der zwar seinen hellen Kopf in die Aura eines obskuren Idioms hüllte, schwamm doch im Hauptstrom der Zeit, jener Aufklärung, deren dunkle Triebkräfte einzig sein Zeitgenosse Hamann mittels Sprachkritik bloßlegte. Heute versickert dieser Strom im Brackwasser einer von Diskurspolizisten überwachten akademischen Sumpflandschaft. Wittgenstein, der die eigentlich radikale Umwälzung des Denkens darstellt, hat er doch den Acker der Vernunft mit der Egge der sprachlichen Besinnung geklärt, ahnte, daß seine Funde vom Zeitgeist an das von hohem Schilf verdeckte Ufer einer ohnmächtigen Nachfolge gespült würden.
In der Gewißheit, daß rhythmisch gebundene Dichtung und ihre reiche, aber nicht unbegrenzte Formenwelt ihr Zeitmaß am menschlichen Herzschlag nimmt, dürften wir von anderen uns wenig ähnelnden Kreaturen, so sie denn dichterischen Ausdrucks fähig wären, nichts Entsprechendes erwarten; jedenfalls wären wir mehr als überrascht, Epen vom Kolibri oder Epigramme vom Wal zu vernehmen.
Je windungsreicher, wuchtiger, fordernder die metrische und rhythmische Bindung, umso kühner und phantastischer die Exuberanzen der dichterischen Einbildungskraft; der homerische Hexameter glänzt vom Schaum des epischen Vergleichs, die Katarakte der pindarischen Ode schimmern vom Feuer des Himmels.
Der müde Epigone läßt die Zügel schleifen und der herrenlose Pegasus stürzt ins dornige Metapherngestrüpp, in den Sumpf glucksender Zoten.
Die gezügelte Sprache und Form gehört der frühen Kultur an, der Wildwuchs und die Formlosigkeit der dekadenten Spätzeit.
Wer spiegelt wen; die Götter die Menschen oder umgekehrt? – Jedenfalls können wir beispielsweise anhand der mythischen Göttinnen eine Typologie weiblicher Persönlichkeiten und psychologischer Strukturen entwickeln, wie im Bild der Hera die typische Matrone und Ehefrau, der Artemis die sittsame Virgo, der Aphrodite die anmutige Belle de jour, der Demeter die den Verlust der Tochter beklagende und durch ihre Wiederkehr beglückte Mutter.
Der Glaube, nicht die Vernunft, ist der Gestalter und Walter, im Persönlichen und im Geschichtlichen; Glaube an die Berufung, den Auftrag, die Auszeichnung; Glaube an die Größe des Stammes, des Volkes, des Imperiums. Fehlt er oder wird er brüchig, sinken die Schöpfungen, die Triumphbögen, die Reiche.
Der Glaube an die Menschheit ist ein vulgäres Surrogat für den Mangel an persönlicher Größe.
Der Glaube an die Größe des Imperium Romanum hob Vergil und Horaz über die Ebene farbiger Schatten hellenistischer Dekadenz ins reine Licht der astralen Zone des Ruhms.
Der Athena-Tempel der Akropolis zeugt vom Glauben der Hellenen an ihre geschichtliche Größe. Die aberwitzigen Entwürfe eines Albert Speer von der geistigen Nullität des Dritten Reiches.
Fremdstämmige Vergewaltiger werden in psychologische Obhut und aufwendige Pflege gegeben, Kindsmörderinnen als Idole weiblicher Selbstbestimmung umjubelt.
Der Dichter, der sich pfleglich um den Erhalt der nationalen Sprachsubstanz bemüht, wird als der Aufklärung bedürftiger Dunkelmann und reaktionärer Sprachmystiker verdächtigt.
Die neue Therapie besteht in der Leugnung der Krankheit.
Doch es hilft den Siechen nichts, wenn man sie mit einem gönnerhaften Lächeln aus dem Siechenhaus entläßt.
Mit dem ethnischen Kern stirbt auch seine kulturelle Hülle.
Die Verdrängung der tibetanischen Nationalkultur durch die chinesischen Invasoren wird immerhin bedauert; doch der Niedergang der eigenen Kultur in Folge der Invasion von Angehörigen einer fremden wird nicht nur hingenommen, sondern als Sühneakt für die Vergehen der Vorfahren hochgeschätzt, gefeiert, befördert.
Dana Gioia, The Country Wife
She makes her way through the dark trees
Down to the lake to be alone.
Following their voices on the breeze,
She makes her way. Through the dark trees
The distant stars are all she sees.
They cannot light the way she’s gone.
She makes her way through the dark trees
Down to the lake to be alone.
The night reflected on the lake,
The fire of stars changed into water.
She cannot see the winds that break
The night reflected on the lake
But knows they motion for her sake.
These are the choices they have brought her:
The night reflected on the lake,
The fire of stars changed into water.
Die Frau vom Lande
Sie macht ihren Weg unter Zweigen, die dunkel wehen,
hinunter zum Se, um allein zu sein.
Sie braucht nur dem Rauschen der Blätter nachzugehen,
sie macht ihren Weg. Durch die Zweige, die dunkel wehen,
kann sie einzig die Sterne noch sehen.
Doch erhellt ihren Weg kein Sternenschein.
Sie macht ihren Weg unter Zweigen, die dunkel wehen,
hinunter zum Se, um allein zu sein.
Die Nacht, die im See sich entgegenblickt,
das Feuer der Sterne in Wasser verwandelt.
Sie kann die Winde nicht sehen, woran sie erstickt,
die Nacht, die im See sich entgegenblickt,
doch sie weiß, sie sind ihr eigens geschickt.
Sie brachten die Wahl ihr, um die es sich handelt:
die Nacht, die im See sich entgegenblickt,
das Feuer der Sterne, in Wasser verwandelt.
Dem Abgrund nah
Wir wissen es ja nicht, wohin wir gehen,
wir haben nur des Veilchens feuchten Blick,
der uns dem Abgrund nah noch reißt zurück,
da geisterhaft aus ihm schon Nebel wehen.
Wir mögen uns wohl bei den Händen fassen,
als wärmte Blut uns noch, das singend fließt,
doch gleicht der Kuß, der dir die Lider schließt,
den Funken, die im Fallen rasch verblassen.
Wir wissen es ja nicht, woher wir kommen,
die Sagen, die aus lichten Quellen rannen,
die Flammen, die aus dunklen Sagen stiegen,
wie lange sind sie schon versiegt, verglommen.
Uns blieb der goldne Staub geneigter Grannen,
gedämpfter Schmerz, wenn Lerchen aufwärtsfliegen.
Robert Frost, Acquainted with the Night
I have been one acquainted with the night.
I have walked out in rain—and back in rain.
I have outwalked the furthest city light.
I have looked down the saddest city lane.
I have passed by the watchman on his beat
And dropped my eyes, unwilling to explain.
I have stood still and stopped the sound of feet
When far away an interrupted cry
Came over houses from another street,
But not to call me back or say good-bye;
And further still at an unearthly height,
One luminary clock against the sky
Proclaimed the time was neither wrong nor right.
I have been one acquainted with the night.
Zuspruch der Nacht
Auch ich war einer, dem die Nacht zuspricht.
Ich ging im Regen, kam im Regen zurück.
Ich wanderte zum fernsten Lampenlicht.
Ich warf in triste Gassen einen Blick.
Ich holte den Wachmann ein auf seinem Gang,
schaute zu Boden, stumm sein hieß mein Glück.
Ich verhielt den Schritt und seinen dumpfen Klang,
als von weither ein Ruf, gebrochen-hohl,
aus andern Straßen sich über die Häuser schwang,
doch rief er mich nicht heim, sprach nicht leb wohl,
und ferner noch aus Höhen, irdischen nicht,
hat jene Sternenuhr am Himmelspol
verkündet, die Zeit sei stets im Gleichgewicht.
Auch ich war einer, dem die Nacht zuspricht.
Der Torso
Es bangt uns um die königliche Seele,
daß Schwermut sie verdunkelt, Hohngeschrei,
und sie herab sich stürzt ins Einerlei
getünchter Mienen von der Schmerzensstele.
So liegt ein Torso unterm Staub der Schritte,
zersprungne Maße einer reinen Hand,
die jenen Ton dem stummen Stein entband,
der lieblich spielt um eine strenge Mitte.
Nun gehen stumpfe Sklaven drüber hin,
Verächter jeder Größe, aller Ränge,
die sie für böser Triebe Trugbild halten.
Doch sind noch Dichter von erlauchtem Sinn,
sie finden unterm Lärm sublime Klänge
und zwischen wüsten Fratzen Lichtgestalten.
Robert Frost, Dust of Snow
The way a crow
Shook down on me
The dust of snow
From a hemlock tree
Has given my heart
A change of mood
And saved some part
Of a day I had rued.
Staub aus Schnee
Wie in der Allee
vom Ast eine Krähe
den Staub aus Schnee
geschüttelt mir jähe,
hat mich geweckt
ein Flügelschlag,
der bitter geschmeckt,
süß ward mir der Tag.
Der Palimpsest
Erinnerungen, Blatt auf Blatt, wie Schiefer,
der unterm schweren Schritt des Winzers bricht.
Als hätten selbst die Schatten ein Gewicht,
sinkt die verstummte Seele immer tiefer.
Das Epigramm, in schwarzen Stein gehauen,
es rühmte wohl ein hohes Menschenlos,
verdämmert unter Flechten, schläft im Moos.
Was mag des Herzens Goldschrift übergrauen.
Doch manchmal tönt ein Zwitschern aus dem Nest,
das wie ein Spiel des Winds am Ast gebaumelt.
Es hört ein Dichter, wenn die Schwalben ziehen,
den Widerklang entrückter Elegien.
Und mancher war erschüttert, ist getaumelt,
las er die eigne Schrift als Palimpsest.
Robert Frost, Nothing Gold Can Stay
Nature’s first green is gold,
Her hardest hue to hold.
Her early leaf’s a flower;
But only so an hour.
Then leaf subsides to leaf.
So Eden sank to grief,
So dawn goes down to day.
Nothing gold can stay.
Kein Gold, das dauern mag
Natur streut Gold ins Grün,
so wirkt kein Ton zu kühn.
Früh leuchtet auf ihr Blatt,
doch bald schon ist es matt.
Dann wird das Leben lahm,
auch Eden sank in Gram.
Frührot weicht grauem Tag,
kein Gold, das dauern mag.
Siehe auch die Interpretation durch Dana Gioia:
https://www.youtube.com/watch?v=k2TVfvpYLPk
Geflüster in der Winternacht
„Daß wir noch einmal Sonnenpfade gehen,
wo weiße Kiesel knirschen und Kaskaden
Licht schäumend kecke Amoretten baden,
noch einmal uns betört ein weiches Wehen,
in dem von Lauben goldne Tropfen fallen,
und was kein Mund vermag uns Blüten künden,
die sich aufs neu am Abendrot entzünden,
ins Dunkel Funken singen Nachtigallen.“
„Ach, Freund, wir sind zu krank und lebensmüde,
wir könnten kaum den hohen Strahl ertragen,
Glut aber, die erlischt, läßt uns erbleichen.
Ein süßer Duft, er mag uns noch erreichen.
herbeigeweht aus fernen Sommertagen,
tut sich die Knospe auf in deinem Liede.“
Dana Gioia, Planting a Sequoia
All afternoon my brothers and I have worked in the orchard,
Digging this hole, laying you into it, carefully packing the soil.
Rain blackened the horizon, but cold winds kept it over the Pacific,
And the sky above us stayed the dull gray
Of an old year coming to an end.
In Sicily a father plants a tree to celebrate his first son’s birth–
An olive or a fig tree–a sign that the earth has one more life to bear.
I would have done the same, proudly laying new stock into my father’s orchard,
A green sapling rising among the twisted apple boughs,
A promise of new fruit in other autumns.
But today we kneel in the cold planting you, our native giant,
Defying the practical custom of our fathers,
Wrapping in your roots a lock of hair, a piece of an infant’s birth cord,
All that remains above earth of a first-born son,
A few stray atoms brought back to the elements.
We will give you what we can–our labor and our soil,
Water drawn from the earth when the skies fail,
Nights scented with the ocean fog, days softened by the circuit of bees.
We plant you in the corner of the grove, bathed in western light,
A slender shoot against the sunset.
And when our family is no more, all of his unborn brothers dead,
Every niece and nephew scattered, the house torn down,
His mother’s beauty ashes in the air,
I want you to stand among strangers, all young and ephemeral to you,
Silently keeping the secret of your birth.
Eine Sequoia pflanzen
Den ganzen Nachmittag haben meine Brüder und ich im Obstgarten gearbeitet,
wir hoben diese Grube aus und legten dich hinein, die Erde sorgfältig schichtend.
Der Horizont war schwarz vom Regen, doch kalte Winde hielten ihn überm Pazifik zurück,
und der Himmel über uns bewahrte das matte Grau
eines alten Jahres, das zu Ende geht.
Auf Sizilien pflanzt ein Vater einen Baum, um die Geburt des erstgeborenen Sohnes zu feiern – einen Oliven- oder Feigenbaum – ein Zeichen dafür, daß die Erde noch ein Leben zu tragen hat. Ich hätte dasselbe getan und stolz einen frischen Keim in den Garten meines Vaters gelegt, einen grünen Schößling, auf daß er inmitten der krummen Apfelbaumzweige sprieße,
die Hoffnung auf neue Früchte in künftigen Herbsttagen.
Doch heute knien wir uns nieder in der Kälte und wir pflanzen dich, unseren heimischen Riesen, wir kehren die alte Sitte unserer Väter um und hüllen in deine Wurzeln eine Haarlocke, einen Teil der Nabelschnur, alles, was auf der Erde übrigbleibt von einem erstgeborenen Sohn, ein paar verstreute Atome, den Elementen zurückerstattet.
Wir geben dir, was wir haben – unsere Mühe und unseren Boden,
Wasser, aus der Erde geschöpft, wenn sich die Himmel verschließen,
Nächte, duftend vom Nebel des Ozeans, Tage, milde vom Gewimmel der Bienen.
Wir pflanzen dich im Winkel des Hains, umspült vom Licht aus dem Westen,
einen zarten Sproß gen Sonnenuntergang.
Und wenn es unsere Familie nicht mehr gibt, all ihre noch ungeborenen Brüder tot,
die Nichten und Neffen zerstreut sind, das Haus abgerissen wurde,
seiner Mutter Schönheit als Asche in die Luft stieg,
dann, hoffe ich, ragst du unter Fremden empor, jung alle und Tagwesen gegen dich,
der du das Geheimnis deiner Geburt schweigend bewahrst.
Trügerische Seufzer
Seelen sind, die blumenhaft sich weiten
den Strahlen ferner unsichtbarer Sonnen.
Von fahler Gaze ihres Schlafs umsponnen,
sind Blüten, die auf dunklen Wassern gleiten.
Und Worte sind, woran noch Tränen zittern,
da wir wie Veilchen sie und Mohn gewunden
in einen Kranz geheimnisvoller Stunden,
bis sie verblaßten hinter Schweigegittern.
Doch Seufzer, die aus fernen Quellen dringen,
wir konnten sie in keine Schale bannen,
und hielten wir auch hin die Schale Herz.
Da hob das Licht des Tages an zu singen,
und sie, die schon im feuchten Moos zerrannen,
erschienen uns wie falscher Nymphen Scherz.
Dana Gioia, Emigre in Autumn
Walking down the garden path
From the house you do not own,
Once again you think of how
Cool the autumns were at home.
Dressed as if you had just left
The courtyard of the summer palace,
Walk the boundaries of the park,
Count the steps you take each day –
Miles that span no distances,
Journeys in sunlight toward the dark.
Sit and watch the daylight play
Idly on the tops of leaves
Glistening overhead in autumn’s
Absolute dominion.
Nothing lost by you excels
These empires of sunlight.
But even here the subtle breeze
Plots with underlying shadows.
One gust of wind and suddenly
The sun is falling from the trees.
Auswanderer im Herbst
Gehst du auf dem Gartenpfad
vom Haus aus, das du nicht besitzt,
denkst du wieder, wie doch so kalt
der Herbst in deiner Heimat ist.
Gekleidet, als kämst du geradewegs
aus dem Innenhof des Sommerpalasts,
geh am Rande des Parks, er ist weit,
von den Schritten des Tags zähle die Zahl –
Entfernung, die dir die Nähe nicht nimmt,
Reisen im Licht bis zur Dunkelheit.
Sieh von der Bank, wie müßig der Strahl
über die Haut der Blätter hin spielt,
wie es droben glitzert, wie absolut
die Herrschaft des Herbstes ist.
Nichts, was du verloren, überragt
diese Reiche des Sonnenlichts.
Doch auch hier verschwört sich subtil
der Hauch mit den Schatten unter ihm.
Es kommt ein Fallwind wie aus dem Nichts,
und die Sonne, sie stürzt von den Bäumen herab.
Nänie
Als hörtest du, wenn dumpf die Schloßen schlagen,
und lägest unter Decken auch, zerknüllten,
die Stimme noch, das halberstickte Klagen,
das keine Krume Wort und keine Sänge stillten.
Sich zu entrinnen, mochte Schwermut tauchen
ins Nymphengrün, mit Blüten leicht zu schweben,
die blind ins Leere Duft und Dank verhauchen.
Last dunkler Rätsel zog hinab das Leben.
Du wandle barfuß auf bemoosten Auen,
wo Zwitschern Süße träuft ins Abendgrauen,
im Grase liegend sieh, es blüht der Mond,
des stillen Abschieds trunkne Asphodele,
laß flattern hin die eingesperrte Seele,
wo sie bei der geliebten Schwester wohnt.
Dana Gioia, Do not expect
Do not expect that if your book falls open
to a certain page, that any phrase
you read will make a difference today,
or that the voices you might overhear
when the wind moves through the yellow-green
and golden tent of autumn, speak to you.
Things ripen or go dry. Light plays on the
dark surface of the lake. Each afternoon
your shadow walks beside you on the wall,
and the days stay long and heavy underneath
the distant rumor of the harvest. One
more summer gone,
and one way or another you survive,
dull or regretful, never learning that
nothing is hidden in the obvious
changes of the world, that even the dim
reflection of the sun on tall, dry grass
is more than you will ever understand.
And only briefly then
you touch, you see, you press against
the surface of impenetrable things.
Erwarte nichts
Erwarte nicht, blättert der Wind in deinem Buch,
daß auf der aufgeschlagenen Seite
ein Satz dir sagt, dieser Tag wird anders,
oder daß die Stimmen, die er an dein Ohr trägt,
wenn er über das gelblich-grüne
und goldne Zelt des Herbstes streift, zu dir sprechen.
Die Dinge reifen oder verdorren. Das Licht spielt
auf der dunklen Fläche des Sees. Jeden Nachmittag
wandert dein Schatten neben dir über die Mauer,
und die Tage ducken sich langsam und schwerfällig
unter das ferne Geräusch der Erntemaschinen.
Auch dieser Sommer ist vorüber,
und du lebst weiter, so oder so,
dumpf oder voll Reue, und du lernst doch nie,
daß sich unter dem sichtbaren Auf und Ab der Dinge
nichts verbirgt, daß selbst der matte
Widerschein der Sonne im hohen, trocknen Gras
mehr ist, als du je begreifen wirst.
Und nur obenhin
berührst und siehst und preßt du die Haut
von Dingen, die undurchdringlich sind.
Traum in Traum verstrickt
Das Zwitschern steigt ins Abendrot,
die Sänger aber sieht man nicht.
Wir teilen uns das Wort, das Brot,
du spiegelst mein, ich dein Gesicht.
Doch zwischen uns klafft schon die Nacht,
in der kein Stern zum andern blickt.
Kein Lot ermißt den tiefen Schacht,
und Traum in Traum sind wir verstrickt.
Zerrinnt, was schwach im Mond gegleißt,
fühl ich, was in den Angeln ächzt:
das Schicksal, das dich mir entreißt,
den Trübsinn, der nach Dunklem lechzt.
Dana Gioia, Pity the Beautiful
Pity the beautiful,
the dolls, and the dishes,
the babes with big daddies
granting their wishes.
Pity the pretty boys,
the hunks, and Apollos,
the golden lads whom
success always follows.
The hotties, the knock-outs,
the tens out of ten,
the drop-dead gorgeous,
the great leading men.
Pity the faded,
the bloated, the blowsy,
the paunchy Adonis
whose luck’s gone lousy.
Pity the gods,
no longer divine.
Pity the night
the stars lose their shine.
Hab Mitleid mit den Schönen
Hab Mitleid mit den Schönen,
den Püppchen und edlen Füllen,
den Süßen mit den herben Bossen,
die ihnen jeden Seufzer stillen.
Hab Mitleid mit den Beaus,
den Abgüssen Apollos,
Goldjungen, denen
stets das Glück fällt in den Schoß.
Den umwerfend Attraktiven,
die auserlesen scheinen
und allen den Atem benehmen,
den Großen, umschwärmt von den Kleinen.
Hab Mitleid mit den Verblühten,
aufgedunsenen Gecken,
dickwanstigen Adonissen,
die umsonst Fortunas Klaue lecken.
Hab Mitleid mit den Göttern,
ohne Nimbus sind sie kahl,
Hab Mitleid mit den Nächten,
das Licht der Sterne, es wird fahl.
Einführung und Rezitation durch den Autor:
https://www.youtube.com/watch?v=tQb7BNsuYc4
Schmerzliche Auskunft
„Geh einmal noch mit mir durch jene Gärten,
wo golden Früchte leuchten, Kelche prangen,
gefiederte Sänger sind die Weggefährten,
daß abtun wir das Zagen und das Bangen.
Ich will dir Zweige auseinanderbreiten,
daß wir die blaue Ferne nahe schauen.
Wo Wolken trunken in den Abend gleiten,
will ich das Wort, das heilt, dir anvertrauen.“
„Mein Freund, gern folgte ich dir auf den Pfaden,
die uns zu Bildern süßer Fülle führen,
als wäre, was verloren, noch zu finden.
Der Dämon, der mich lähmt, ist ohne Gnaden,
mein schwermutstarrer Sinn will sich nicht rühren.
Du aber geh, mir einen Kranz zu winden.“
Dana Gioia, California Hills In August
I can imagine someone who found
these fields unbearable, who climbed
the hillside in the heat, cursing the dust,
cracking the brittle weeds underfoot,
wishing a few more trees for shade.
An Easterner especially, who would scorn
the meagerness of summer, the dry
twisted shapes of black elm,
scrub oak, and chaparral, a landscape
August has already drained of green.
One who would hurry over the clinging
thistle, foxtail, golden poppy,
knowing everything was just a weed,
unable to conceive that these trees
and sparse brown bushes were alive.
And hate the bright stillness of the noon
without wind, without motion.
the only other living thing
a hawk, hungry for prey, suspended
in the blinding, sunlit blue.
And yet how gentle it seems to someone
raised in a landscape short of rain—
the skyline of a hill broken by no more
trees than one can count, the grass,
the empty sky, the wish for water.
Kalifornische Berge im August
Ich kann mir Leute vorstellen, die diese Gegend
unerträglich finden, wenn sie in der Gluthitze
die Hügel erklimmen und den Staub verfluchen,
das mürbe Gehölz knackt unter ihrem Tritt,
und nach mehr Schatten von Bäumen lechzen.
Jemand von der Ostküste würde wohl höhnen
über die Dürftigkeit des Sommers, die trocknen,
krummen Gestalten der dunklen Ulme,
Eichengestrüpp und Gesträuch, Landschaft,
vom August schon allen Grüns entleert.
Einer, der hineilte über die hier haften,
die Distel, den Fuchsschwanz, den goldenen Mohn,
und meint, all das sei ja bloß Unkraut,
ohne zu begreifen, daß diese Bäume,
diese spärlichen braunen Büsche leben.
Verhaßt wär ihm die leuchtende Stille des Mittags,
da kein Wind sich regt, alles erstarrt,
das einzige andere lebende Wesen
ein Falke ist, auf der Jagd, schwebend
in der blendenden lichtdurchfluteten Bläue.
Wie köstlich wär dies einem, der in einer Gegend
aufwuchs, wo es selten regnet:
die Silhouette des Bergs, durchbrochen
von Bäumen, die man zählen kann, das Gras,
der leere Himmel, der Wunsch nach Wasser.
Als glühten Chiffren
Ein süßer Duft schien morgens uns zu wehen,
als tät sich eine Knospe auf, ein Wort,
Im Abendgrauen war es schon verdorrt,
wir mußten stumm ins Blütenlose gehen.
Der lange Aufstieg machte uns ermatten,
wir sahen in der Ferne rot den Brand.
Zum Mond gereckt hat es uns nur gebannt,
das morsche Kreuz, mit einem fahlen Schatten.
Wir legten uns erschöpft ins dürre Gras,
ich fühlte deine Hand in meine gleiten,
dem Tiere gleich, das Bergung sucht im Nest.
Mich fror, da ch im Sterngefunkel las,
als glühten Chiffren, die uns überschreiten,
als gäbe sich das Dunkel selbst ein Fest.
Dana Gioia, Rough Country
Give me a landscape made of obstacles,
of steep hills and jutting glacial rock,
where the low-running streams are quick to flood
the grassy fields and bottomlands.
A place
no engineers can master–where the roads
must twist like tendrils up the mountainside
on narrow cliffs where boulders block the way.
Where tall black trunks of lightning-scalded pine
push through the tangled woods to make a roost
for hawks and swarming crows.
And sharp inclines
where twisting through the thorn-thick underbrush,
scratched and exhausted, one turns suddenly
to find an unexpected waterfall,
not half a mile from the nearest road,
a spot so hard to reach that no one comes–
a hiding place, a shrine for dragonflies
and nesting jays, a sign that there is still
one piece of property that won’t be owned.
Rauhes Land
Gib mir eine Landschaft nur aus Hindernissen,
von schroffen Hügeln und vereisten Felsen,
wo tiefströmende Flüsse die grünen Wiesen
und die Auentriften rasch überfluten.
Ein Land,
das Ingenieurskunst nicht bemeistert, wo die Straßen
sich gleich Ranken winden an steilen Wänden
und schmalen Graten, bis Findlinge den Weg versperren.
Wo hohe dunkle Stämme vom Blitz versehrter Kiefern
durchs wirre Grün aufschießen, gut zum Schlafplatz
für Falken und Krähenschwärme.
Und jähe Senken,
wo du durchs dornige Unterholz dich schlängelnd,
zerkratzt und außer Atem, dich plötzlich wendest
und unversehens auf einen Wasserfall triffst,
keine halbe Meile von der nächsten Straße,
ein Ort, so unzugänglich, daß kein Mensch auftaucht –
ein geschützter Ort, ein Schrein für Libellen
und nistende Häher, ein Zeichen, daß es noch
Anwesen gibt, die keinem je gehören.
Der Wächter
„Du sei der Wächter, halt die Schwelle rein,
daß nicht ein Dämon an der Pforte schabe.
Der nachthin tastet mit dem Hirtenstabe,
den Sterngesandten, ihn nur lasse ein.
Wir aber wollen vor dem hohen Bild
im Dämmerlicht der Kerzen niederknien
und lauschen, wie der Kelch, den er geliehen,
vom süßen Licht des Wortes überquillt.“
„Gern will ich einsam wahren meinen Posten,
doch hab ich nicht die Flammen der Seraphen,
auch will der Schwermut Wunde mir nicht heilen.
Drum gebt mir von dem Gnadenkelch zu kosten,
so werde ich die Ankunft nicht verschlafen,
kommt er, der Hirt, bei seiner Schar zu weilen.“
Dana Gioia, Pentecost
After the death of our son
Neither the sorrows of afternoon, waiting in the silent house,
Nor the night no sleep relieves, when memory
Repeats its prosecution.
Nor the morning’s ache for dream’s illusion, nor any prayers
Improvised to an unknowable god
Can extinguish the flame.
We are not as we were. Death has been our pentecost,
And our innocence consumed by these implacable
Tongues of fire.
Comfort me with stones. Quench my thirst with sand.
I offer you this scarred and guilty hand
Until others mix our ashes.
Pfingsten
Nach dem Tod unseres Sohnes
Weder der Schmerz am Nachmittag, beim Warten in der Trauerhalle,
noch die schlaflose Nacht bringt Linderung, wenn die Erinnerung
ihre Anklage wiederholt.
Noch der Schmerz am Morgen über die Illusion des Traums, noch Gebete, einem unerkennbaren Gott vorgespielt,
können die Flamme ersticken.
Wir sind nicht mehr, die wir waren. Der Tod war unser Pfingsten,
und unsere Unschuld wurde aufgezehrt von diesen unerbittlichen Feuerzungen.
Gib mir den Trost der Steine. Lösche meinen Durst mit Sand.
Ich reiche dir diese vernarbte und schuldige Hand,
bis andere unsere Asche vermengen.
Kristalle in der Nacht
Es tönen fern Kristalle in der Nacht,
wenn trostlos wir am offnen Fenster stehen.
Die Klänge, die uns aus dem Dunkel wehen,
sie steigen hehr und fallen demutsacht.
Es rankt sich Ton an Ton um hohes Licht,
das milde sie betaut mit feuchten Funken.
Die Herzen, die aus diesem Kelch getrunken,
sie flammen auf, doch sie verbrennen nicht.
Setz, Dichter, deinen Vers auf solch ein Fluten,
wie eine Knospe auf der Schwermut Wogen,
die weiße Blüte, heimlich noch gesprossen
dir zwischen Schatten, unter Dornenruten,
hat sie vom Jenseitslicht sich vollgesogen,
schenkt uns den Traum, von wehem Duft umflossen.
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