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Am Ofen

14.11.2017

Flamme, die bläulich-rot aufzuckte,
die gußeiserne, kreisrunde Abdeckung
mußtest du mit dem Schürhaken im kleinen Loch
fest greifen und mit einem Ruck beiseiteschieben,
scheppernd und klirrend eierte sie
auf der glänzenden Ofenplatte,
die du bei halber Nacht geschmirgelt hattest,
dann in das Gähnen der versiegten Glut
Scheite, gut gehauene, stürzen,
feurige Splitter und Funken sprühten auf.

Dämmerte es, wanderte das Flackern
aus den Fugen und Ritzen zur Decke
und floß wie aus Krügen geschütterter
roter Wein die Wände herab.

Immer blieb die zehrende Mühe des Feuers
wie ein Schlürfen wölfischer Zungen,
ein Nagen von Biberzähnen lebendig,
wurde das feuchte Eingeweide des Holzes
von der Flamme zerkaut, hörtest du
des Waldes schluchzende Elegie,
das seufzende Schilf, niedergetreten von Pan,
wenn ein Holzklotz die zerrissene Aura
des versengten Leibs aus letaler Ohnmacht
aufbäumte und die blubbernde Hülle,
bläulich schraffiert von zarten Venen,
ächzend in sich zusammenstürzte,
zischten manchmal aus der weißen Asche
kleine Feuervipern.

Wenn du spät am Abend die Ofenklappe aufsperrtest
und mit dem Schürhaken den kokelnden Glutbrei
durchquirltest, seine Wülste und Buckel zerdeppertest,
und mit einem dicken Lederhandschuh bewaffnet
den Rost am Boden tüchtig rütteltest,
wurde die dämmernde Küche
für Augenblicke gespenstisch erhellt,
bitterer Ruß vermischte sich mit süßlichen Aromen
und Stöhnen entquoll der Atemnot des Holzes.

Regen klopfte mit knöchernen Fingern eines Bettlers
an die Scheiben oder rief mit zartem Hämmern
kindlicher Fäuste Erinnerungen wach
an morastige Wege,
wo uns die Weiden mit nassen Ruten
ins Gesicht schlugen,
wir trugen Leinensäcke auf der Schulter,
prall gefüllt mit Kastanien oder Nüssen
heim ins Dorf, das talwärts mit den trüben Funzeln
der Fenster die Schritte wies,
und hinter uns gluckste die Dunkelheit.

Oder wenn Frost die Scheiben mit dem weißen Staub
steriler Blüten verklebte, hörten wir im Knistern
und Keuchen des Feuers Stimmen verstorbener Lieben
Träume erzählen, träumend Tote singen
von lauen Sommernächten, als die Birnen
in den Brunnen des Gartens stürzten
und Ginster Blüten streuten in den Schlaf.

Heiligabend roch es nach Tannengrün und Harz,
dem Honig frommer Kerzen, vom Ofen her
nach Kräutern, Mandeln, Ingwer, Zimt und Kardamom,
wenn Neuschnee knirschte unter eiligen Schritten,
gingst du dem Läuten nach zur Krippe
sternerhellten Sinns,
doch der Alte lag am Ofen krank,
und versank ins Spiel der Flammen an der Decke,
das wie Flügels warmes Wehen
ihm die Botschaft brachte.

 

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