Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito 501–520
Scholien zu einem implizierten Text 501–520
501
Mientras no tropezamos con tontos instruidos la instrucción parece importante.
Solange wir nicht auf belehrte Toren treffen, scheint die Lehre wichtig zu sein.
502
El Anticristo es, probablemente, el hombre.
Der Antichrist, das ist wohl der Mensch.
503
Cultivado es el hombre que no convierte la cultura en profesión.
Kultiviert ist der Mensch, der aus der Kultur keinen Kult macht.
504
El cristiano no tiene nada que perder en una catástrofe.
Der Christ hat in einer Katastrophe nichts zu verlieren.
505
Educar al alma consiste en enseñarle a transformar en admiración su envidia.
Die Seele erziehen heißt sie lehren, ihren Neid in Bewunderung umzuwandeln.
506
Los libros serios no instruyen, sino interpelan.
Ernste Bücher lehren nicht, sondern fragen.
507
Creer es penetrar en las entrañas de lo que meramente sabíamos.
Glauben heißt ins Innere dessen zu dringen, was wir bloß wußten.
508
La fe no confunde la incredulidad, sino la consume.
Der Glaube verwirrt den Unglauben nicht, sondern zehrt ihn auf.
509
La sociedad suele ser injusta, pero no como los vanidosos lo imaginan.
Siempre hay más amos que no merecen su puesto que servidores que no merezcan el suyo.
Die Gesellschaft ist wohl ungerecht, doch nicht, wie es sich die Selbstgerechten ausmalen.
Es gibt stets mehr Herren, die ihren Rang nicht verdienen, als Diener, die den ihren nicht verdienen.
510
La resistencia es inútil cuando todo se conjura en el mundo para destruir lo que admiramos.
Siempre nos queda, sin embargo, un alma insobornable para contemplar, para juzgar, y para desdeñar.
Widerstand ist zwecklos, wenn alles in der Welt sich zur Zerstörung dessen verschwört, was wir bewundern.
Doch uns bleibt immer eine unbestechliche Seele, um zu schauen, zur urteilen und zu verachten.
511
Escucho toda prédica con involuntaria ironía.
Tanto mi religión como mi filosofía se reducen a confiar en Dios.
Ich lausche jeder Predigt mit unfreiwilliger Ironie.
Ebenso wie meine Religion verdichtet sich meine Philosophie auf ein Vertrauen in Gott.
512
La literatura contemporánea, en cualquier época, es el peor enemigo de la cultura.
El tiempo limitado del lector se gasta en leer mil libros mediocres que embotan su sentido crítico y lesionan su sensibilidad literaria.
Die Literatur der Gegenwart, in welchem Zeitabschnitt auch immer, ist der schlimmste Feind der Kultur.
Die kostbare Zeit des Lesers wird durch die Lektüre von tausenden mittelmäßiger Bücher vergeudet, die seinen kritischen Sinn abstumpfen und seine literarische Sensibilität verletzen.
513
Los términos que el filósofo inventa para expresarse, y que el pueblo finalmente maneja como metáforas usadas, atraviesan una zona intermedia donde los semieducados los emplean, con énfasis pedante, para simular pensamientos que no tienen.
Die Begriffe, die der Philosoph erfindet, um sich auszudrücken, und die das Volk schließlich wie verblaßte Metaphern handhabt, durchwandern eine Zwischenzone, wo sich die Halbgebildeten ihrer mit pedantischem Pathos bedienen, um Gedanken vorzutäuschen, die sie nicht haben.
514
Cada nueva verdad que aprendemos nos enseña a leer de manera distinta.
Jede neue Wahrheit, die wir lernen, lehrt uns, auf andere Art zu lesen.
515
La burguesía, a pesar de todo, ha sido la única clase social capaz de juzgarse a sí misma.
Todo crítico de la burguesía se nutre de críticas burguesas.
Die Bourgeoisie ist trotz allem die einzige soziale Klasse gewesen, die fähig war, über sich selbst das Urteil zu fällen.
Jeder Kritiker der Bourgeoisie nährt sich von bürgerlicher Kritik.
516
El peor vicio de la crítica de arte es el abuso metafórico del vocabulario filosófico.
Das ärgste Laster der Kunstkritik ist der metaphorische Mißbrauch philosophischer Begriffe.
517
El profeta bíblico no es augur del futuro, sino testigo de la presencia de Dios en la historia.
Der biblische Prophet ist kein Augur der Zukunft, sondern ein Zeuge der Gegenwart Gottes in der Geschichte.
518
La hipocresía no es la herramienta del hipócrita, sino su prisión.
Die Heuchelei ist kein Werkzeug des Heuchlers, sondern sein Gefängnis.
519
Dicha es ese estado de la sensibilidad en el que todo nos parece tener razón de ser.
Glück ist jener Zustand der Sensibilität, in dem uns alles einen Grund für sein Dasein zu haben scheint.
520
En lugar de buscarle explicaciones al hecho de la desigualdad, los antropólogos debieran buscársela a la noción de igualdad.
Statt nach haarspalterischen Erklärungen für die Tatsache der Ungleichheit zu suchen, sollten die Anthropologen den Begriff der Gleichheit als Herausforderung ansehen.
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