Neueste Xenien
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Dumm durch Wissenschaft.
Klugheit umgeht den Stein des Anstoßes, Dummheit stolpert, Wahn starrt ihn an.
Was der Neurotiker als tragische Verstrickung erlebt, wirkt auf den Außenstehenden bisweilen komisch.
Die Variationen, nach denen Kinder weiße und schwarze Steine, rote, grüne, blaue Perlen auf eine Schnur reihen, ähneln dem Rhythmus der Dichtung.
Man tut den Insekten Unrecht, wenn man das Gewimmel in ihren Bauten mit demjenigen in den Wohnsilos der Riesenstädte vergleicht.
Die modernen Medien erfüllen ihren Zweck, wenn sie den Verdacht gegen den Menschen bis zum Widerwillen steigern.
Welcher metaphysische Witz, wie Männer und Frauen ihre Körper nach genetischem Bauplan so ausbilden, daß ihre Geschlechtsorgane zusammenpassen.
Die großen Worte wurden durch inflationären Gebrauch zu hohlen Hülsen, unter den geringen und unscheinbaren finden wir noch etliche Körner und schmackhafte Beeren.
In der Welt der Hinkenden gilt der anmutig Schreitende für einen göttlichen Tänzer.
Infolge der Kulturvernichtung mittels organisierter Kulturförderung vergeben geistige Analphabeten die höchsten literarischen Preise an Schreiber, die auf dem Glatzkopf ihrer Sprache modische Locken zu drehen vorgeben.
Die kriminelle Tat wird unter Hinweis auf die schöne, aber traumatisierte Seele des Täters exkulpiert.
Das Opfer der Straftat gilt als eigentlich kriminell, hat es den Täter doch, und sei es durch sein Dasein, seinen Blick, seinen Ausruf, provoziert.
Der Gedanke an Wiedergutmachung, das Gerüst des Rechts, gilt als Relikt archaischer Racheimpulse.
Der moralische Imperativ, nur sich als Gedanke, als Absicht, als Wunsch zu erlauben, was von allen gutgeheißen wird, ist schon Verrat an der Wahrheit des eigenen Lebens.
Der Konsens ist das Ideal des Pöbels mit seinen chaotischen Instinkten.
Dummheit der Philosophen: einen Schleier von Ideen vor die Erfahrung des Lebens zu hängen.
Am hohen Absatz des eleganten Schwätzers klebt der Kot des Gewöhnlichen.
Man kann kein Verjüngungsbad in der schlammigen See des Widersinns nehmen.
Auch den grellsten Blitz verschluckt die Nacht.
Tage später klingt der letzte Schrei im Kunstbetrieb nur noch wie ein Röcheln.
Die Wunde der persönlichen Identität blutet durch den dicksten Verband.
Geisteswissenschaft oder die Scheinblüte des Sekundären.
Betrachten wir die hellenische Linie von Winckelmann und Goethe über Hölderlin bis zu George: Hier bricht sie ab.
Nur der Eigentümer von Grund und Boden, der Besitzer des eigenen Hauses ist autonom: Kann er sich doch aussuchen, mit wem er leibt und lebt.
Mieter dagegen sind Sklaven eines fremden Willens und den Machenschaften von Nachbarn ausgesetzt, die sie sich nicht ausgesucht haben.
Sklavenseelen führen den Kampf gegen das Eigentum. Strategen der Macht sind seine Parasiten.
Die Parklandschaften, die dem feudalen Landadel gehörten, waren gepflegt und eine Augenweide, große Gartenarchitekten und bedeutende Botaniker wurden beauftragt, die Versöhnung von Natur und Kultur zu lebenden Bildern auszugestalten. Die Volksgärten der Demokratien sind von Müll und widrigen Meuten verstopft, Schwaden von eklen Gerüchen benehmen einem den Atem.
Die Idee des Erbes führte die antike Kultur zu ihren ragenden Gipfeln an sublimem Geschmack und künstlerischer Verfeinerung.
Die alte jüdische Schule diente der Pflege des überlieferten väterlichen Erbes.
Um zu kaschieren, daß ihnen nichts einfällt, schmücken sie sich mit großen Namen.
Im dichten Rankenwerk der Zitate raschelt bisweilen eine graue Maus und sucht vergebens nach einem Körnchen, einem Samen.
Die Linie des deutschen Hellenismus brach ab: Kein Gott hat sich verleibt.
Das prophetisch beschworene Gastmahl von Göttern und Menschen endete in einer wüsten Wirtshausschlägerei.
In schlichten Gesten, lächelnd äußert sich die Güte, nicht in moralisch hochgezogenen Brauen angesichts der Schlechtigkeit der Welt.
Besser als große Ankündigungen und Versprechungen sind die leisen Worte, das fast geflüsterte, ja schweigend bekundete Bekenntnis, da zu sein und noch ein Weilchen zu bleiben.
„Ich habe genug“, „Schlummert ein, ihr matten Augen“ – welcher immer wieder durch selige Augenblicke verklärten Lebens unterbrochene, verzögerte, weit ausgeatmete Abschied.
Als wären das Bewußtsein, das Ich, der Geist, der Begriff, die Vernunft eigenständige Wesenheiten – was für eine bizarre Mythologie, die sich selber auf dem Olymp des deutschen Idealismus ansiedelte.
Die unfreisten Köpfe faseln immerfort von der Freiheit.
Dem häßlichen Genie darf man die Beschwörung vollkommener Schönheit zutrauen.
Die Allegorisierung des Begriffs ist griechisches Erbe, Ursprung des Mythos – nicht nur Sonne und Mond, Erde und Meer, Feuer und Wasser galten dem antiken Menschen für mythische Wesen, selbst Schlaf und Traum, Sorge und Lust, Hoffnung und Sehnsucht hatten ihre Epiphanien eigentümlichster Personen; davon zehrt noch der zweite Teil des Faust mit seiner klassischen Walpurgisnacht und ihrem Reigen der Grazien, Parzen und Furien, ihrem Gang zu den Müttern, der Beschwörung der Helena und der mythischen Zeugung des Euphorion.
Noch unsere gewöhnlichsten Redewendungen speisen sich aus mythischem Wurzelwerk; sprechen wir ja von einem, dem der Schreck im Nacken saß, der dem Tod ins Angesicht schaute oder den ein dunkles Ahnen beschlich.
Die Wahrheit des Lebens ist die außermoralische Wahrheit des Leibes; sie ist nicht verborgen, sondern kommt zutage mit jeder Regung, jedem Lächeln, jeder Träne.
Der Zeitgeist ist das Zwie- und Dämmerlicht, in dem die Proportionen verzerrt, Nähe und Ferne vertauscht, Hoch und Niedrig eingeebnet scheinen.
Der Schorf mancher Worte, der Grind mancher Empfindung, der Ausschlag mancher Idee löst sich bisweilen, taucht man sie in die Wellen des homerischen Epos, ins warme Blut des tragischen Bocks oder ins nüchterne Wasser der horazischen Ode.
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