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Nachzitternde Spur eines fremden Impulses

18.04.2013

Eine Portraitskizze

Die Empfindsamkeit, des Mannes Weichteile, hatte er gut versteckt unter dem kalten Krötenpanzer eines elegant sich verplaudernden Zynismus. Die kreatürliche Gebrechlichkeit äußerte sich in wachsender Unsicherheit, Getrübtheit, Fragilität bei der genauen Zuschreibung seiner Befindlichkeiten und emotionalen Zustände an seine Person. Er bezog dies bewusstermaßen auf den Prozess des Alterns und die subkutanen Lockerungen, die er hervorrief – Unterwühlungen, die die bisher scheinbar tragenden Sedimente seines Lebens in ein manchmal nicht unangenehmes, ja leicht beschwipst machendes Schaukeln brachten.

Sich nicht überrumpeln, sich nicht in übereilte und intrikate Engagements verwickeln zu lassen, sondern den Zumutungen und Übergriffigkeiten der Umwelt ohne den schimmernden Aufputz schneckenklebriger Sentimentalitäten und den pfiffigen Gusto des Connaisseurs zu begegnen, pflog er als Style of Life. Die Rituale wollüstiger Selbstzerfleischung und ausgestellter Betroffenheit, mit denen viele seiner Generation das Gedenken an die Verbrechen und Untaten der Väter stillstellten und womit manche aufgeregten Virtuosen in moralibus es zu fauler Berühmtheit brachten, konnten die Leere, den White Cube, seiner skeptisch-mystischen Haltung nicht mit Bedeutung schwängern.

Auch als gesetzter Akademiker, der nicht ohne sich geschmeichelt zu fühlen zu späten Würden kam, blieb ihm die Rolle des saturierten Bürgers abhold. Gerne markierte er dies noch im höheren Alter mit abgetragenen Blue Jeans und einer koketten Weise, sich die Baseballkappe ins Gesicht zu schieben.

Seine Ansprüche an ästhetische Strenge waren in ihrem Purismus und ihrer bald irisierenden, bald fahlen Überreflektiertheit in den fünfziger und sechziger Jahren verwurzelt. Die lose Erheiterung am freien Spiel der Formen und Gestalten erwärmte sich ihm nicht zum Grad fruchtbringender Antwort. Der Zartsinn und die Delikatesse, die die Goethezeit gleichsam gärtnerisch liebend, hütend, sorgsam beschneidend in die Ordnung des Daseins, der Kommunikation und der Erotik einzupflanzen bemüht war, schienen ihm unter der Patina überwucherten Sinns zum Kohlenstaub einer Epoche zerfallen zu sein, dessen gespenstisches Phosphoreszieren im Schlagschatten mancher allzu großspurig angesetzten auktorialen Gesten und Anwartschaften er mit einem sardonischem Lächeln zu quittieren pflegte.

Doch in gewissen großzügigen Gesten durchwogte die Kühle seiner Selbstdistanz ein südlicher Hauch von Selbstvergessenheit und Absichtslosigkeit – wie die Hand des Meisters, scheinbar endgültig zur bedeutsam getuschten Linie anhebend, jäh abbricht und die nachzitternde Spur eines fremden Impulses freigibt.

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