Mond, der aufgeht über Eden
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Verse, kraftvoll und geschmeidig, athletisch und anmutig, geistreich und blutvoll: Sie sind nicht zu fett, aufgeblasen und verschwitzt, daß sich das Seil des Verses durchböge oder risse, aber auch nicht zu luftig oder wässrig, daß sie der Wind der Laune wie ein Flöckchen, einen Tropfen hinabwehte. Weil sie Mark und Fleisch, Mark des Geistes und Fleisch der Leidenschaft, haben, nennen wir sie klassisch.
Sophokles und Horaz, Shakespeare und Goethe, Baudelaire und George schrieben solche Verse; insofern ist der klassische Vers zwar ein notwendiges, aber kein hinreichendes Merkmal zur Auszeichnung von Epochen der Dichtkunst als klassisch.
„Wer Rasse sagt, dekuvriert sich als Rassist.“ – Hier herrscht dieselbe strenge Logik wie in dem Satz: „Wer Bier! ruft, ist schon betrunken!“ Oder: „Wer von den Abgründen der menschlichen Natur spricht, stellt eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar.“ Oder: „Wer Bach und Mozart höher schätzt als Rockmusik und Jazz, ist ein weißer Kulturfaschist.“ Oder: „Weil Hitler die Sonne für das Zentralgestirn ansah, ist Kopernikus widerlegt.“
Weil der Schnauzbart um die Existenz von Rassen wußte, soll, darf, kann es keine geben.
In der Tat, die Tilgung gewisser Begriffe aus dem Gedächtnis und dem Lexikon, köpft die Sachverhalte, denen sie einmal mittels geregelter Verwendung Leben eingehaucht haben. Streicht eine Gruppe den Begriff der Ehe, lösen sich alle von ihm konstituierten Regeln, Bräuche und Institutionen auf; sie können fröhlich herumhuren, ohne Ehebruch zu begehen.
Doch vom Ochsen erwarten, er gebe morgen Milch, wenn man ihn hinfort Kuh nennt, ist ein Grenzfall von Idiotie.
Die Wortgläubigkeit und Wortklauberei beginnen die Bibelfrömmigkeit und Hermeneutik alter Zeiten in den Schatten zu stellen.
Was im Buch der Rechtgläubigen ob Koran oder Grundgesetz nicht steht, kann es nicht geben.
Wer Schlitzauge sagt, scheint die asiatische Rasse aufs Korn nehmen oder herabsetzen zu wollen. Wer dicke Lippe sagt, den Schwarzen, wer Nase, den Juden. Diese Wendungen gehorchen dem rhetorischen Gesetz der Metonymie, wonach ein Merkmal einer Ganzheit herausgegriffen wird, um diese zu vertreten wie Segel für Schiff, Kopf für den Träger desselben, Zunge für Sprache, Welle für Meer, Wasser für Leben, Haus für Heimat.
Der metonymische Ausdruck Kraut, womit der Engländer den Germanen ins primitive Dasein zurückschickt, oder Bleichgesicht, womit die indianische Rothaut den weißen Trapper ins Visier nimmt, bezeugen nicht nur die Abwehr des Fremden mittels satirischer Überspitzung, sondern auch die Kraft der das charakteristische Merkmal auslesenden sprachlichen Wahrnehmung.
Wer mit dem schiefen Turm seiner steilen Nase die dunstige Luft seines Lebens schneidet und die Häme seiner Mitwelt auf sich zieht, hat eine andere Seele, als wer mit dem Stupsnäschen in seinem Engelsgesicht die Umwelt entzückt.
Es besteht ein innerer Zusammenhang zwischen der Physiologie eines Volkes, die natürlich eine Funktion genetischer Varianz ist, und der von ihm hervorgebrachten kulturellen Werte und Werke, die wie ein mehr oder weniger edles Reis auf dem alten Stamm seiner Physis aufgepfropft werden.
Das Auge ist gewiß ein nach genetisch codiertem Plan aufgebautes Organ, doch die Augen der indogermanischen Völker, die in der Frühzeit in den ägäischen Raum einwanderten, sahen offenkundig anders und anderes als das Auge der Ureinwohner Australiens und Neuguineas. Das bezeugen ihre Kunstwerke von der archaischen Plastik über die Vasenmalerei bis zu den Tempelsäulen.
Schwul war gestern ein Schimpfwort, heute ein Ehrentitel.
Négritude war einmal die hymnische Umkehrung des in Verruf geratenen Wortes Niggertum.
Was sie nicht herstellen, herumschubsen und manipulieren können, geht ihnen durch ihre schmutzigen Lappen.
Das Unbewußte der Zivilisation ist eine bösartige Geschwulst, ihre Metastasen fressen sich in die Gesichter, die Träume, die Worte.
Der Penis als modisches Anhängsel. – Aber nicht der schwarze.
Heute müßten die Fleurs du Mal wegen ihres Kultes der Mulattin und des schwülen Charmes schwarzer Hüften jener Art von Zensur anheimfallen, die einst an ihrer Darstellung der lesbischen Liebe Anstoß nahm.
Nicht nur die Werke Kants, der anthropologisch nüchtern von der biologischen und ethischen Verschiedenheit der menschlichen Rassen handelte, auch die des Aristoteles werden von den Regalen der Bibliotheken gerissen, hat er doch sich zu der himmelschreienden Ansicht bekannt, daß gewisse Individuen von Natur aus Sklaven und knechtischer Gesinnung seien.
Wenn der Leib, die Motorik, die Physiognomie, das Gedächtnis die Ausdrucksform der Seele darstellen, kann die Psychologie des Japaners nicht die des Afrikaners, das Seelenlebens des tropischen Insulaners nicht das des nomadischen Eskimos sein.
Die Werke Baudelaires gehören auf den Scheiterhaufen, enthalten sie doch anstößige Passagen wie jene, es gebe nur drei würdige Repräsentanten der Menschheit, den Dichter, den Priester und den Soldaten, denn sie verkörperten den Sinn des Lobpreises, des Segens und des Opfers, dem Rest gebühre die Peitsche.
Wir werden den Teufel tun und uns zur Vergötzung wulstig aufgequollener Negerlippen hinreißen lassen.
Unser Schönheitsideal ist abendländisch-hesperisch, wir denken an Beatrice und Laura, Lotte und Mignon, an die Blütenkörbe des Adonis, die glänzende Muschel der Aphrodite, die Veilchen des Eros; wir denken an die Engel Giottos und die rosenwangigen rheinischen Madonnen, an Arme und Brüste weiß wie Schnee, an milchübergossene Lenden, an den goldenen Schimmer von Locken, an Blicke, deren tiefes Blau uns in die Abgründe des Azurs taucht.
Unser Schönheitsideal ist sublim, geistig und apollinisch-hell wie die Lilien der Madonna, die Lilien der Bourbonen.
Der schöne Leib unseres Traums glänzt nicht im Schweiß der tropischen Sonne, seine ätherische Kühle flammt und blitzt wie der köstliche Schnee des Fujiyama, des heiligen Bergs.
Unser Schönheitsideal ist mädchenzart und knabenfrisch, wir denken an das geheimnisvoll-süße Lächeln der archaischen Epheben, an die veilchenlockigen Schönen in Sapphos Reigen, an den Speerträger und die Wagenlenker von Olympia, der Kränze eines Pindar würdig; wir denken an den Frühling Botticellis, an das Gnadenlächeln, das aus dem Hortus conclusus strömt, an die Hingabe und den Tränen ahnenden Blick des Johannes in den Plastiken vom Bodensee; wir denken an den göttlichen Knaben Maximin in Georges Buch Der Siebente Ring.
Wir werden den Teufel tun und die seligen Melodien eines Mozart dem Triebgeschnarre des Neger-Jazz opfern.
Alles Sublime, Großgeartete, Außerordentliche ist dem Untergang geweiht, wenn der ominöse Drang der weißen Eliten zur Vermischung und Homogenisierung der Rassen, Kulturen und Sprachen, zur Verpantschung des edlen Weins der Tradition in der tristen Orgie olivfarbener Leiber und aschgrauer Seelen mündet.
Der unterschwellig brodelnde Haß und das den Blick der Seele trübende Ressentiment nähren sich aus dem vergifteten emotionalen Grundwasser der Zivilisation.
Nur der Stumpfsinnige entwickelt keine Mordlust gegen den Nachbarn, mit dem er Käfig an Käfig eingepfercht in Wohnsilos zwischen Motorenlärm und dem penetranten Gestank des ins Fenster wehenden Geschwätzes vegetieren muß. – Vor allem wenn dieser Gestank die Herkunft aus dem Kauderwelsch unreiner Zungen und dem morastigen Geschlinge ungeläuterter Hirne verrät.
Nicht über die Eruptionen der Gewalt muß man sich verwundern, sondern über die langen Phasen unheimlicher Stille.
Geduld, mütterliche Hingabe, väterliche Sorge, das Warten-Können der elterlichen Liebe auf die Reifung, die sich an den ersten Schritten, am ersten Wort, an der ersten freien Handlung des Kindes kundtut – dies sind auch die ethischen Haltungen, die zur Meisterschaft in Kunst und Dichtung führen.
Das Echte am dichterischen Meisterwerk rührt nicht von der Mache, sondern der frommen Hut des Samens, den Eros in die Furche des Traums gesenkt.
Doch mag der Same trotz liebevoller Pflege und gärtnerischer Kultur kaum entsprossen eine duftlose Scheinblüte hervorbringen, die rasch dahinwelkt.
Der Intellektuelle, der Idiot der Zivilisation, betet die Mache und alles Gemachte an, der Herzschlag des sich erneuernden Bluts, der natürliche Rhythmus von Vers und musikalischem Gedanken, ist ihm unter den dicken feuchten Fetzen gedruckten Geschwätzes und von Lügen durchnäßten Bandagen aus Zeitungspapier unhörbar geworden.
Wir gewahren die höchste Reife der Kunst an der Verschmelzung von Tun und Leiden, Machen und Wachsen, am Bilden des entgegenblickenden Bilds, wie an der antiken Tempelsäule, die urtümlich ein gerodeter Baumstamm noch in den sublimen Verfeinerungen der ironischen und korinthischen Ordnung am stilisierten Laub des Akanthus von ihrer Herkunft kündet: dem Wald, ursprünglicher Ort der Kulte, Weihungen und nächtlichen Ekstasen.
Wo die Säulen noch als Allegorien heiliger Bäume die Architektur und die Aura öffentlicher Räume prägen, wie im preußischen Staat, finden wir schöne Erinnerungen an die Wahrheit der Antike.
Die Säule verlangt den Marmor, in dessen Maserung die Kraft der Erde pulst, in Beton gegossen wirkt sie leblos und stumpf.
Im Wurzelgrund des zur überirdischen Sonne strebenden klassischen Verses rauscht ein dunkles Wasser, in den Tropfen des Reims spiegelt sich ein geheimnisvolles Licht, Mond, der aufgeht über Eden.
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