Mein weißer Kindersarg
Am liebsten hockte ich,
verlorner Knabe,
wenn es Hund und Katzen hat geregnet,
vor dem Tor, wo hinter mir Großvaters Hühner scharrten
und der alte Hund die Fliegen scheuchte
müde mit dem Schweif –
dort war gut Schauen und gut Staunen,
wenn in der aufgeschäumten Gosse
Federchen, Blätter, Pappelsamen trieben,
duldsam-still und abendfriedlich –
da war gut Kauen an der dicken Stulle
von dunklem Korn, belegt mit frischem Schmalz,
die hatte Mutter mir geschmiert.
War ich denn fröhlich, war ich traurig?
Zufrieden war ichʼs, meine kleine Weile da zu sein,
noch fern vom Ärgernis Geschlecht,
geborgen in des alten Hauses Hut
vor dem Schulhof und der Rohheit
halbentblößter Männlichkeitsagone –
dann durfte keusch ich unterm Kreuze liegen
und mich drin üben, die Wunden des Erlösers
mit ganzer Seele für und für zu küssen.
Warum hat mich kein weißer Kindersarg
vor der Zeit, zur rechten Zeit,
in den warmen Schoß der Erde
sanft entrückt?
Warum musste zum Manne ich mich
aufwärts quälen und auf der Sprache
krummem Stab mich zittrig stützend
in das Irrsal viel zu großer Welt auswandern?
Ein schmales Grab wär mir vergönnt gewesen,
mit einem Alabasterengel mir zu Häupten,
der spräche aus dem süßen Schmolle-Mund:
„Dies enge Reich von Moosen und von Astern,
von Veilchen und von Krokusblüten
mag wohl genügen, ein reines Kinderleben
zu umfassen. Wenn ihr gedenken wollt,
es reicht die eine Träne,
die harten Sinn erweichen mag!“