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Macht, Einfluß und Gewalt

23.09.2015

Versuch einer Begriffsklärung

Klarheit ist ein Ziel geistiger Anstrengungen, das zu erreichen nicht nur Einsicht, sondern auch Mut erfordert.

Wir gehen von elementaren Annahmen über Entstehung, Aufbau und Leistung der sozialen Ordnungssysteme aus:

1. Die menschliche Situation ist durch die Offenheit des Zukunftshorizontes definiert, das heißt: Wir können manches voraussagen, aber nichts mit Gewißheit vorauswissen. Es heißt: Wir schweben zwischen Bangen und Hoffen, wir leben auf Kredit und Vertrauen.

2. Menschen sind sterblich und körperlich oder seelisch versehrbar und verletzlich.

3. Menschen sind zum Überleben auf die Integration in Gruppen angewiesen.

4. Gruppen sind aufgrund der Endlichkeit der Energie und der Ressourcen in ihrem Bestand gefährdet und daher in ihrer Identität und Integrität versehrbar und verletzlich.

5. Das Überleben von Gruppen ist auf Macht angewiesen, die geeignete Mittel und Methoden bereitstellt, um das fundamentale Problem der Zukunftsbewältigung, das heißt sowohl das Weiterbestehen der Gruppe als auch das voraussagbare Verhalten der Gruppenmitglieder oder die Verhaltenskontinuität und Verhaltenskonformität der Gruppenmitglieder zu gewährleisten.

6. Das Überleben von Gruppen ist auf Macht angewiesen, die geeignete Mittel und Methoden der Einflußnahme auf das Verhalten der Gruppenmitglieder, also Verhaltensnormierung und Verhaltenskontrolle durch Lob und Tadel oder Sanktionsregime, anwendet, um die Ordnung des Zusammenlebens aufrechtzuerhalten.

7. Das Überleben von Gruppen ist auf Macht angewiesen, die geeignete Mittel und Methoden der Gewaltausübung wie des vorübergehenden oder endgültigen Ausschlusses eines Gruppenmitglieds aus der Gemeinschaft anwendet, wobei die extreme Form des endgültigen Ausschlusses die ultima ratio der Tötung des Delinquenten darstellt.

8. Das Überleben von Gruppen ist auf Untergliederungen wie die Untergliederung nach ethnischen Stämmen und sozialen Kasten und Klassen oder Berufsgruppen sowie auf Eingliederungen wie die Eingliederung in regionale Strukturen und Nationen oder Staaten angewiesen.

9. Das Überleben von Gruppen ist auf Macht angewiesen, die geeignete Mittel und Methoden der Aneignung und Ausbeutung von Energieträgern und Ressourcen wie Expansion und Eroberung oder technische Innovationen und Erfindungen anwendet.

10. Die Tatsache der Vielzahl von Gruppen macht Konflikte zwischen ihnen unausweichlich oder zumindest voraussagbar. Sie reichen von strategischen Einflußnahmen und kompetitiven Strategien bei der Aneignung und Verteilung von Gütern, Dienstleistungen und Energiequellen über gewaltsame Auseinandersetzungen bis zum offenen Krieg.

Macht ist eine elementare soziologische Kategorie, das heißt ein Begriff für soziale Relationen, die nicht von anderen elementaren soziologischen Begriffen oder anderen elementaren sozialen Relationen abgeleitet oder durch diese erklärt werden können.

Wenn Macht eine soziale Primärfunktion ist, nicht aber Einfluß und Gewalt, so schließt dies ein, daß wir sie nicht aus diesen Sekundärfunktionen ableiten können, also nicht etwa sagen können, Macht sei eine Art verdichteter Einfluß oder eine Art verdünnte Gewalt. Wohl aber können wir umgekehrt sagen, Einfluß sei eine Art verdünnte Macht und Gewalt eine Art verdichtete Macht.

Die erste Macht nennen wir natürliche Macht oder Autorität. Die Eltern üben natürliche Macht aus gegen ihre Kinder, denn diese sind auf ihre Anleitung, Hilfe und Unterweisung in den Techniken des Überlebens und beim Spracherwerb und der sprachlichen Verständigung angewiesen. Der Anführer der Jagdmeute oder der Kriegerschar übt natürliche Autorität aus, denn dank seines Alters und seiner Erfahrung, dank seiner Kenntnisse auf den Gebieten der Jagd und ihrer Techniken und der Kriegskunst und seiner Einblicke in die Situation der Feinde wurden ihm Leib und Leben der ihm unterworfenen Gefolgsleute anvertraut. Der Weise oder der Schamane oder der Priester ist die natürliche Autorität der Unterweisung in den Sagen und Mythen vom Ursprung der Gruppe, in den durch Mythen und Rituale verabreichten Normierungen des Verhaltens gegen die Götter, gegen die Angehörigen der eigenen Gruppe und die Mitglieder fremder Gruppen.

Die historisch späteren Machtpositionen wie die des Königs oder des Feldherrn erben von diesen historisch frühen Instanzen der natürlichen Macht und Autorität ihre Würde und ihre Aura.

Eltern, militärische und politische Führer und Priester bilden Machtquellen, die für das Weiterbestehen oder die Kontinuität der Gruppe aufkommen, also das genannte Fundamentalproblem der menschlichen Situation, die Aufrechterhaltung der Kontinuität angesichts des offenen Zukunftshorizontes, bearbeiten. Wenn die Kinder nicht die natürliche Sprache von den Eltern lernten, könnten sie das Leben in der Gruppe nicht mehr in die Zukunft weitertragen und die Gruppe zerfiele. Wenn sich die Gefolgsleute in der Erfahrung und Einsicht des politischen und militärischen Führers geirrt hätten, würden schadenbringende Verträge und Bündnisse geschlossen oder würden feindliche Invasoren auf das Territorium der Gruppe eindringen, sodaß der Weiterbestand der Gruppe gefährdet wäre. Würden die Priester und moralischen Autoritäten die Normen und Gesetze sittlichen Verhaltens den Gruppenmitgliedern nicht mehr ins Gewissen pflanzen, zerfiele ihr Verhalten ins Chaos und ins Unvorhersehbare und der Weiterbestand der Gruppe wäre nur noch eine Frage der Zeit.

Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Mächte und Machthaber sich nicht gleichsam auf den gesunden Organismus der Gruppe oder Gemeinschaft usurpatorisch oder parasitär aufpfropfen, um ihn zu ihrem Erhalt und Genuß auszusaugen, auch wenn die Existenz dieser Formen des Machtmißbrauchs keineswegs in Abrede gestellt werden soll. Doch handelt es sich um Ausnahmen, nicht um die hier interessierenden regelhaften Fälle. Mächte und Machthaber sind interne Faktoren und Strukturen der Gruppe selbst. Ziehen wir zur Verdeutlichung wieder die familiäre Funktion des Spracherwerbs zu Rate: Die Eltern lehren die Kinder wohl die Sprache, doch eigentlich nur dadurch, daß sie sprechen oder sich jedenfalls Mühe geben, gut und korrekt zu sprechen, das Kind zu korrigieren, wenn es Fehler macht, und es ansonsten mit anregenden Stoffen wie Bilderbücher oder das Vorlesen von spannenden Geschichten anregen. Ihre Macht äußert sich auf diesem Feld in den gelinden Formen von Lob und Tadel und selten in härteren Sanktionen nur, wenn es um die Einhaltung gewisser sprachlicher Etiketten und Gepflogenheiten wie Grußformeln und Höflichkeitsbezeigungen geht oder das Bestrafen von Flüchen und obszönen Ausdrücken, was alles für das Funktionieren sozialer Kontakte eine wesentliche Rolle spielt. Die Eltern regen die Kinder an, die Sprache zu erwerben und zu sprechen, die sie selbst erworben haben und sprechen. Das aber tun auch die Eltern der Nachbarskinder und wiederum deren Nachbarn bis zur Grenze der jeweils gesprochenen Sprache. Man könnte also sagen, daß die Eltern im Dienst der jeweiligen Sprache stehen und diese den Kindern weitergeben, denen es kinderleicht fällt, die Rolle der Lernenden zu spielen, weil sie zur Lautbildung und zur Bildung der wohlgeformten grammatischen Strukturen genetisch disponiert sind. Die jeweilige Sprache bildet also ein sich selber tragendes und fortpflanzendes homöostatisches System, in dem die erwähnten Positionen der Macht der Eltern konstitutive Gelenkstellen und Zwischenglieder der Übertragung und Steuerung darstellen.

Das gilt nicht im gleichen Maße für andere Machtformen. Das Funktionieren militärischer Kampfverbände erfordert gerade im Krisen- und Kriegsfall zur Sicherung des Weiterlebens der gefährdeten oder angegriffenen Gruppe strikte Unterordnung und Befehlsgehorsam, die nur durch Drill und Abrichtung der Diensttuenden in Fleisch und Blut übergehen. Hier zeigt sich die Bedeutung, welche die Tatsache einnimmt, daß Menschen sensible oder schmerzempfindliche Wesen sind, wenn es um Aufbau und Erhalt bestimmter Machtformen geht. Nur wenn die angedrohte Sanktion wie Karzer oder entehrende Strafmaßnahmen vor der Mannschaft das Maß der durch Ungehorsam ersparten Unlust- und Schmerzempfindungen beim Marschieren, Exerzieren und Wacheschieben übersteigt oder zumindest austariert, werden sie wirksam als abschreckende Methoden.

Es ist interessant zu beobachten, daß wir die archaischen Funktionen der Normenübermittlung durch Priester, Schamanen und andere Gurus heute ohne Not entbehren können, weil wir ihre Leistungen den normierenden und verhaltenssteuerenden Maßnahmen und Maßgaben von Eltern, Schulen und Peergroups anheimstellen. Jungen und Mädchen in einer Pfadfindergruppe oder in einem Schulchor steuern ihr Verhalten nach und nach und mehr und mehr nach den Vorgaben, die sie von den Gruppen- und Chorleitern und vor allem von den anderen Mitgliedern der Gruppe ablesen und übernehmen. Lob und Tadel und Sanktionen tun ihr Übriges, bis hin zur schärfsten Androhung, dem Ausschluß aus der Gruppe wegen gruppenschädlichen Verhaltens.

Wir bemerken demnach, daß Machtformen konstitutive Elemente des jeweiligen homöostatischen sozialen Gleichgewichtssystems bilden, das sie tragen und weitertragen. Gleichgewichtssysteme sind störanfällig, weil ihre Stabilität nicht auf dem ruhigen Fundament einer starren Funktion oder Eigenschaft beruht, sondern auf der Aussteuerung einer Spannung von innen und außen, gestern und morgen, Vergangenheit und Zukunft – schieben sie sich doch, solange sie existieren, der immer wandernden Grenze der Gegenwart entlang der Zukunft entgegen. Versagt die Immunabwehr gegen neu eindringende Viren, bricht der Organismus über kurz oder lang zusammen. Wird der angestammte Sprachraum einer Gruppe von fremdsprachigen Invasoren massenhaft überschwemmt oder vom Einfluß einer neuen Macht dominiert, wie der hellenistische Einfluß den Sprachraum des Aramäischen in der Levante oder die arabische Invasion Nordafrikas den lateinischen Kultur- und Sprachraum, bricht das Traditions- und Transfersystem der Gruppensprache über kurz oder lang zusammen.

Das Fundamentalproblem der Aufrechterhaltung der Kontinuität der Gruppe und ihrer Ordnung angesichts der Offenheit des Zukunftshorizonts findet in der Instaurierung der Macht materieller und symbolischer Instanzen Antworten und wie auch immer fragile Lösungen: Das Heiligtum der Götter im Zentrum des Territoriums soll ewig stehen, die Statuen, Figuren und Bilder der Götter, die die Identität der Gruppe symbolisieren, gelten für sakrosankt. Das Kollektiveigentum der Gruppe wie der Tempel im heiligen Hain oder das Haus der Gemeinschafts- und Altersklassenrituale oder die heilige Quelle sowie die Güter der Familien und Sippen gelten für sakrosankt, ihre Übertragung auf die kommende Generation wird streng rituell und zeremoniell geregelt und abgesichert.

Wir bemerken, daß die Funktionen der Machtausübung vom Erlernen einer Sprache bis hin zum Krieg zugleich und gleichursprünglich Formen der Kommunikation darstellen, wobei die Beteiligten sich nicht in Augenhöhe begegnen, sondern in das soziale Gefälle von Geben und Nehmen, Lehren und Lernen, Befehlen und Gehorchen eingebettet sind. Die Kinder lernen die Sprache in dem Maße, in dem sie die Eltern hören und auf die Eltern hören. Indem sie das soziale Gefälle durchmessen, finden sie zu sich selbst und werden mit Fähigkeiten ausgestattet, die es ihnen erlauben, die Rolle umzukehren und selbst einmal als Eltern Kindern die Sprache beizubringen. Die Annahme, die Identität der Person bilde sich aus der symmetrischen Spiegelung mit dem alter ego heraus, erweist sich als falsch.

Wir können das Fundamentalproblem der menschlichen Lebenslage auch so ausdrücken: Wie kannst du erwarten, daß ich deine Erwartung erfülle? Die Macht der Verhaltensregulierung sorgt dafür, daß ich dir das Buch, das du mir netterweise geliehen hast, zum ausbedungenen Zeitpunkt zurückbringe. Indem ich mein Versprechen halte, wird deine Erwartung erfüllt. Warum halte ich mein Versprechen? Weil ich mich beschämt fühlte oder ein schlechtes Gewissen hätte, würde ich es brechen. Scham und schlechtes Gewissen aber sind die elementaren Ausdrucksformen der Verhaltenssteuerung, deren Macht sie unverstellt widerspiegeln.

Einfluß oder Einflußnahme und Gewalt sind Mittel und Methoden der Machtausübung, wobei Einflußnahme eine Methode der Machtausübung darstellt, die die Anwendung von Gewalt ausschließt, während Gewaltausübung ein Mittel der Machtausübung darstellt, das Einflußnahme als ihren Zweck nicht ausschließt, sondern oftmals beabsichtigt.

Die Predigt des charismatischen religiösen Führers oder Propheten bewirkt eine Einflußnahme auf die Überzeugungen, Motive und Erwartungen seiner Anhänger. Sie ist insofern eine Ausübung von Macht, als der Prediger aufgrund der Wirkung des ihm zugeschriebenen Charismas von seinen Anhängern als moralische Autorität anerkannt wird. Das Charisma ist zu guten Teilen eine Form natürlicher Macht und natürlicher Autorität, weil es auf die charismatische Begabung des Anführers, sein rhetorisches und emotionales Faszinosum, zurückgeht. Sein Wort gilt, weil es als inspiriert geglaubt wird. Die Gruppe von Jüngern und Gläubigen, die sich um ihn schart, verwirft die Normen und Verhaltensnormierungen der alten Priesterschaft und der moralischen und gesetzlichen Lehrer und Instanzen der alten Generation und bricht mit neuen Normsetzungen in die Zukunft einer Gemeinschaft neuen Zuschnitts und neuen Selbstverständnisses auf.

Die Wirkung charismatischer Macht mit ihren Mitteln und Methoden der Beeinflussung zeigt uns auch den Stellen- und Schwellenwert sozialer Neuerung, von Evolution und Umbruch der sozialen Ordnungsgefüge, auf: Ihr Sinn liegt in der Auffrischung der Zellen des sozialen Organismus mit dem frischen Blut neuer Normen, Götter und Idole, ihr Zweck ist der alte, will sagen, als Schmierstoffe im Gefüge der normativen Ordnungen zu dienen.

Der Charismatiker übt seinen Einfluß zumeist ohne Gewaltanwendung aus. Der charismatische religiöse Führer, der sich an die Spitze eines terroristischen Kampfverbands stellt, läßt von seinen bewaffneten Anhängern Gewalt anwenden, um positiv oder negativ nach innen und außen Einfluß auszuüben: Diejenigen, die von der neuen Gemeinschaft angezogen werden, aber schwanken und Bedenken tragen, sich ihr anzuschließen, werden entweder abgeschreckt und damit als laue und unsichere Kandidaten und potentielle Gegner entlarvt oder aufgrund der Faszination der Gewalt zur positiven Entscheidung gelenkt. Der Rest der Welt wird durch die Gewaltexzesse der neuen charismatischen Bewegung dahingehend beeinflußt, daß sie das Ansinnen und die Ziele der Gruppe ernstnimmt und sich entweder aus Furcht vor Sanktionen und Racheakten zurückhält oder im Gegenteil ihre eigenen Wert- und Lebensbestände in Gefahr sieht und seinerseits mit eigenen Sanktionen und militärischen Maßnahmen zurückschlägt – was sie für den charismatischen Führer als bösartige Feinde, denen es sich zu stellen gilt, kenntlich macht und entlarvt.

Einfluß oder Einflußnahme und Gewalt sind demnach im Gegensatz zu landläufigen Annahmen keine elementaren soziologischen Begriffe oder sozialen Relationen, denn sie umfassen Mittel und Methoden der Machtausübung und Machtentfaltung wie Sanktionen oder Tötungen, die den Zwecken der Machterhaltung oder Machterweiterung untergeordnet sind.

Wir messen demnach die Macht nach dem Grad und Maß der Lenkung oder Nötigung eines fremden Willens durch den Willen der machtausübenden Instanz, wobei beide Pole des Verhältnisses in Form von Individuen als Repräsentanten einer Institution wie der Eltern und des Lehrers oder des militärischen Befehlshabers oder in Form der Institution selbst wie der Familie, der Schule oder der Armee ins Auge gefaßt werden können, ohne daß dieser Unterschied für die Betrachtung von entscheidender Relevanz wäre.

Anders gesagt: Macht ist die Fähigkeit eines Individuums als eines Repräsentanten einer Institution oder dieser Institution selbst, einen fremden Willen mittels des Einsatzes geeigneter Machmittel und Methoden positiv oder negativ zu nötigen, das heißt in die Richtung des eigenen Willens zu bewegen oder von der Richtung auf einen Dritten, einen Feind oder Rivalen, abzulenken.

Zu den geeigneten Mitteln und Methoden der Machtausübung gehören Einflußnahme und Gewalt.

Zu den Mitteln und Methoden der Einflußnahme gehören Lob und Tadel, das glänzende oder abschreckende Beispiel in Geschichte, Legende und Mythos, Predigt, Propaganda und alle Formen der Zubereitung und des Designs der Meinungskundgabe in öffentlichen Medien.

Zu den Mitteln und den Methoden der Gewaltausübung gehört der vorübergehende oder dauerhafte Ausschluß eines Mitglieds der Gruppe aus dem Gemeinschaftsleben. Der Ausschluß erfolgt aufgrund der Tatsache, daß sich das betreffende Gruppenmitglied schwerwiegender und meist fortgesetzter Akte der Verletzung der gesetzten und gesetzlichen oder stillschweigend vorausgesetzten Verhaltensnormen schuldig gemacht hat. Die Extremform des Ausschlusses ist die Tötung des Delinquenten. Die Todesstrafe erweist sich demnach als legitime Form der Machtausübung einer Gemeinschaft, um dem Problem der Aufrechterhaltung ihrer Kontinuität durch Anwendung einer ultima ratio gerecht zu werden. Jede Form des Ausschlusses dient sowohl dem Schutz der Gruppenmitglieder vor dem schädlichen Treiben des Abweichlers als auch der Abschreckung zukünftiger Normverletzungen.

Wir bemerken, daß alle sozialen Ordnungsgefüge zu ihrer Aufrechterhaltung sowohl auf die Machtausübung in Form der Einflußnahme als auch die Machtausübung in Form der Gewaltanwendung angewiesen sind.

Das Verhältnis des nötigenden Willens zum genötigten Willen ist eine Form der Kommunikation. Der genötigte Wille akzeptiert den Machtanspruch. Auch die Tatsache, daß er keinen Einspruch erhebt und keinen Widerstand ausübt, gilt als eine Art des Einverständnisses.

Akzeptiert der genötigte Wille den Machtanspruch nicht und wird dieser trotz seines Widerstrebens durchgesetzt, sprechen wir von Gewalt und Ausübung von Gewalt.

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