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Logische Schneisen XX

25.02.2014

Wenn Gott die Person ist, die zu uns spricht, sind seine Mitteilungen Befehle oder Gebote mit dem Anspruch der Unbedingtheit, sind sie Anrufungen und Aufforderungen, gleichsam den Kopf aus dem Sand der Traurigkeit und Angst und der Verzagtheit und der Verzweiflung emporzuheben und in seine Richtung zu blicken, oder in die Richtung des Lichts der Auferstehung oder sind sie Verheißungen einer intensiveren, heiligenden, beseligenden Kommunikation?

Wenn Gott die Person ist, die zu uns spricht und uns ansprechend in ein liebendes Streit-Gespräch oder streitendes Liebes-Gespräch aufnimmt oder hineinbirgt, wäre dies der Grund, weshalb wir als sprechend-sterbliche Wesen den logisch-semantischen Raum von Sprache und Bewusstsein bewohnen. Auf diesen Grund können wir setzen und hoffen, soweit uns die Propheten nicht bloße Narren dünken oder soweit uns die frohe Botschaft mehr als ein tröstliches, aber ansonsten unverbindliches Symbol darstellt.

Gottes Anspruch an uns ist die Abbildung seines schöpferischen Spruchs, mit dem er uns als sprachliche Wesen aus der Nacht des Ungesagten hervorgezogen und gleichsam in den heller werdenden logischen Raum hineingestellt hat: besser zu sprechen, uns klarer auszudrücken, wahrhaftig und genau zu denken und zu reden.

Wenn Gott die Person ist, die zu uns aus der Stille und Fülle des vollkommenen, guten und schönen Daseins spricht, erwacht in uns die Sehnsucht, die Hoffnung, die Gewissheit, in die Stille und Fülle des vollkommenen, guten und schönen Daseins einzugehen.

Wir können und sollen Gott als die Person, die zu uns spricht und unter deren Zuruf wir gleichsam erwachen, nur im Bild des Menschen darstellen: in jenem Bild, das uns die edelsten Kräfte der patriarchalischen Kultur des Judentums und des antiken Christentums geschenkt haben – im Bild des Vaters.

Der Vater sorgt sich um seinen Sohn und seine Tochter, er will, dass sie nicht den Weg des Unheils und des Bösen wandeln, sondern unterwegs in den Lichtungen rasten, die seinen Frieden atmen. Der Vater nämlich hat mit gleichsam weiblicher Güte das Licht in die Welt menschlicher Irrwege ausgesandt.

Der Vater sorgt sich gerade um den begabten Sohn und die begabte Tochter, denn ihrer Begabung wegen sind sie den Versuchungen des Bösen besonders ausgesetzt: Das Gute zu tun, so du es denn tun willst, ist leicht wie das Atmen des Säuglings – das Böse bedarf der Finten und Listen, des Lugs und Trugs, der Raffinesse und des Scharfsinns, ja, die im Rachen des Leviathan stecken und toben und schreien, hält man vielleicht nicht zu Unrecht für Genies der bösen Lust und der bösen Tat. Es schmeichelt der Eitelkeit und kitzelt den Dünkel des hohlen Menschen, sich mit dem giftigen und sterilen und unfruchtbar machenden Dunst des Bösen aufzublähen.

Der Vater schickt dem verlorenen, weit in die Irre gegangenen Kind Boten, die ihm von den lauen Friedenslüften gleichsam erinnerungsgesättigten Aroms, der sanften Landschaft des edlen und gerechten Glücks und dem lauteren und ernsten Trost ärmlicher Blumen der Heimat und von dem Brechen ungesäuerten Brotes und dem Trinken gewöhnlichen Landweines in bescheidener Behausung berichten: Das Kind aber empören die schlichten, reinen, beinahe glanzlosen Worte des heiligen Geistes, es nimmt Anstoß an einem harmonischen Sinn, der seinem Dünkel und Größenwahn allzu niedrig, bieder und beschränkt zu sein scheint. In Trotz und Jähzorn schreit das Kind gegen die Boten des Vaters, Güte sei Dummheit in einer Welt scharfsinniger Überrumpelung und Liebe Impotenz zu eigener Machtvollkommenheit.

Das verlorene Kind haust in der Wüste der Sprache, in der die befruchtenden Wasser des frohen und hohen Geistes nicht fallen mögen und nicht einmal der Morgentau an den Lippen des Dürstenden schwebt – es wähnt sich aber üppig und strotzend und überaus fruchtbar in der Fata Morgana gedankenloser und überschwänglicher Phrasen.

Gewiss fühlt das kranke, verlorene Kind tief in sich den milden Vorwurf des gleichsam gekränkten und verzagten Vaters, der wie aus dem Grab des Herzens nur noch leise, gebrochen, leise und leiser werdend zu ihm spricht – und noch die letzten Seufzer des Vaters überschreit es mit seinem immer unartikulierter werdenden Geschrei.

Hat nicht der Vater aus dem unendlichen Willen zur Rettung des Kindes zuletzt sich in der heimlichen Gestalt eines Menschen selbst auf den Weg gemacht, das verlorene Kind heimzuholen? Und hat nicht die aus sich sprechende und aus sich strahlende Schönheit und die sich fraglos dahingebende Geduld und Liebe jenes Einzigen die ringsum verdunkelnde Hässlichkeit und sich selber aufzehrende und zerfressende Bosheit des undankbaren Kindes empört und zu Todeshass aufgepeitscht? So hat das Kind den Vater im letzten Boten zu töten gesucht.

Wenn Gott wie der Vater ist, der das Kind durch sprachliche und moralische Unterweisung gleichsam zur Höhe und Weisheit, Schlichtheit und Einfalt und Besonnenheit seiner Kultur zu erziehen und emporzuziehen trachtet, sind wir zur demütigen Freude ermutigt: Unser armes, dürftiges und allseits angefochtenes Leben hienieden ist im logisch-semantischen Raum von Sprache und Bewusstsein zu Wahrnehmungen und Erfüllungen eines Sinnes erwacht, den wir getrost voraussetzen dürfen und den nicht selbst erfunden oder erschaffen zu haben uns nicht erniedrigt, sondern befreit.

Der Geist des Vaters oder der heilige Geist scheint von erlesener und geradezu humoriger Heiterkeit (immerhin ist er angesichts all der Torheiten, Albernheiten und grausamen Spiele seiner Kinder nicht versauert und verbittert): So verlangt er dir nichts Geringeres ab, als dich selbst zu lieben und einigermaßen glücklich oder zufrieden, indes nicht selbstzufrieden zu sein (wie schwer dies auch sein mag), als Voraussetzung dafür, Verantwortung tragen und diejenigen glücklich oder glücklicher oder etwas weniger unglücklich machen zu können, die dir lieb sind (denn die Unglücklichen und mehr noch die Unzufriedenen machen zu guter Letzt alle anderen ringsum unglücklich und unzufrieden und scheuen, allzu sehr in sich selbst verkrampft oder wollüstig oder wahnhaft ihrem Elend hingegeben, davor zurück, sich den kleinen und großen Verantwortungen und Verpflichtungen oder den noch so geringen, aber dich oder mich rettenden freundlichen Gesten zu öffnen).

Wenn Gott zu uns spricht, verstehen wir seinen Anspruch und Zuspruch wie den Anspruch und Zuspruch des Vaters an seine mit ihm streitenden und hadernden Kinder: den väterlichen Anspruch auf die Verzinsung des mitgegebenen, geliehenen Kapitals an Intelligenz, Empfindsamkeit und Mut in guten Taten – den väterlichen Zuspruch aber finden und geben wir wieder in den Zeichen der Zuwendung, die wie die ausgestreckte Hand, die empfindsame Träne, das spiegelnde Auge dich und mich erheben, nähren, versöhnen.

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