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Logische Schneisen XIV

09.02.2014

Wenn wir die topographische Projektionsmethode auf das Medium der Sprache anwenden, entsprechen den topographischen Zeichen für singuläre Orte wie dem topographischen Zeichen für den singulären Ort „Alte Oper Frankfurt“ die lautlich artikulierten oder schriftlichen sprachlichen Zeichen für singuläre Terme wie der Name „Alte Oper Frankfurt“ für die Alte Oper Frankfurt.

Wir scheinen unmittelbar auf eine Strukturähnlichkeit zwischen der topographischen und der semantischen Projektionsmethode zu stoßen, wenn wie die topographischen Punkte und Wegstrecken auf der Karte beschreiben. Zum Beispiel: „Auf der Karte liegt das topographische Zeichen für die Alte Oper Frankfurt zwischen dem Zeichen für die Bockenheimer Warte und dem Zeichen für die Hauptwache.“ In verallgemeinerter Schreibweise: Der Punkt B liegt zwischen den Punkt A und C oder B (A R C), wobei R die Relation „liegt zwischen X und Y“ bezeichnet. Natürlich gilt: Wenn B zwischen A und C liegt, liegt B auch zwischen C und A: B (C R A).

Wir bemerken: In dem Satz „Die Alte Oper Frankfurt liegt zwischen der Bockenheimer Warte und der Hauptwache“ oder dem sinngleichen Satz „Die Alte Oper Frankfurt liegt zwischen der Hauptwache und der Bockenheimer Warte“ liegt der sprachliche Ausdruck „Alte Oper Frankfurt“ NICHT zwischen den sprachlichen Ausdrücken „Bockenheimer Warte“ und „Hauptwache“, wie auf der Karte das topographische Zeichen für die Alte Oper Frankfurt in der Tat zwischen dem Zeichen für die Bockenheimer Warte und dem Zeichen für die Hauptwache liegt. Der Sinn des Satzes, der den Sinn der topographischen Zeichen auf der Karte exakt wiedergibt, bildet die Struktur der topographischen Zeichen nicht ab. Daraus folgern wir: Sätze sind nicht in einem intuitiv verständlichen Sinne Bilder der Sachverhalte und Tatsachen, die sie zu verstehen geben.

Wir stoßen bald noch auf einen anderen wesentlichen Unterschied zwischen der topographischen und der semantischen Projektionsmethode: Auf der Karte entsprechen die Streckenlängen zwischen dem topographischen Zeichen für die Alte Oper Frankfurt und dem Zeichen für die Bockenheimer Warte und zwischen dem topographischen Zeichen für die Alte Oper Frankfurt und dem Zeichen für die Hauptwache den wirklichen Wegstrecken zwischen der Alten Oper Frankfurt und der Bockenheimer Warte beziehungsweise der Hauptwache. Wir erreichen diese Proportionalität mittels der Projektion gleicher Strecken auf der Karte für gleiche Strecken in der Realität.

Aus dem Satz „Die Alte Oper Frankfurt liegt zwischen der Bockenheimer Warte und der Hauptwache“ kann ein Ortsunkundiger nicht ablesen, wie groß die gemeinten Abstände in der Realität sind – im Gegensatz zu der Möglichkeit, die Streckenlängen auf der Karte unmittelbar abzulesen. Dem Satz zufolge könnte die Alte Oper näher an der Bockenheimer Warte oder näher an der Hauptwache liegen, als sie es in Wahrheit tut. In Wirklichkeit liegen unbegrenzt viele Punkte auf der Punktgeraden oder unendlich viele Zahlen auf dem Zahlenstrahl, wenn wir die gemeinte Strecke auf der Punktgeraden oder dem Zahlenstrahl abtragen.

Wir können die topographische Lage nur spezifizieren, wenn wir mit den üblichen Messskalen und Metriken operieren und etwa sagen: Die Alte Oper liegt auf der Strecke zwischen Bockenheimer Warte und Hauptwache so und so viele Meter von der Bockenheimer Warte und so und so viele Meter von der Hauptwache entfernt.  Wir können zur Ortsbestimmung auch die Längen- und Breitengrade oder die GPS-Daten als Koordinaten benutzen: Nur so gelingt uns eine Objektivierung der Aussage. Nur auf diese Weise unterfüttern wir unsere Meinung, der Eigenname Alte Oper verweise auf einen ganz bestimmten Ort auf dem Globus, mit dem Wissen, dass der Eigenname Alter Oper auf einen ganz bestimmten Ort auf dem Globus verweist und somit eine ziemlich genaue Bedeutung hat.

Unzählbar viele Gegenstände jedweden Typs von Gegenstand, wie Atome, Moleküle, Zellen, Sandkörner, Kieselsteine, Stühle, Sterne, Zahlen, Buchstaben, lautlich oder schriftlich wiedergegebene Wörter und Sätze, liegen in unserer Welt und in dem System unserer Erfahrung – wozu neben dem Gesichtsraum und allen Sinnesdimensionen natürlich auch die physikalisch-chemische Welt gehört – zwischen irgendwelchen anderen Gegenständen. Das Prädikat, das die Relation „liegt zwischen X und Y“ ausdrückt, nennen wir wegen dieser Allgemeinheit seiner Anwendung einen generellen Term.

Dagegen reservieren wir für einen Eigennamen wie „Alte Oper Frankfurt“ den exklusiven Gebrauch für nur einen Gegenstand in unserer Welt und in dem System unserer Erfahrung. Wegen dieser Singularität der Verwendung des Eigennamens nennen wir ihn einen singulären Term.

So können wir sagen: Sätze sind das freie Spiel der Kombinatorik von singulären und generellen Termen – freilich mit der Einschränkung, dass nur Kombinationen zwischen ähnlichen Typen von singulären Termen und entsprechenden Kategorien von generellen Termen zugelassen sind. Verstoßen wir gegen diese Regel und sagen oder schreiben Sätze wie „√2 leuchtet grün“, teilen wir einander nichts mit und das heißt, wir reden Unsinn. Aber wir können sagen: „Die Alte Oper Frankfurt liegt nicht zwischen der Bockenheimer Warte und der Hauptwache“ und hätten damit durchaus etwas Sinnvolles gesagt: Denn singuläre Terme für räumliche Gegenstände wie Gebäude gehören zu dem Typus von singulären Termen, die wir mit dem generellen Term des Relationsausdruck „liegt zwischen“ verbinden dürfen. Diese Freiheit ist aber in diesem Falle gleichsam unnütz und vertan, denn der Satz ist falsch.

Könnten wir die komplizierte Bedeutung von Eigennamen nicht umgehen und einfach das mit den Namen Gemeinte durch eine Beschreibung oder eine hinreichend lange Liste von Beschreibungen ersetzen, die uns keinen Zweifel mehr lassen, um welchen Gegenstand es sich handelt? Dann wären wir fein aus dem Schneider, denn weil wir mittels genereller Terme beschreiben, hielten wir einen schlanken Generalschlüssel zum Aufschluss und zur Analyse von Sätzen in Händen, weil wir nur noch einen Typ von sprachlichen Termen benutzten, die wir an die Quantoren (x) und ∃ mittels Konjunktionen anfügten.

Warum stoßen wir hier an eine Grenze? Wollten wir den Eigennamen Alte Oper Frankfurt durch die Beschreibung ersetzen: „Das monumentale Bauwerk, auf dessen Architrav die geflügelten Worte des Dichters Goethe ,Dem Wahren Schönen Gutenʿ eingraviert sind“, hätten wir keinen eindeutigen Referenten in der Hand – denn alle Abbildungen, abertausende Fotos, tausende Gemälde, Stiche und Zeichnungen zeigen dieses monumentale Bauwerk mit den geflügelten Worten des Dichters Goethe „Dem Wahren Guten Schönen“.

Wir sehen: Genauso wenig Sätze Bilder und Abbilder der Gegenstände, Sachverhalte und Tatsachen darstellen, die sie meinen oder bedeuten, genauso wenig können uns Bilder der Gegenstände, Sachverhalte und Tatsachen die Originale der Gegenstände, Sachverhalte und Tatsachen ersetzen, deren Abbild sie sind. Die Namen und Eigennamen indes beziehen sich eben auf diese „Originale“ in unserer Welt – daher sind sie uns unentbehrlich.

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