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Logische Schneisen III

18.01.2014

Aussagen, die du über deine augenblicklichen Empfindungen und Sinneswahrnehmungen machst, zum Beispiel: „Ich sehe in dieser Ecke einen roten Fleck“, sind evident – auch wenn du einer Täuschung unterlegen sein solltest und im physikalischen Sinne in jener Ecke kein roter Fleck ist, also von dort keine Lichtfrequenzen ausgestrahlt werden, die du als roten Fleck wahrnimmst. Die Evidenz wird klar, wenn du Sätze über deine Empfindungen und Wahrnehmungen mit „Mir scheint, dass p“ formulierst. Sätze dieser Art sind stets wahre Aussagen, und wenn du sie mit Datum und Ortsangabe versiehst, dann sind es wahre Sätze mit zeitlich und räumlich uneingeschränkter Geltung.

Der Satz „Ich glaube, dass der Mond aus Käse besteht“ ist ein wahrer Satz über deinen Bewusstseinszustand des Glaubens, während der Satz „Der Mond besteht aus Käse“ ein zwar sinnvoller, aber falscher Satz über die Beschaffenheit unseres Erdtrabanten darstellt.

Die Konjunktion „Der Mond besteht aus Käse und ich glaube nicht, dass der Mond aus Käse besteht“ ist nicht falsch, aber unsinnig – denn du kannst nicht sinnvoll den Inhalt deines Für-wahr-Haltens negieren, also nicht für wahr halten.

Sonnvolle Sätze mit Behauptungscharakter sind entweder wahr oder falsch; sinnlose Sätze sind nicht einmal falsch.

Der eine findet den vergrabenen Schatz auf der Insel anhand eines typographisch genauen Lageplans; der andere anhand einer minutiösen sprachlichen Beschreibung – man kann sagen, dass die Bedeutung dieser beiden Darstellungen identisch ist. Daraus folgt, dass ein und dieselbe Bedeutung in unterschiedliche Darstellungsmedien transformiert oder in unterschiedlichen Darstellungsmedien modelliert werden kann, ohne dass die Bedeutung, der Inhalt der Mitteilung und Darstellung, modifiziert würde.

Die Bedeutung von Wörtern ist die Permutation aller sinnvollen Sätze, in denen sie vorkommen können.

Weil die Permutation der Wörter in all den sinnvollen Sätzen, in denen sie vorkommen können, unendlich ist, ist die Identität der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke nicht vollständig definiert und abgegrenzt. Das ist nichts als der Reflex der trivialen Wahrheit, dass Sprache im Dienst des Lebens steht. Ein Rest von Vagheit bleibt. Aber damit können wir leben – sc. sprechen.

Das Bewusstsein ist eine Funktion, in der beliebige Erlebnisinhalte als Werte der Variable eingesetzt werden können – und immer resultiert ein wahrer Satz.

Wir können uns zwar eine Welt und also eine Welt des Bewusstseins denken, in der es keine Farben hat, aber keine Welt, in der ein Rotton als grünlich spezifiziert würde. Die Klassifikation der Farben liegt gleichsam im logischen Raum.

Aufgrund verfehlter Analogien gerätst du in die Fallstricke falscher oder unsinniger Fragestellungen. Du hältst einen des Bewusstseins gänzlich ermangelnden physischen Gegenstand wie einen Stein neben die psychische Tatsache, dass sich all deine Erlebnisse wie konzentrische Kreise um den Mittelpunkt deines Ego ordnen – und stolperst prompt in die Frage, wie denn die eine Tatsache mit der anderen zusammenstimmen könne, wie ein Kontinuum die Welt des Toten und die Welt des Lebendig-Bewussten verknüpfend durchziehen könne. Du bist vollends verstrickt mit der Frage, wie sich aus der Welt bewusstloser physischer Objekte die Welt erlebniszentrierter Egos zu entwickeln vermöchte. Und weiter ins Gestrüpp: Mittels welcher evolutionärer Mechanismen könne dies wohl geschehen sein, oder handele es sich um unüberbrückbare Seinsweisen, und das Bewusstsein wäre am Ende ein unerhörtes, mein  und dein Bewusstsein quälendes Rätsel im Reich des Unbewussten?

Wir unterscheiden: Erstens triviale, unproblematische Begriffe oder Alltagsbegriffe, die wir fraglos und problemlos verwenden: „Bring uns doch zwei Stück Kuchen vom Bäcker mit“ oder „Übermorgen nehmen wir den Zug nach Wien“ – unser Alltagsverstand und unser Schulwissen reichen aus, um Begriffe wie „zwei Stück“ oder „Wien“ zu definieren oder zu beschreiben.

Zweites gibt es extrem viele nichttriviale, unproblematische Begriffe, die wir nur so obenhin und so lala gebrauchen wie Quarks, Quantenrechner, Photonenstrahl, Ionisation, aber auch Molekül, Boson, Kristall, DNA, Quasar oder Perm und Karbon oder auch Zahl, Reihe und Menge, deren exakte Definition und Beschreibung ein hohes Maß an Expertenwissen erfordern. Wir gebrauchen sie aber meist ohne Not und Gewissensbisse, weil wir, in Bedrängnis geraten durch unleidliche oder neugierige Zeitgenossen mit ihren zudringlichen Fragen, immer irgendwo einen Experten auftreiben können, der uns aus der Klemme hilft.

Drittes haben wir uns an den unbefragten Gebrauch nichttrivialer, aber sinnloser Begriffe gewöhnt, Rudimente und Sedimente untergegangener und verschütteter Mythologien wie Urstoff, Materie, Lebenskraft, Äther, Gleichzeitigkeit oder Reflexe epidemisch virulenter zeitgenössischer Ideologien wie Phallozentrismus, Alterität, Dekonstruktion, die wir bloß ironisch oder gelegentlich poetisch verwenden oder aus unserem Wörterbuch streichen sollten.

Viertens verwenden oder stoßen wir auf wenige triviale, aber problematische Begriffe, die wir Grundbegriffe, Basisbegriffe oder apriorische und axiomatische Begriffe nennen wie Ich, Selbst, etwas, Gegenstand, Körper, Raum-Zeit, Bewusstsein, Sprache, Bedeutung, Sinn, Wahrheit und Falschheit. Sie sind trivial, weil wir sie umstandslos verwenden, problematisch aber, insofern wir ihre Definition und Erklärung nicht auf Anhieb angeben können, auch wenn wir zurecht das vage Gefühl haben, dass ohne sie das System unserer Erfahrung augenblicks zusammenbrechen würde. Sie fungieren nämlich gleichsam als Gelenke des gesamten Systems der Erfahrung, durch welche der Gebrauch aller anderen Begriffe mit Sinn, Gehalt und Struktur begabt und versehen wird.

Vernunft ist die Harmonie, die konsistente und kohärente Anwendung, der logischen Grundbegriffe und logischen Grundsätze wie des Satzes der Identität oder des Satzes vom Widerspruch auf das gesamte System unserer Erfahrung. Die Vernunft ist die Ordnung unserer Erfahrung gemäß den logischen Grundbegriffen und Grundsätzen.

Die Vernunft kann sich und ihr Gegenteil, den Wahnsinn, umfassen und erklären, nicht aber umgekehrt – der Wahnsinn steht fassungslos vor der Vernunft.

Logische Grundbegriffe und Grundsätze begrenzen den logischen Raum von innen – sie bilden eine Art Muster, das in den nach ihm gemodelten und gefertigten Einzelstücken, den einzelnen Sätzen, exemplifiziert wird.

Die basale Exemplifikation des Begriffs etwas oder Gegenstand ist der Körper.

Wir reden gewöhnlich nicht von Gegenständen als von Körpern, sondern sagen etwas über diesen Tisch, deinen Fuß, mein Fahrrad oder die Tatsache, dass es regnet. Aber in all solchen Sätzen haben wir die Regeln über die korrekte Verwendung der Grundbegriffe und Grundsätze in unserem System der Erfahrung mit Körpern vorausgesetzt und exemplifiziert. Wir wissen, dass Körper im trivialen Sinne mit gewissen phänomenalen Eigenschaften wie Festigkeit, Plastizität, Starre oder Dehnbarkeit, mehr oder weniger genauen Grenzen, Größe, Gewicht, Farben usw. in unserem Wahrnehmungsraum auftauchen, verharren, sich bewegen, verschwinden.

Wir wissen aber auch, dass Körper physikalische Eigenschaften haben, die in unseren Wahrnehmungsraum sich nicht vollständig einfügen und darin nicht vollständig erfassen lassen, wie die relative Konstanz ihrer Dingform. Wir erwarten zurecht, dass der Hund, der jetzt hinter dem Gebüsch aus unserem Sichtfeld verschwunden ist, gleich wieder aufkreuzen wird, und gehen nicht davon aus, dass er in der Zwischenzeit seiner Unsichtbarkeit für uns sich in Luft aufgelöst und in unser Gesichtsfeld eintretend sich wieder materialisiert hat. Wir stopfen die Lücke in unserem Wahrnehmungsfeld mit der einfacheren Hypothese über die relative Konstanz des Körpers bei seinen Bewegungen durch die Raum-Zeit.

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