Liebe, laß uns reisen
Herbstliches Laub, noch glüht’s, die Sonne aber
fahlt, und früh weicht sie den Schatten. Wir zögern,
wenn ein loses Blatt uns auf die Schulter fällt,
und atmen scheu den Fäulnisodem ein,
der aus den Gärten dringt, wo Quitten noch
wie gelbe Lampions ins Zwielicht flackern
und Birnen, von Pigmenten schwarz gefleckt,
Gekrächz und Hieben krummer Schnäbel harren.
In morscher Angel ächzt die Kirchhoftür,
und heißer Docht umknistert kalten Schlaf.
Der späten Garben nebelblasse Ballen
sind wie verlorene Fracht vorbeigeschwommen.
Wir gehen durch den Forst, nur Schimmer Taus
sagt uns, daß einmal Tag gewesen ist,
kein Zwitschern weiß vom hohen Blau des Himmels.
Wie Hermes scheinst du mich zum Strom zu leiten,
sein Rauschen ruft schon jenem Chore gleich,
der einst dem Blinden in Kolonos Licht
der Hoffnung auf Entrückung hat gespendet.
Geh, Liebe, du voran, ich habe Angst,
zu straucheln und den Pfad nicht mehr zu finden
in diesem Irrsal wild-verworrenen Lebens.
Seh ich den Abendstrahl im Haar dir glimmen,
die Anmut deines Gangs die Schilfe streifen,
ist mir, ein Band hält mich, wenn rings die Leere
hinabgraut, wo kein wahres Bild mehr blüht.
Und wendest du dich um, sagt mir dein Auge,
sagt mir sein feuchter Glanz, wir sind am Ziel,
hier ist das Ufer, seufzt schäumend auf die Welle,
harrt unsrer letzten Fahrt ein leichtes Boot.
O laß uns reisen, Liebe, laß uns reisen,
uns wiegen vom Geschluchze weicher Wasser.
Wir fragen nicht wohin und nicht wie weit,
nicht, ob der bleiche Mond der Fährmann sei,
nicht, ob sein Strahl ans fremde Eiland reiche,
wo Ahnengeister lächelnd uns erkennen.
Laß, Liebe, uns wie schon vergessene Blumen
die Knospen unterm Mond noch einmal öffnen,
daß milder Duft um unsern Abschied sei.
O laß uns reisen, Liebe, laß uns reisen.
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