Kleines, leises Gewese
Chinesischer Garten, Bethmannpark, Frankfurt am Main
„Wie das Leben tut …“
Deine Flauschlinge leuchten im Dämmer
an den roten Schnäbeln.
Die klappen sich auf zu stummem Lamento,
wenn das Muttertier
mit der Wärmeumfiedrung pausiert.
Weithin vernimmst du Jammern,
wenn eins zu kühn für hohe See
sich ans Sandsteinufer des Teiches gerettet.
Kommt endlich das Alttier gerudert,
verebbt das Fiepen gleich bei der Ankunft,
erstirbt im Gruß-Geschnäbel.
Ihr Hort, die Wasser- und Felsenburg:
eine enge Höhlung im Tuffstein,
die der freundliche Gärtner gemeißelt.
Dort kriechen die Wasserhühnchen
unter die Flügel der Alten.
Eines lugt schlaflos ins Freie –
das Wasser schwappt
unter den schwanken Tellern der Rosen
vom braunen Glucksen schlammiger Wälse.
Es reckt sich und watschelt herab,
aus der grünen Feuchte zu trinken.
Ein Geschwister tut es ihm nach,
und gemeinsam plätschern sie
um das hohe Riff, den erhabenen Ort
ihres Werdens, Wachsens und Lernens.
Hier nämlich lernen sie, zu sein
und im Leben zu bleiben,
die Wärme der Liebe und die Kälte
von Feindschaft, hoch rüttelnder Fährnis.
Bis die Alten sie scheuchen, verstoßen,
auf dass sie solo picken und nisten.
Jetzt aber wackeln sie wieder munter
auf grünen Füßen zurück ins Nest,
das Muttertier stopft ihre Mäulchen
mit sanftem Gepicke.
Über all dem kleinen, leisen Gewese steht,
steht und steht,
über dem äußersten Giebel des Tempels
ein Geist,
der graue Reiher,
der große Schamane in Trance.
Da: Er spreizt ganz sacht das Gefieder
dem ersten Wehen
der allbezwingenden Nacht.