Impressionen aus Alt-Metternich
Schwarzer Glanz der geschichteten Schollen,
das blutige Geringel durchhauener Mollusken,
Würmer und Egel und die mit einemal rutschen
vom glänzenden Spaten, die wandernden Schnecken.
Der Mond lebte für sich in einer anderen Welt
und hat uns besucht, je nach Laune in andrer
Gestalt, manchmal gab er uns die Ehre und protzte
mit dem leuchtenden Kugelwanst des Dionysos.
Im Winter war es hell um Mitternacht, wenn Schnee
den Kirchenvorplatz vermummt und die müden Arme
der Linde bandagiert hat, das diffuse Licht der Gaslaternen
hauchte den Kristallen eine mondhafte Aura ein.
Im späten Frühjahr wurde der Tag heller, klebriger,
die weißen und roten und gelben Blütenblätter
sausten, wirbelten umher, und in den Nischen
der Fensterbänke, im Haar der Kinder blieben sie hängen.
Schwer und dumpf wühlte die Totenglocke in der Luft,
warf pflügend den steinigen Acker der Trauernden auf,
da wußte Großmutter, die alte Liesbet ist nicht mehr,
wir steckten ihr ein Bukett aus Tannen, Nelken, Veilchen.
Oben auf den Ballen Heus und Strohs lagen die Bauerskinder,
das Kaltblut brauchte keine Peitsche, um heimzufinden,
wir reckten uns aus dem Fenster im ersten Stock
und konnten die ausgestreckten Hände mit Juchhe abklatschen.
Doch im Vorgarten des eigenen Hauses lag hingestreckt
auf die Primeln Heinrich, den sie „Schönhals“ riefen,
denn sein langer Hals war ein schiefer Turm, oder auch
„Frauenschuh“, wie die Blume, lag im kalten Morgentau,
ausgesperrt von der holden Gattin, als er mehr als beschwipst
wankte vom Moselfest zurück, wo er die Winzermädchen
mit dem kupferhellen Vibrato seiner Chansons entzückte,
neben ihm mauzte die rostgefleckte Katze.
Festlich war der Klang und leuchtend ihr Akkord,
wenn die Glocken zum Hochamt riefen, Glocken
der alten heiligen Namen, schon zogen feierlich mit steilem Hut
und bimmelnden Maiglöckchen am Revers die Männer,
mit wulstigen Hauben, wogenden Röcken und seidigen Westen
die Frauen, den Sinn des Lebens zu kosten, aber
die Kinder trippelten daneben und fanden noch Butterblumen
und Vergißmeinnicht zwischen den Wackersteinen,
oder eine Murmel glänzte, wo sie gestern geklickert,
in der fein geplätteten Kuhle, oder es hockte darin zersaust
der Flaumknäuel eines Zeisigs, der nach der Mutter fiepte.
Aus dem offnen Portal schwappte eine fette Wolke von Orgeltönen.
Der Pfarrer drückte nach der Messe einem jeden die Hand,
als gäbe er den Segen für das wilde Leben außerhalb des göttlichen Schiffs,
wo es zwischen den Dämmerwogen der Gärten unter hohen Kirsch-,
Apfel-, Nußbäumen sich verlief, bei den Beerenbüschen Schatten suchte
oder die Lieben, die Tage, die Toten zählte an den gerupften
Blättern der Margerite, den verwehten der Hortensie,
bis der Krokus des Himmels über dem Eifelfeld verblaßte und
wilde Feuer es wie Kastanien reiften zu herbstlichen Liedern.
Lag dort der greise Johann auf der Holzpritsche im Sterben,
war in der Nische des Fensters ein kleiner Altar geschmückt,
zwei Vasen mit Anemonen und Astern, eine Pietà, fein geschnitzt
aus Elfenbein oder Ahorn oder Eibe, und der warme Schein
von Kerzen fleckte über das weiße Linnen wie späte Sonne
die Erinnerung an tiefere Stille. Strich der Priester den Chrisam
über Stirn und Hände, hatte der Sterbende den guten Proviant erhalten,
ründeten sich seine weißen Lippen schon, einen letzten Kuß zu sagen.
Aber denen der Wind frische Lebensbotschaft stob ins Haar,
den Kindern am Moselufer oder auf dem Kimmelberg, sie zogen,
es zischten die Zungen, ihre bunten Drachen, die wie übermütige Geister
das Offene suchten und in die blauen Abgründe der Wolken zerrten.
Dem leise verklingenden Gold der Abende war die Heimkehr
bestimmt, wenn die rissigen Schuhe mit den irdenen Klumpen
unter dem gußeisernen Ofen schliefen und die Träume wie feiner Sand
und Flocken durch die offenen Fenster der Sommernacht stäubten.