Hier und jetzt
Marginalien zur Philosophie des Bewußtseins
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Aus der möglichen Tatsache oder Annahme, daß die Straße nicht naß ist, folgern wir die Annahme, daß es nicht regnet.
Freilich gilt: Regnet es, werden wir naß. Nicht aber: Wir sind naß, demnach regnet es (wir könnten uns gerade duschen). Aber: Wir sind nicht naß, also duschen wir nicht. Doch ist der Schluß von der Annahme, daß wir nicht duschen, auf die Folgerung, daß wir nicht naß sind, ein laienhafter Fehlschluß (wir könnten ohne Schirm im Regen herumlaufen).
Aus der Aussage „Die Rose ist rot“ folgt die Aussage „Also ist sie nicht weiß“; aber aus der Aussage „Die Rose ist nicht weiß“ folgt nicht, daß sie rot ist.
Aus der Aussage „13 ist prim“ folgt die Aussage „Also kann sie nicht in Faktoren zerlegt werden.“ Ebenso: Aus der Tatsache, daß eine Zahl nicht in Faktoren zerlegt werden kann, folgt, daß sie prim ist. Hier handelt es sich um die schlichte Identität der Bedeutungen qua Definition.
Solche typischen Schlußformen im Modus ponens und Modus tollens gelten ungeachtet der Bedeutungen der eingesetzten Wörter, maßgeblich sind nur ihre Definitheit und Identität in Prämissen und Folgerungen: Wenn p, dann q; es sei p: also q. Wenn nicht q, dann nicht p; es sei nicht q; also nicht p.
Wenn wir eine mathematische Gleichung lösen oder uns an die gestrige Begegnung mit unserem Freund erinnern, sagen wir, wir sind uns der Rechenschritte und des Vorgangs der Erinnerung bewußt.
Aber heißt dies mehr als die triviale Aussage, wir könnten, gefragt, was wir gerade tun, darüber Auskunft geben, daß wir rechnen oder uns an etwas erinnern?
Wir waren uns des Rechenfehlers bei der Lösung der Gleichung und der Tatsache, daß wir unseren Freund nicht gestern, sondern vorgestern getroffen hatten, nicht bewußt.
Aber heißt dies mehr als die triviale Aussage, wir könnten, gefragt, was wir da tun, keine Auskunft darüber geben, ob die Rechnung korrekt und die Erinnerung mit den Tatsachen übereinstimmt?
Aus der Tatsache unserer Erinnerung folgt trivialerweise nicht die Tatsache dessen, woran wir uns erinnern.
Sich einer Sache bewußt zu sein, impliziert kein Wissen von ihrer Faktizität.
Bewußtsein birgt kein internes Kriterium des Wahren oder Falschen.
Es gibt kein reines Bewußtsein, es sei denn als philosophische Chimäre; ebensowenig ein reines Denken oder Denken des Denkens.
Wir finden kein internes Wahrheitskriterium für den Unterschied zwischen den Aussagen „Ich denke“ und „Ich träume“.
Oft ist der Gebrauch des Adverbs „bewußt“ ein rhetorisches Beiwerk, das Wort nichts als ein semantisches Füllsel. Denn statt zu sagen: Wir sind uns der Tatsache bewußt, daß wir rechnen, können wir auch schlicht sagen: Wir führen die Rechnung aufmerksam, sorgfältig oder konzentriert aus.
Allerdings können wir sagen: Wir haben die Rechnung nicht mit voller Aufmerksamkeit ausgeführt (und deshalb ist uns ein Fehler unterlaufen). Daraus folgt, daß die mentale Eigenschaft, die wir mit den Wörtern „bewußt“ oder „Bewußtsein“ meinen, Grade der Abstufung, der Steigerung oder Minderung, zuläßt.
Hier greifen wir (und das war unser philosophisches Ziel) den logich-semantischen Unterschied zwischen einem Wort wie „naß“, „rot“ oder „prim“ und dem Wort „bewußt“.
Wörter wie „naß“, „rot“ oder „prim“ bezeichnen Eigenschaften materieller oder geistiger Objekte wie Straßen, Blumen oder Zahlen, die wir problemlos in die benannten logischen Argumentformen wie Modus ponens und Modus tollens einbauen dürfen, denn ihre Bedeutungen können wir auch bei Verwendung in unterschiedlichen sprachlichen Ausrücken und Kontexten wie Prämissen und Folgerungen als durchgehend konstant ansetzen. Die Eigenschaften materieller und geistiger Gegenstände können wir ihrerseits zu direkten oder intentionalen Objekten von mentalen Vorgängen wie der visuellen Wahrnehmung, der Erinnerung oder mathematischer Berechnung machen, die wir mit einem höheren oder geringeren Grade des Bewußtseins, der Aufmerksamkeit und Konzentration vollziehen.
Aus dem hohen Grad der Aufmerksamkeit, den wir bei einer visuellen Wahrnehmung, einer Erinnerung oder mathematischen Berechnung aufwenden, folgt nicht, daß sie korrekt sind; wir können einer optischen Täuschung erliegen, einer Verwechslung der Identität einer erinnerten Person zum Opfer fallen oder einen Rechenfehler begehen: Die logischen Gesetze, wie wir sie bei der Verwendung von Wörtern wie „naß“ „rot“ oder „prim“ im Modus ponens und Modus tollens vorfanden und die auf der Definitheit und Identität ihrer Bedeutungen in Prämissen und Folgerungen beruhen, gelten im Kontext intentionaler Begriffe wie „wahrnehmen“, „sich erinnern“ und „berechnen“ nicht.
Die Person, die wir gesehen zu haben glaubten, war nicht unser Freund, sondern jemand, der ihm ähnlich sah. Wir vermeinten zu sehen, daß die Straße naß war; aber das Feuchtigkeit suggerierende Glitzern auf der Fahrbahn resultierte aus einer optischen Täuschung. Die semantische Vagheit, Zweideutigkeit und Unbestimmtheit der Begriffe, die wir in intentionalen Kontexten verwenden, ist für mentale Vorgänge, die wir bewußt nennen, konstitutiv. Wir können sie nur ausräumen oder minimieren, wenn wir sie externalisieren, beispielsweise unsere Erinnerung anhand der Befragung unseres Freundes bestätigen oder wie in diesem Falle falsifizieren. – Solche Formen der Externalisierung und Objektivierung von Erinnerungen bilden die Vorstufe und Vorschule für die Entwicklung einer Historiographie, die darauf Anspruch erheben kann, wissenschaftlich fundiert zu sein.
Die rote Rose befindet sich etwa zwei Meter von uns entfernt; der Roteindruck, den sie uns übermittelt, aber ist nicht in demselben Abstand vor uns lokalisierbar, er befindet sich auch nicht unmittelbar vor unserem angeblichen geistigen Auge und schon gar nicht in unserem Gehirn; denn dort finden wir wohl Nervenfasern und Synapsen, denen wir die Erzeugung von Farbeindrücken kausal zuordnen, aber eben keine Farbeindrücke.
In dem Sinne, in dem wir Gegenständen mit objektiven Eigenschaften wie naß oder rot, beispielsweise Straßen und Rosen, einen wohldefinierten Ort in einem geeigneten Koordinatensystem zuweisen, können wir mehr oder weniger bewußten Zuständen wie einem Farbeindruck keinen wohldefinierten Raumpunkt oder Ort zuweisen.
Wir hören, wie der Hörnerklang im Tal verhallt; aber es wäre unsinnig zu sagen, wir hören, wie der Klang in unserem Ohr, unserem Schädel, unserem Innern verhallt.
Einer Rose sprechen wir die auch bei wechselnden Lichterverhältnissen konstante Eigenschaft zu, rot zu sein, während unsere Fähigkeit, ihre Farbe zu bestimmen, je nach den Umständen variiert, denn der Farbenblinde versagt zur Gänze, wer mit dem Ausruf „Schön!“ antwortet, hat den Sinn der Aufgabe nicht verstanden, und wer „Lila“ sagt, ist wahrscheinlich der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig.
Natürlich kann die Straße noch teilweise trocken sein, wenn es zu regnen beginnt; aber dort, wo Regen fiel, ist sie eben naß.
Dagegen können wir uns des Rechenfehlers, der uns unterläuft, auch wenn wir verbissen, angestrengt und konzentriert rechnen, nicht im mindesten bewußt sein; oder uns beschleicht, während wir rechnen, das mulmige Gefühl, daß da irgendetwas nicht stimmt.
Rechengenies vermögen komplizierte Rechnungen in großer Geschwindigkeit auszuführen, ohne daß sie sich jedes Schritts und Zwischenschritts vollständig bewußt sind; doch gefragt, wie sie eine bestimmte Multiplikation vollzogen haben, können sie rückblickend beispielsweise auf die Faktorzerlegung bestimmter Zahlen verweisen.
Die Tatsache, daß wir nicht naß sind, impliziert die Tatsache, daß wir nicht ohne Schirm im Regen spazierengehen; aber aus der Tatsache, daß wir uns nicht aller Rechenschritte bewußt sind, folgt nicht die Tatsache, daß wir nicht gerechnet haben.
Der Handballspieler legt mit dem raschen Aufschlagen des Balles und der tänzerischen Pose, mit der er ihn im gegnerischen Tor plaziert, ein Bravourstück aufs Parkett; er wüßte auf Nachfrage allerdings nicht anzugeben, wie oft er den Ball aufgeschlagen oder wie oft er sich abrupt vom Gegner weggedreht hat; doch dieser Mangel des Bewußtseins seiner Einzelaktionen macht ihn noch nicht zum Schlafwandler. – Ertönte dagegen der Pfiff des Schiedsrichters, weil er den Gegenspieler regelwidrig angerempelt hat, wäre er der Situation und seiner daraus folgenden Verlegenheit in hohem Grade bewußt.
Bewußtsein sprechen wir jemandem zu, der halb wach, halb träumend sich vom Strom der Passanten mitreißen läßt und auf den unvermuteten Zuruf seines Namens „Hier!“ oder „Hier bin ich!“ ausruft; ebenso jemandem, der an die Tür seines alten Freundes klopft und auf die Frage „Wer da?“ mit „Ich“ antwortet.
Der mit seinem Namen Angerufene schaut sich nach dem Rufer um; der Gefragte weiß, daß der Freund ihn an seiner Stimme erkennt.
Bewußtsein ist die Eigenschaft des biologisch primären Merkfeldes, auf das jemand mit den Ausrufen „Hier!“, „Hier bin ich!“ oder „Ich“ hinweisen kann. – Es ist nicht unmittelbar identisch mit dem primären Merken und Selbstempfinden, sondern zeigt sich in der Fähigkeit, auf dieses hinzuweisen.
Mit Ausrufen wie „Hier!“ oder „Hier bin ich!“ verweisen wir auf eine spezifische und singuläre Position, die sowohl durch räumliche und zeitliche als auch soziale Koordinaten angegeben oder individualisiert werden kann.
Der Hund, dem sein Herrchen seinen Namen „Fips!“ zuruft, springt auf und läuft ihm freudig entgegen; aber der Hund weiß nicht, daß „Fips“ sein Name ist; und wenn in der Plauderei zwischen seinem Besitzer und dessen Freund von „Fips“ die Rede ist, glaubt der Hund nicht, daß von ihm die Rede ist, und er wird aufgrund dieses Ereignisses weder verlegen sein noch von Stolz geschwellt.
Die Äußerung und der mit ihr verknüpfte Gedanke „Dort bin ich nicht!“ (wenn der Freund versehentlich an der Tür des Nebenraumes anklopft) beruhen auf der Umwandlung der primären Äußerung „Hier bin ich!“.
Könnte der Hund sprechen, vermöchte er auf den Zuruf seines Namens nicht zu antworten „Hier bin ich“; denn auch ihre Umwandlung in die Äußerung und den mit ihr verknüpften Gedanken „Dort bin ich nicht!“ (beispielsweise, wo sein Herrchen im Büro vor dem Bildschirm sitzt) könnte er nicht vollziehen.
Natürlich verfügt der Hund wie jedes mit einem ausreichend differenzierten Nervensystem ausgestattete Tier über ein leiblich bedingtes primäres Merk- und Orientierungsfeld, in den meisten Fällen auch über ein instinktiv geprägtes Wissen von seiner sozialen Position wie beispielsweise vom niederen Rang in einer Gruppe oder Herde. Doch bleiben diese Formen des primären Merkens und instinktiven Wissens gleichsam anonym und vorsprachlich – im Gegensatz zur Leibgebundenheit des menschlichen Merkens und Wissens, wenn wir davon ausgehen, daß die leiblich-geistige Struktur von Homo sapiens auf die Möglichkeit und Fähigkeit angelegt ist, ich sagen zu können und den anderen als alter ego von sich abzugrenzen.
Wir können das, was wir mit den Äußerungen „Hier bin ich“, „Ich“ oder „Bewußtsein“ meinen, nicht in Aussagen zerlegen wie beispielsweise „Hier sind zwei Hände, zwei Arme, zwei Beine, ein Kopf und der ganze Rest“ oder „Hier ist ein menschlicher Körper“ oder „Hier ist ein Gehirn, das Gehirn steckt in einem Kopf, der Kopf auf einem Rumpf“ oder ähnliche; denn wir müßten zumindest von „meinen Händen“, „meinen Armen“, „meinen Beinen“, „meinem Kopf“ oder „meinem Körper“ oder „meinem Gehirn“ sprechen können; aber die Eigenschaft der „Meinigkeit“ meiner Gliedmaßen, meines Körpers oder meines Gehirns ist keine Eigenschaft meiner Gliedmaßen, meines Körpers oder meines Gehirns.
Ebensowenig können wir, was wir mit „Ich“ oder „Bewußtsein“ meinen, aus mentalen Strukturen wie dem Gedächtnis oder der Reflexion ableiten; denn wenn ich mich daran erinnere, gestern meinen Freund im Park getroffen zu haben, kann ich meiner Erinnerung nicht entnehmen, daß ich es war, der gestern im Park gewesen ist, noch könnte ich mich je im Spiegel erkennen, ohne vorab zu wissen, daß ich es bin, der in den Spiegel schaut.
Ebensowenig ist das Bewußtsein eine kausale Folge der Fähigkeit, „ich“ sagen zu können; ich sagen zu können ist vielmehr ein Indikator dessen, was wir Bewußtsein nennen. Andererseits können wir von einem Geisteskranken, der die Fähigkeit, in angemessener Weise von sich zu reden, eingebüßt hat, nicht annehmen, daß er im Vollbesitz dessen ist, was wir Bewußtsein nennen.
Wenn das Bewußtsein auch keine reine Funktion einer sprachlichen Fähigkeit darstellt, wie wir an vielen Phänomenen vorsprachlich-stummen Selbstempfindens und Bemerkens feststellen, bedürfen wir andererseits einer ausgewogenen sprachlichen Analyse der in diesem Feld verwendeten Begriffe, um zu verhindern, daß wir den semantischen Wald vor lauter exotischen und extravaganten Bäumen nicht mehr sehen.
Ist das Bewußtsein keine Resultante einer wie immer gearteten Reflexion, wirkt auch die Rede von einem präreflexiven Bewußtsein philosophisch ähnlich vage und irreführend wie die Rede von einem dem Bewußtsein infolge von Prozessen der Verdrängung unzugänglichen Unbewußten.
Können wir das Bewußtsein, wie leicht zugestanden, nicht mittels Formen der Reflexion erklären, gehen wir leer aus, wenn wir sie als unzulänglich streichen und das verbliebene Feld nicht positiv, sondern negativ als präreflexiv kennzeichnen.
Auch wenn wir auf den Zuruf „Wo bist du?“ mit „Hier!“ antworten, können wir daraus nicht schließen, das, was wir Ich und Bewußtsein nennen, sei an einem Ort auffindbar, dessen Koordinaten durch diejenigen unseres Körpers konstituiert seien; vielmehr besteht die Funktion des bewußten Daseins umgekehrt darin, die Möglichkeit zu eröffnen, von einem Hier und Dort, einem Vorher und Nachher, einem Gestern und Heute und Morgen, kurz den Dimensionen der erfahrenen Räumlichkeit und der erlebten Zeitlichkeit zu sprechen.
Hier und jetzt zu sein impliziert die Anwendung spezifischer Maßstäbe und Kriterien der Abschätzung und Ermessung der erfahrenen Räumlichkeit und der erlebten Zeitlichkeit, die nicht mit jenen der physikalischen Raum- und Zeitmessung identisch sind (auch wenn deren Entwicklung und Anwendung nicht ohne die ersteren aufgebaut und formalisiert werden könnten).
Unser Erfahrungsraum bemißt sich nicht nach Metern und Kilometern, sondern nach dem Grad der Erreichbarkeit oder Unzulänglichkeit der für unser Leben relevanten und bedeutsamen Gegenstände, Personen und Güter, ob es sich dabei nun um Werkzeuge, Lebensmittel, Nachbarn oder nahe und ferne Freunde handelt.
Unsere erlebte Zeitlichkeit bemißt sich nicht nach Sekunden, Minuten und Stunden, sondern nach dem Grad der Intensität, mit der wir die Dauer des Wartens, die Langeweile des Bummelns und Flanierens oder die halbe Ewigkeit des Bangens oder Schmerzerduldens erfahren.
Unser Lebensraum ist nicht jene Äußerlichkeit, von der wir unser Selbstsein als Innerlichkeit abheben könnten; sondern die uns betreffenden Dinge sind, ohne ihr Eigensein einzubüßen, immer auch Aspekte unserer selbst.
Unsere Lebenszeit ist nicht im Fahrplan des Verkehrsmittels verzeichnet, das wir erreichen wollen, um unserem Freund wie verabredet einen Besuch abzustatten, sondern eröffnet sich uns in der Ungeduld, mit der wir die Ankunft des Zuges erwarten, oder der Kurzweiligkeit der mit dem Freund gepflegten Unterredung.
Wir wissen, daß wir in längerer oder kürzerer Frist nicht mehr da sein werden, und diese unumstößliche Tatsache, unsere Lebenszeit als eine Frist hinnehmen zu müssen, taucht alles, was wir tun und denken, fühlen und sagen, in ein Zwielicht aus Beunruhigung und Besorgnis, dem wir vergeblich im ruhigen Lampenlicht der Lektüre oder dem grellen Scheinwerferlicht des Unterhaltungsbetriebs zu entfliehen suchen.
Die Spinne weiß nicht, daß ihr Netz bald vom Sturmwind herabgerissen wird, der Storch nicht, ob er nach der großen Reise seinen Nistplatz und seinen Partner wiederfinden wird, wir aber wissen mit der Weisheit Salomos, daß unsere Werke auf Sand gebaut und unsere Worte weniger sind als das Seufzen des Winds.
Hier ist nicht der Ort, dem religiösen Heilssinn nachzuspüren. Sind uns aber die großen Heilsversprechen der sozialen und geschichtlichen Utopien und ihre hypermoralischen Kollektivierungsansprüche angesichts des im Albtraum gipfelnden Versuchs ihrer Verwirklichung zuschanden geworden, bleibt uns nur der intime Raum der persönlichen Begegnung und wenn es hoch kommt der Sublimierung und künstlerischen Verfeinerung des eigenen Fühlens und Empfindens, um die uns gewährte Frist nicht gänzlich würdelos, sinnlos und unfruchtbar verstreichen zu lassen.
Es ist besser, eine Vase zu töpfern, in der auf kurze Frist Blumen die Trübsal des Zimmers erhellen, als ein kolossales Monument in der Wüste der Zeit zu errichten, dessen unwirkliche Ruinen am Ende nur noch von Herden müder Tiere aufgesucht werden, um in ihren Schatten zu ruhen.
Gebärde sinnreicher Bescheidung, welche die flüchtige Schönheit des Augenblicks der erhabenen Größe für eine trügerische Ewigkeit errichteter Denkmäler vorzieht.
Wie Schaum auf dem Brunnen der Fontäne zerrinnen die Melodien der mozartischen Serenade, aber ihre Flüchtigkeit ist ein inneres Moment ihrer Schönheit, ein erfrischendes, wenn auch rasch verwehtes Sprühen ihres Charmes.
Comments are closed.