Giersch oder Die Gärtnerin vom Grünflächenamt
Südfriedhof, Frankfurt am Main
Hier wär gut ruhen.
Hier ist es Abend,
bevor die Sonne sinkt
und die Schatten über den Prunk
des Tages wischen.
Hier sinnt die nächtliche Flamme
ernster als der Menschen
drängender Atem,
ernster und schöner.
Hier versöhnt dich
mit dem Rascheln der Maus
und dem Seufzen der Gräser
der Gedanke an kindliches Glück,
barfuß und sommerblau,
das wie eine Murmel im Spalt
verschwindet.
Da kommt meine Gärtnerin,
die mir den Giersch erklärt,
den ziegenfüßigen Grabsalat,
vielnamig wie des Propheten Gotteslust,
vielsamig wie der Grünspan Vergessen,
der die Monumente überleckt
und die Putten des Kindergrabs.
„Der Giersch ist unausrottbar ein Gewächs,
verknotet, zerfasert, triumphiert
im Dunklen, wühlt sich wüstlich untertags,
bis das Grabmal stürzt –
zäh ist er wie der böse Trieb –
doch obertags reicht er sich mild
zum Armeleutgemüse dar –
das ist der Giersch, mein Kind!“
Meine Gärtnerin, die blonde, verrückte,
die mit dem Besen die Gespenster
des Lebens zusammenkratzt,
des geliebten, unausgeliebten,
sie soll mir den Giersch ausjäten,
vor sich hin meckernd
von der Vergeblichkeit allen Sinnens und Beginnens,
von der schönen Vergeblichkeit …