Geschlechterwahn
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Wenn wir versehentlich die falsche Bahn nehmen und unseren Termin verpassen, beruht unser Mißgeschick auf einem Irrtum, der irrtümlichen Annahme, jene Bahn sei die richtige, wo es doch die andere war.
Wenn wir einen Fuchs, der in etlicher Entfernung über die Lichtung spurt, für einen Dachs halten oder eine Gans für eine Ente, irren wir uns nicht in der Wahrnehmung, sondern in der Zuordnung des Wahrgenommenen zu einem zoologischen Paradigma oder deskriptiven Muster.
Von einem, der ein Huhn für einen Adler, einen Wurm für einen Drachen ansieht, oder einem, der mit seinem Regenschirm spricht, weil er ihn für ein lebendiges Wesen, sagen wir seine Tante, hält, würden wir nicht sagen, daß er sich irrt.
Doch ist es nicht immer leicht, die Grenze zwischen Irrtum und Wahn oder anderen Formen seltsamer deskriptiver Zuordnungen zu bestimmen. Denn wenn wir in einem Buch lesen, wie ein Zwerg auf eine Schlange trifft und sie für einen Drachen ansieht, wissen wir, daß es sich wohl um ein Märchen handelt.
Wir wären nicht geneigt, in den alten Griechen, die Bäume und Quellen von Dryaden und Wassernymphen behaust und belebt sahen, für Stümper in der Botanik und Geologie oder Kandidaten für psychotische Formen der Wahnwahrnehmung zu vermuten.
Der Mann, der sich für eine Frau hält, ist entweder einer der seltenen Fälle, die an den Folgen einer embryonalen Fehlentwicklung des Gehirns leiden, oder er ist psychotisch.
Freilich können kleine Jungs Mißbrauchsopfer einer sich fortschrittlich dünkenden Pädagogik werden, die ihnen diesen Unfug einredet; aber solche Anflüge verdunsten leicht und haften nicht wie der giftige Stachel des psychotischen Wahns.
Die spontane Wahrnehmung des Körperschemas von Mann und Frau ist eine genetische Disposition; manchmal kann man sich bei der Zuordnung des natürlichen Geschlechts irren, wie aufgrund geschickter Kostümierung im Fasching. Doch trotz massiver Alltagswahrnehmung die natürlich gegebene Bipolarität der Geschlechter zu leugnen und von einer beliebigen Vielzahl nicht natürlich festgelegter Geschlechteridentitäten zu faseln, ja in öffentlichkeitswirksame und pädagogische Verordnungen zu gießen, überschreitet die Grenze des bloßen Irrtums – denn weniger als ein Prozent der Gesamtbevölkerung sind aufgrund einer Chromosomenschädigung des Embryos (DSD = Disorder of Sexual Development) nicht eindeutig einem der beiden natürlichen Geschlechter zuzuordnen, obwohl sie nicht das darstellen, was der Volksmund Zwitter oder Hermaphrodit nennt (denn diese sind wie die Mehrzahl der zwittrig angelegten blühenden Pflanzen oder Würmer sexuell funktionstüchtig, wenn sie Selbstbefruchtung auch zu verhindern wissen; bei den geschädigten menschlichen Individuen aber sind sexuelle Merkmale der beiden Geschlechter nur rudimentär ausgeprägt).
Irrtümer beruhen auf falschen Annahmen, setzen demnach die Möglichkeit wahrer Annahmen voraus, die wir im einfachsten Falle aufgrund der Verifizierung einer Hypothese erhalten. So wenn wir sagen, dieser Stoff sei Wasser, denn diese Annahme kann aufgrund einer chemischen Analyse bestätigt oder widerlegt werden. Doch die Annahme, die Identität einer Person beruhe auf der Präsenz eines unkörperlichen Geistes, ist keine Hypothese, die etwa mittels einer medizinischen Untersuchung abgeklärt werden könnte, sondern die Folge eines begrifflichen Fehlers in der Grammatik der Redeweisen von Person, Körper, Geist und Bewußtsein.
Die Zuordnung der geschlechtlichen Identität einer Person ist in der Regel keine Frage des Wissens und kein Inhalt einer Hypothese, die aufgrund von Forschung und Analyse bestätigt oder wiederlegt wird. Denn wenn wir auf einem amtlichen Formular die Angabe zum Geschlecht machen sollen, schauen wir nicht, gleichsam wie aus einer Ohnmacht erwacht, an unserem Körper herab, um festzustellen, ob wir Mann oder Frau sind. Die Zuordnung der Geschlechtsidentität unserer eigenen sowie aller anderen uns begegnenden Personen erschließen wir im Normalfalle nicht aus umständlichen Beobachtungen. Sie gehört, können wir sagen, wie sehr viele andere formale und kategoriale Formen unseres Weltumganges, zum Vorragt unseres Vor-Wissens.
Aufgrund der Verifizierung durch chemische Analyse können wir sagen, wir wissen, daß es sich bei diesem Stoff um Wasser handelt. Doch bei der angemessenen Form der Anwendung von Begriffen wie Person, Bewußtsein, Ich, Raum, Zeit und Gegenstand, aber auch Körper und Geschlecht handelt es sich nicht um Weisen des Wissens, die zu wahren und falschen Aussagen führen, sondern um formale Begriffe unserer logischen und sprachlichen Grammatik.
Das Gerüst der formalen Begriffe unserer Grammatik ist keine Form und kein Inhalt des Wissens, sondern gleichsam ein Vorrat und Bestand vorbewußter natürlicher Vor-Urteile, die sich wie der Fluß in der Landschaft der Sprache verhalten, die Wittgenstein mythologisch nannte.
Die in die Grammatik und Logik unserer Sprache eingebetteten Begriffe kennzeichnet im Gegensatz zu rein empirischen Begriffen die Eigenschaft, uns nicht allererst aufgrund von Beobachtungen der Außenwelt oder mittels Erinnerungsanalysen zugänglich zu sein und zur Verfügung zu stehen, sondern gleichsam spontan, mühelos, ohne Suchen und Zögern: Wir müssen ins nicht, um festzustellen, daß wir zwei Augen, zwei Hände und zwei Gonaden (oder zwei weibliche Brüste) haben, eigens im Spiegel betrachten, und ebensowenig uns fragen, ob wir als Mann oder Frau angeredet werden, wie wir uns etwa vergebens daran zu erinnern suchen, ob die Augenfarbe einer uns nahe stehenden Person eher grün oder eher blau ist.
Die Aussage: „Die Schüler der Klasse 1b sind vollständig versammelt“ impliziert oder ist bedeutungsgleich mit der Aussage: „Alle Schüler der Klasse 1b, sowohl Jungs als auch Mädchen, sind in der Klasse versammelt.“ Die schlichte Anrede „Meine Damen und Herren“ vor versammeltem Publikum „läßt keinen zurück“ und schließt niemanden aus, denn von den weniger als 1 Prozent der Bevölkerung, die sich aufgrund ihrer chromosomalen Schädigung keinem der beiden natürlichen Geschlechter zuordnen können, ist niemand unter den Anwesenden, denn diese Krankheit hat nicht nur physische, sondern auch einschneidende psychische Folgen, die den Betroffenen von der normalen Alltagskommunikation ausschließen.
Ein großes sprachliches Gewese zur Nobilitierung der homophil Veranlagten, immerhin etwa 4 Prozent der Gesamtbevölkerung, zu machen, erübrigt sich aus dem einfachen Grund, weil Schwule nun einmal Männer sind und Lesben nichts anderes als Frauen, die in die Anrede „Meine Damen und Herren“ vollständig miterfaßt werden.
Zeugt es von mangelnder Kenntnis der deutschen Sprache und ihrer Formenlehre und ist es also ein Zeichen von Dummheit, in der Grammatik der generischen Substantive wie „Lehrer“, „Schüler“, „Politiker“, „Zuschauer“, „Student“, „Dozent“, „Autor“ oder „Minister“, „Bürger“ und „Arbeiter“ nicht die deskriptive Leerstelle und die normative Valenz für die Anwendung auf beide natürliche Geschlechter erkennen zu wollen? Nein, dies sieht nur so aus wie ein freilich schwer verzeihlicher Irrtum im Gebrauch der deutschen Grammatik; hier handelt es sich vielmehr um einen, freilich mit einer gehörigen Portion von Dummheit vermengten Auswuchs dessen, was wir Geschlechterwahn nennen können.
Dieser Wahn scheint uns ein Symptom einer Krankheit zu sein, von der ein Volk heimgesucht wird, das in seinem Überlebenswillen stark geschwächt und dessen Energie, die eigene kulturelle Identität auf kommende Generationen zu übertragen, fast auf den Nullpunkt herabgesunken ist.
Die Leugnung des wesentlichen natürlichen Unterschieds der Geschlechter ist eine Maske, hinter der sich die Bestreitung und Verdrängung der prokreativen Macht verbirgt, die einzig in dieser Bipolarität angelegt ist. Die Bestreitung der Singularität der Fähigkeit, die der Verbindung von Mann und Frau zukommt, nämlich Kinder in die Welt zu setzen, erweist sich demnach als eine Form der Verzweiflung am Zukunftssinn der sozialen Gemeinschaft und an der Legitimität ihrer kulturellen Überlieferung.
Die Leugnung des wesentlichen natürlichen Unterschieds der Geschlechter oder der Geschlechterwahn muß in seiner symptomatologischen Nähe und klinischen Verwandtschaft mit anderen degenerativen Tendenzen betrachtet werden, wie der Verwischung des Unterschieds zwischen normaler und perverser sexueller Orientierung sowie des Unterschieds in der Höhe kultureller Leistungen aufgrund angeborener Talente zwischen den kaukasischen, asiatischen und dunklen Rassen, der Herabwürdigung der Rolle der sich der Pflege des Nachwuchses widmender Mütter oder der systematisch geförderten ethnischen Durchmischung des Herkunftsvolkes.
Nicht weniger evident ist der Zusammenhang des Geschlechterwahns mit dem für Massendemokratien kennzeichnenden Verlust des Wertempfindens und der Einebnung der Grenze zwischen Hoch- und Popkultur, sublimem Geschmack und vulgärem Reizkostüm; so sollen wir das mit Menstruationsblut angereicherte Geschmiere der ordinären Kunstmarktstricherin mit dem gleichen Ausdruck der Bewunderung wie die sublime Transparenz der Farben eines Vermeer goutieren.
Wo keine Rede mehr von Hochkultur sein darf, verblaßt auch der Sinn für die aus der Minne der mittelalterlichen Sänger entsprungene sublime Form der Fernsten-Liebe, wie wir sie von Goethe kennen.
Der absurde Gebrauch des Zwischen-Punktes zur Andeutung der Sinn-Leere, in der die wilden Fratzen beliebig zu definierender Geschlechterrollen ihr Unwesen treiben, überkleckert das Schriftbild mit den Hinterlassenschaften einer geistigen Diarrhö.
Der Narr der Brüderlichkeit, der die Grenze seiner Behausung nicht bewacht, wird von seinem Wahn vielleicht kuriert, wenn er eines Nachts im Schlaf von einer Räuberbande überfallen wird; doch selbst dies bleibt ungewiß, wenn er sich am nächsten Tag grüblerisch in sein Schuldgefühl versenkt und ein Lamento anhebt derart, sein Haus als Eigentum zu beanspruchen sei vielleicht die von den Ahnen überkommene Schuld, die es rechtens abzubüßen gelte.
Der Geschlechterwahn deutet dagegen auf eine grundlegende Unordnung im Verhältnis der Geschlechter und im seelischen Haushalt der Gemeinschaft, der auf keine einfache Therapie hoffen läßt.
Der Geschlechterwahn ist auch ein Symptom für die Schwächung der väterlichen Autorität; denn diese entspringt der Erkenntnis: pater semper incertus, nämlich in ungeordneten geschlechtlichen Verhältnissen. Die väterliche Autorität installiert allererst die Institution der monogamen Ehe und das Gesetz der Erbfolge unter dem Zeichen des zu sichernden und zu tradierenden Eigentums, sei dieses materieller oder kultureller Art; die Institution des Eigentums aber ist die eigentliche Quelle, aus der sich die Hochkulturen des Abendlandes speisten.
Der Geschlechterwahn ist daher sowohl ein Symptom der Anfeindung der durch gesetzliche Autorität garantierten Institution des materiellen und kulturellen Eigentums als auch ein Seitentrieb des Gleichheitswahns, der sich durch den Ruf nach der Ebenbürtigkeit von Hinz und Kunz, des Edlen und Gemeinen, des Begabten und des Kretins zu nobilitieren dünkt.
Die Duden-Redaktion unter der Leitung dümmlicher, vulgärer, ungebildeter Damen, stimmt natürlich das Hohelied auf die gendergerechte Sprache an. Was sie aber in Wahrheit veranstaltet, ist die allmähliche Emanzipation der deutschen Sprache von allen Normen und Maßstäben des gewählten, differenzierten, verfeinerten Ausdrucks; denn die Wortmassen, die ihr zufließen und auf die sie zugreift, entstammen den öffentlichen Kloaken des Zeitgeistes, wie er sich in den Medien absetzt, sammelt und unförmig verhärtet.
Fortschritt: von der Imago Dei und dem Eros des Schönen unter dem griechischen Licht zu den Halbaffen der Evolution, den blinden Genmaschinen der Neurowissenschaft und den polymorph-perversen Lebensschatten unter dem Stern der Apokalypse.
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