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Geheime Zwergensache III

02.08.2015

In die wohlige Grotte,
von tausend Kerzen erwärmt,
heiße Perlenschnüre
rieseln die Wände herab,
tragen die Zwergenpriester,
in Kaninchenfellen vermummt,
erhöht von einer Tiara aus Honigwachs,
in der mittig das Auge des Hirsches glimmt,
auf Polstern von Moos und Heidekraut
das verehrte Idol eines Wolfskopfs,
dem lang die Zunge heraushängt.

Und lassen es thronen
auf inkrustiertem Altar,
von Geweihen prangend des Elchs
und des Geißbocks.

Die Augen des Wolfsgotts glühen
von dunklen Rubinen,
und die Meute der Zwerge schwingt
die pelzigen Kappen mit den bunten Federn
des Rebhuhns und dem Barte der Gams.

Die kleine Schar hebt ein wölfisches Heulen an,
daß die Mäuse in ihre Löcher huschen
und die Zwergenkinder sich unter die lila Togen
der Mütter ducken
(denn Toga trägt Frau Zwerg
zum Liliput-Hochamt am Sonntag).

Schweigen gebietet der Priester
und stimmt die Mythe der Gottheit an,
wie einst die hagere Wölfin gerettet
die Zwillingskindlein der Zwerge
vor dem bösen Angriff der Menschen
(hier wieder johlt die Meute
wölfisch-verzückt im Chor),
wie sie die Kleinen gesäugt in der Grotte,
der Grotte, in der sie heute das Heil
des Zwergentums feiern.

Er preist das Bündnis der Kleinen
mit dem reißenden Tier,
das seither die Zwerge schont und schützt,
denn sie leisten ihm köstliche Dienste –
schütten mit Blättern und Reisig
die warme Mulde auf,
wenn die Wehen der Wölfin beginnen,
sammeln Tannenzapfen und Knöchlein
zum bissigen Spiel für die Jungen,
sie sind auf der Pirsch im Walde ganz Ohr
und warnen den Heuler im Vollmond
vor dem argen Anschlag des Jägers.

Aber die Zwergenmütter pflegen
das räudige Fell des göttlichen Untiers
mit Kämmen aus Gräten des Fischs
und Stacheln des Wildschweins,
andächtig strähnend in der Trance
verklärten Gesichts,
während Isegrims gierige Zunge
sie feuchtend umschlabbert.

Dann beginnt die heilige Handlung,
wenn die liturgischen Diener
die Schalen von weißen Muscheln
und dem hellen Panzer der Kröte kredenzen,
und sie füllt der Zelebrant
mit dem schäumigen Blut
eines rosigen Säuglings der Menschen,
der zu lange verlassen stand
greinend auf offnem Balkon.

Und Zwergin kniet neben Zwerg,
und alle nippen ein Schlücklein
vom lebenspendenden Saft.

Dann schiebt man einen dicken Kastraten,
einen veilchenbekränzten,
in die Mitte, ein blondes Persönchen,
der ist, umflort von Seidenbüscheln,
mit den Flügeln der Gans angetan
und setzt, die Puttenhändchen gefaltet,
die Miene eines Engels auf.
Und er singt im hellstem Diskant,
die Stimme überschlägt sich,
die höchste Kunst verwinzigter Kantorei,
den Hymnus zwergichten Lebens.

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