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Frauenleben

15.08.2022

Als sängen feinste Adern in der Haut,
als schluchzten ihr im Schoße Venen.
Im ersten Blick hat sich die Glut gestaut,
den zweiten schon verdunkelt Sehnen.

Ein Kuß bog Rosen über ihr Gesicht
und Lächeln hat es übergossen.
Ihr erster Blick hielt einen Kelch ins Licht,
dem zweiten war Nachttau entflossen.

Sie hat gleich Wicken seinen Arm umrankt,
um zwischen Tag und Nacht zu schweben,
doch Liebe war, was über Wassern schwankt,
ein Boot, dem Mast und Planken beben.

Sie sah, wie aus dem Mund der Blume kroch
der Falter mit geflammten Streifen,
sie sah aus einem blauen Wolkenloch
den krummen Schnabel nach ihm greifen.

Im Schilf, als er von fernen Inseln sprach,
hat sie den goldenen Ring verloren.
Und als er ging, ließ schon mit Klopfen nach
das Kind, das sie ihm nicht geboren.

Sie warf den Schmuck von sich wie schnöden Tand,
schnitt sich das Haar, um klar zu sehen,
sie ließ der Treueschwüre loses Band
im schwarzen Wind des Abschieds wehen.

Doch alt zu werden, einsam, ohne Kind,
gefesselt nur an eigne Sorgen,
war Schorf auf einer Wunde, tauber Grind,
und Träumen hieß von Fremden borgen.

Allein ging sie mit ihrem kleinen Hund
am See entlang, das Herz zu kühlen.
Der blasse Mond ließ sie, vollkommen rund,
die Trümmer ihres Lebens fühlen.

 

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