Dummheiten des Zeitgeistes
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Die Auffassung des Sokrates von der Lehrbarkeit der Tugend oder der Einheit von Wissen und Tun des Guten (was immer das sein mag) scheint keine harmlose Sottise zu sein, sondern eine fatale Dummheit, die weitere fatale Dummheiten im Schlepptau der Jahrhunderte hatte, von den größenwahnsinnigen Erziehungs- und Umerziehungsprojekten der zwielichtigen Aufklärung und der Französischen Revolution bis zu den todbringenden Umerziehungslagern der Genossen Lenin, Stalin, Mao und Pol Pot, von den Lagern zur Vernichtung jener, die aufgrund genetischer Mängel oder kultureller Absonderlichkeiten für nicht umerziehbar erachtet wurden, zu schweigen.
Die Dummheit, die der Feigheit gleichkommt, die Grausamkeit der Wahrheit in Augenschein zu nehmen und sich vor dem Medusenhaupt des Daseins blind zu stellen. Er hat sie gequält und vergewaltigt, als habe er sich außerhalb des Horizonts des Sittengesetzes aufgehalten, in jenem Tal der Finsternis, in das die Sonne des Guten nicht hineinleuchtet. Doch er hat die Untat nicht begangen, weil er nicht gewußt hätte, daß es eine böse Tat war, nicht einmal, obwohl er wußte, daß es eine böse Tat war, sondern, WEIL er wußte, daß es eine böse Tat war. Er hat sie gequält, nicht weil er nicht gewußt oder wahrgenommen hätte, daß sie litt, ja nicht einmal, obwohl er wußte und wahrnahm, daß sie litt, sondern, WEIL er wußte und wahrnahm, daß sie litt.
Die Dummheit der zahllosen angeblichen Intellektuellen, die das Sein mit dem Begriff verwechseln, den Vorstellungsinhalt mit der Vorstellung, das Wissen mit der Meinung; als handele es sich bei dem, was wir das natürliche Geschlecht, ein Volk oder eine Nation nennen, um etwas, was Krethi und Plethi sich darunter vorstellen; und das, weil Krethi und Plethi sich nichts darunter vorstellen können oder wollen, ipso facto nicht existiert.
Die Dummheit der selbsternannten Tugendwächter, die sich im moralischen Totschlagwort „rassistisches (ethnisches, soziales) Vorurteil“ verbirgt; denn der jüdische Siedler, der den mit einem Sprengstoffgürtel bewaffneten Araber auf der Schwelle nicht lächelnd willkommen heißt, sondern zumindest mißtrauisch beäugt und vor ihm auf der Hut ist, sitzt keinem unbegründeten rassistischen Vorurteil auf, sondern verhält sich auf dem Hintergrund der natürlichen und spontanen Animositäten zwischen Angehörigen fremder oder gar feindseliger Gruppen durchaus rational oder vernünftig. Der verarmte Bauer m zaristischen Rußland unterlag keinem rassistischen oder sozialen Vorurteil, sondern handelte auf dem Hintergrund der Spannungen und Konflikte zwischen sozialen Gruppen durchaus rational oder vernünftig, wenn er dem Geldjuden, auf dessen Kredit er angewiesen war, mißtraute, denn seinen Schwager hatten dessen Wucherzinsen, die er nicht mehr abtragen konnte, in den Schuldturm gebracht.
Der Christ im frühen Imperium Romanum konnte zurecht dem heidnischen Nachbarn mißtrauen, lebte er doch in der Furcht, von ihm wegen Mißachtung des Kaiserkults vor Gericht gebracht zu werden; dagegen mußte sich die den alten Göttern die Treue haltende Matrone unter dem christlichen Regime eines Diokletian oder Theodosius vor dem Ressentiment und der Denunziation des katholischen Nachbarn fürchten.
Es wäre nicht nur stupid, sondern unverschämt, dem im Versteck lebenden Juden ein rassistisches Stereotyp zu unterstellen, wenn er einen jeden ihm fremden Deutschen in Verdacht hatte, ihn der Vernichtungsmaschinerie des Holocaust preiszugeben. Und dennoch handelte er rational oder vernünftig, wenn er die Angehörigen der ihm feindlich gesinnten Gruppe so betrachtete, als wäre ein solches rassistisches Vorurteil angebracht.
Die Dummheit der Annahme, das Mißtrauen und die Vorsicht, die unter Angehörigen fremder oder einander feindlich gesinnter ethnischer und sozialer Gruppen herrschen, gehe beklagenswerterweise auf rassistische und andere Vorurteile zurück, impliziert die noch größere Dummheit der Annahme, man könne diesen perennierenden verdächtigen Dispositionen mittels pädagogischer Exerzitien und Moralpredigten oder einschüchternder moralischer Propaganda ein für allemal den Garaus machen.
Die sentimentale Dummheit, das jesuanische Gebot der Nächstenliebe für ein universales Moralgesetz zu halten oder marktschreierisch von Kanzeln und Kathedern als ein solches auszurufen; den Freund, den Geliebten, den Sohn, der einen nach Strich und Faden betrogen und übers Ohr gehauen, gedemütigt und drangsaliert hat, wird keiner, der noch bei Trost ist oder seine Selbstachtung nicht vollends über Bord geworfen hat, mit einem Festmahl erfreuen, wenn er verarmt und heruntergekommen an die Türe klopft. Die biblische Geschichte vom verlorenen Sohn gilt ja nicht als Maßgabe unter Menschen, sondern als Gleichnis für Gottes übermenschliche Geduld und Gnade, eine Hoffnung wider alle Hoffnung.
Die Dummheit verstiegener Kathederphilosophen in der Vorstellung, der Ausgegrenzte, der arme Teufel, der Krüppel, der Irre oder der Verbrecher seien mit den Normalen und den Banausen verwehrten okkulten Fühlorganen gesegnet, um eine tiefere Wahrheit über Gott und die Welt aufzuspüren, vermögen nicht der Gang durch die Elendskloake, nicht der Gestank der Armut, weder der Mückenschwarm um die Schwären des Aussätzigen noch das sinnlose Lallen des Schizophrenen oder der stumpfe Blick des Triebtäters vom bequemen Polster der Arroganz herabzureißen.
Die Dummheit, dem Unternehmer sexistische, rassistische oder ethnozentrische Vorurteile zu unterstellen, weil er lieber einen muskelstrotzenden Kerl als ein zartbesaitetes Mädchen in seiner Sicherheitsfirma einstellt, der den gewitzten, fleißigen und akribischen Japaner, Chinesen oder Inder auf dem Finanzverwaltungsposten einem des Rechnens kaum mächtigen Polynesier oder Schwarzafrikaner vorzieht und der lieber Geschäfte mit Südkoreanern als mit italienischen Mafiosi macht.
Die Dummheit, die Unfähigkeit des Dichters und Künstlers, ein geordnetes bürgerliches Leben zu führen, zur Ursache seiner Kreativität zu verklären; Verlaine war kein großer Dichter, weil er ein Säufer, Hurenbock und Straftäter war, sondern er war es, obwohl er ein Säufer, Hurenbock und Straftäter war.
Die Dummheit, die natürliche Tatsache der physischen und geistigen Unterschiede zwischen den Rassen, ja deren Existenz selbst zu leugnen, aber auf Schritt und Tritt dem Kampf gegen sogenannte rassistische Vorurteile, das heißt tiefwurzelnde Dispositionen des Mißtrauens, der Angst und des Neides oder des Unterlegenheitsgefühls, die ein unvermeidliches Resultat dieser Unterschiede bilden, das Wort zu reden.
Die universelle Animosität zwischen den ethnischen, sozialen, religiösen und kulturellen Gruppen erklärt das Verhalten ihrer Mitglieder; sie kann durch keine pädagogisch-psychologische Universaltherapie, kein religiös aufgeladenes Welterlösungsprogramm und keine staatliche Tugendverordnung geheilt und aus der Welt geschafft werden. Dies zu glauben und sich Therapien und Programme dieser Art zu verschreiben oder anderen aufzunötigen ist nicht nur dumm, sondern wie jede Form der Realitätsblindheit gefährlich.
Jene, die nicht miteinander leben können, müssen eine gebührende Distanz zwischen sich schaffen.
Im Falle unverträglicher Animositäten hilft keine Integration, sondern nur Segregation.
Einen der klügsten und scharfzüngigsten, witzigsten und tiefsinnigsten deutschen Schriftsteller, Lessing, selbst ihn machte die sentimentale Dummheit, wie sie seine Ringparabel offenbart, geistig matt.
Die Dummheit intellektueller Blasiertheit und pseudotiefsinniger Sophisterei, die in der Annahme liegt, nicht Peter und Hans sprächen, sondern die Sprache, das Unbewußte, das Begehren oder die Macht, verwischt mutwillig die begriffliche Grenze zwischen Wahrheit und Lüge und macht die Begriffe von Verantwortung und Vertrauen, die Basis eines irgend geordneten Gemeinschaftslebens, sinnlos und zunichte.
Dummheit oder Verlogenheit, nicht sehen zu wollen, daß ein unterlegener sozialer Status meist nicht die Folge einer Unterprivilegierung ist, sondern die Unterprivilegierung eine Folge minderer Begabung oder mangelnder Motivation.
Er hatte keine Chance, sagt die dumme Sentimentalität; er war der Herausforderung geistig nicht gewachsen oder wenn gewachsen nicht willens, seine Chance zu nutzen, die kühle Vernunft.
Dummheit und Intelligenz sind nach dem Verlauf der Gaußschen Kurve ungleich über die Individuen, Rassen und Völker verteilt. Die Juden brachten, trotz jahrhundertelanger Verfolgung und Gettoisierung mit die bedeutendsten Mathematiker hervor. Der große Mathematiker Pascal wurde von dem um sein Seelenheil besorgten Vater jeder Chance und Gelegenheit beraubt, seine mathematische Begabung regelrecht auszubilden; doch fand der kleine Junge, auf den Fliesen des Elternhauses spielend, spontan grundlegende Axiome der Euklidischen Geometrie
Die gefährliche Dummheit, die zugleich eine Form subtiler Verachtung darstellt, Frauen ohne Ansehen ihrer intellektuellen Fähigkeiten in Positionen zu befördern, denen sie nicht gewachsen sind, oder das Anspruchsniveau ihrer Aufgaben in dem Maße zu senken, daß sie ihnen gewachsen sind.
Dummheit, die ex cathedra verkündet, Sprache diene der Verständigung.
Das Kauderwelsch der Gaunersprache dient dem Zweck, von anderen NICHT verstanden zu werden, auf daß man sie umso gewiefter übers Ohr hauen kann.
Das Kauderwelsch der zeitgeistigen Intellektuellen, eine besondere Abart von Gaunersprache, dient dem Zweck, andere mittels enigmatischer Wendungen und auf nichts referierender Kunstbegriffe und rhetorischer Schnörkel zu verblüffen und durch herablassende Hinweise auf das kümmerliche Gemüsebeet ihres sie kaum ernährenden Wissens zu beschämen; eine bisweilen erhabene Narrheit streifende Weise, Eindruck zu schinden, sodaß dem Schinder ein nicht zu verachtender monatlicher Salär zugebilligt wird.
Dummheit, mittels gleichsam empörten und intransigenten Fragens das Evidente in den Dunst des Rätselhaften zu tauchen, das Selbstverständliche unverständlich werden zu lassen und den mühsam gebahnten Pfad des Lebens mit dem erhabenen Bombast und Plunder des angeblich Fragwürdigen zu verstellen.
Von Männern und Frauen, Vätern und Müttern, Liebe und Haß, Vernunft und Dummheit, Wahrheit und Lüge sans phrase und ohne moralisch gebotenes Stottern und Stocken zu reden entlarvt der Idiot der Kritik als Symptom einer geistigen Krankheit namens Normalität.
Dummheit, empirische Aussagen und Wahrscheinlichkeitsverdichtungen mit Gesetzeshypothesen zu verwechseln; er hat dreimal hintereinander einen Pasch gewürfelt, die Götter müssen ihm gewogen sein; der Sommer war ungewöhnlich trocken und heiß oder (was schert Dummheit logische Konsistenz) der Sommer war ungewöhnlich feucht und kühl, es muß der Klimawandel sein. Vernunft hält sich an das geflügelte Wort, wonach eine Schwalbe noch keinen Sommer macht.
Dummheit, mittels verlogener Hermeneutik das Joch der Wahrheit abzuschütteln. – Sie hat dich mit deinem Freund betrogen; Betrug und Treue, Kränkung und Eifersucht sind Begriffe einer anachronistischen Einstellung und kleinkarierten Fühlweise. Sie haben die Twin Towers aus religiösen Motiven zerstört und ihrem religiösen Wahn tausende Leben geopfert; aber eigentlich, wenn man tief genug schürft, entpuppt sich ihre Religion als lieblicher Quell des Friedens, ihr Verkünder als Ausbund der Menschenliebe.
Die Dummheit, das sogenannte Gute oder moralisch Gebotene für eine eindeutig identifizierbare allgemeine Eigenschaft von Einstellungen und Handlungen zu halten, die allerdings nur Berufenen wie seinen Auguren auf den Gipfeln des Zeitgeistes, von der Avantgarde revolutionärer politisch-religiöser Kader bis zu den Verächtern des Common Sense in den akademisch-medialen Kaderschmieden, im hellen Licht des Ideals zu erblicken vergönnt ist. Man achte auf den säuerlichen Nachgeschmack beim Gebrauch des Begriffs „Avantgarde“ in seiner politisch-moralischen oder ästhetischen Bedeutung und begutachte die fatalen Folgen dieser Dummheit, von der Verwüstung traditioneller Sitten und Siedlungsräume bis zur Verödung der Plätze und Ausstellungshallen durch avantgardistische Kunstwerke oder die Verkarstung der Sprachlandschaft und die Verhöhnung des Geistes der Sprache durch Wendungen wie „jeder und jede“, „was frau dazu meint“ oder „Studierendenversammlung“.
Die Dummheit der Fragen übertrifft oft die Dummheit der Antworten.
Ist alle Wahrnehmung subjektiv? Aber subjektive Wahrnehmung, wie die Wahrnehmung der grünen Ampel, ist die Bedingung objektiver Ereignisse, wie des Ereignisses, daß ein Fußgänger über die Kreuzung geht. Können Mäuse, Tauben, Affen denken? Aber denken heißt Gedanken haben, Gedanken erfordern, worüber Tiere nicht verfügen, Medien der Darstellung, der Aufzeichnung, des Ausdrucks, wie Bilder, Diagramme oder Sätze.
Die Dummheit, das Leben auf der Suche nach Antworten auf sinnlose Fragen zu vergeuden.
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