Die Taube
Ihr Kopf war abgerissen.
Oder abgebissen.
Ein roter toter Wurm
baumelte der Lebensfaden
aus dem leeren Torso.
Sie lag elend und kopflos in der Einfahrt.
Ein kurzer, schrecklich langer Blick –
dann bist du seitwärts schielend vorbeigeschlichen.
Als du zurückkamst mit deinen vollen Taschen
voller Lebenskost und Sterbenskram,
da lag er immer noch da,
der aufgeplusterte Kadaver.
Mit den vielen Seiten der Zeitung,
die gelesen oder nicht gelesen
dir als unlesbar galten,
hast du den Schreckensvogel bedeckt.
Macht man es nicht so mit den Leichnamen,
dass man ihnen das weiße Linnen über den Kopf zieht?
Wie aber den geköpften?
War es ein Auto? Doch wo war der Kopf?
War es die schwarze Feindin, die Krähe?
Und flog mit dem Taubenkopf im Schnabel querstadtein
und ließ ihn in den Hut des bestürzten Bettlers fallen?
Du hast sie ganz vorsichtig umfingert,
mit dem taub machenden Packen der Zeitung gesichert
gegen das echte Gefühl,
das dem Wahnsinn benachbarte echte Gefühl.
Wie leicht sie war!
So leicht wie das Leben,
das um Wolken tingelt,
aus grünen Pfützen nippt,
ein, zwei weiße Federchen herabtrudeln lässt
zu den rosigen Füßen einer Göttin,
die sich bei ihrem Turteln
an das duftende Gärtchen des Adonis erinnert.
Du hast sie sorgsam in der Abfalltonne geborgen,
versteckt zwischen überquellenden Mülltüten –
den Gedanken, sie in der Biotonne zu entsorgen,
hattest du rasch wieder verworfen.
Hier liegt sie, Abfall im Abfall,
und ist tot,
so tot wie die Liebe eines Geköpften.
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