Die Sprachkatze
Der verliebte Nieswurz
Ranunculus bulbosus, der Stinke-Nieswurz,
hat in die Lilie unerhörterweise
sich verknallt. Sag’s, Dichter, aber leise,
die stolze Schöne hält den Wurz sich kurz.
Der Stinker soll die Duftende nicht frein,
der Adamskloß nicht steigen zum Olympus,
homerisch schallt Gelächter auf den Klumpfuß,
im Blick der Schönen schrumpft Herr Hanswurst ein.
*
Die Trüben und Vulgären
Licht soll sich Trübem mengen,
Ruß über Rosen streichen,
die Würdigkeit nach Rängen
konformem Grinsen weichen.
Es schneiden die Vulgären
des hohen Stiles Sprossen
mit klappernden Wut-Scheren,
bis aller Glanz zerflossen.
Nicht Zeugen und Gebären
soll Sinn dem Dasein geben,
nicht Retten und Verklären
dem Wort der Dichtung Leben.
Die Schatten mimen Dramen,
es kreißen die Sterilen,
aus Tunten werden Damen,
Goldmund aus Infantilen.
Nicht Mann, nicht Frau soll länger
des Lebens Spannung künden,
der Bund nicht, nicht der Sänger
des Daseins Kreislauf ründen.
So sollen wir zerfallen,
Geschlecht und Wort und Blume,
doch Sonne hat noch Krallen,
zu lockern auf die Krume.
*
Das betörte Stachelschwein
Im Frühling weht der Flieder,
da fühlt das Stachelschwein,
das muß wohl Liebe sein,
senkt seine Stacheln nieder.
Ein holdes Weib zu finden,
rennt es durch bittres Kraut,
vergißt den Duft, die Braut,
will einen Eber schinden.
*
Die Sprachkatze
Der Dichter will von Liebe singen,
kaum schreibt er „L“, muß wider Willen
„Langweile“ ihm den Versfuß füllen,
die „Schwingen“ zwackt ihm ab ein „Zwingen“.
Und wieder haucht ihn an die Muse,
ihn aber würgt’s wie Mundes Fäule,
statt „heiter“ schreibt er „Eiterbeule“,
kein „Busen“ fliegt, es flockt die „Fluse“.
Trittst du der Sprache auf die Tatze,
wird sie nicht mauzen, sondern fauchen,
willst schmachtend in ihr Auge tauchen,
trifft dich das Blitzen einer Katze.
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