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Die Letzten

21.06.2016

Mus und Gries, Schleimsuppe, warmer Pudding,
Schmand, in Heilkräutertee getunkte Brocken
der Mildtätigkeit, zerquetschte Beeren,
vegane Afterknödel, mit Andachtsspucke vergoren –
sie munden dem zahnlosen Geist,
Molluskenmagen, der den harten Kern
der Wirklichkeit, den kalten Kiesel
und die sperrigen Gräten des wilden Seins
nicht lösen, nicht verdauen kann–
es speit der ausgelachte Mund
das Wahr-Gewölle wieder aus.

Sie werfen die Bernsteinspange,
die Nadel des äußersten Halts
in die Kloake des Allgefühls,
sie lösen das Haar dem lauen Wind,
er bläht ihr Narrengewand,
die Poren starren in die blauen Schatten
einer Ekstase von Jahrmarktszwergen,
die übereinander stolpern, kugeln, rollen,
bis an den schroffen Abhang,
unter dem die Brandung ihnen
auftut den brüllenden Schlund.

Es sind die Letzten, die sich ins fade Glück,
ins allgemeine Wohl, in die auslöschende
Versöhnung gemenschelt haben,
sie haben nur eine Gemeindezunge,
eine Zunge aus klebrigem Harz
in einem klaffenden Muschelmund,
sie reichen sie von Spruch zu Spruch,
von Jawort zu Jawort, sie reichen einander
den lallenden Phallus, der anschwillt
am triefenden Lügengaumen.

Sie sehen das Kommende unter Schleiern
getrübt, verschwommen, verwackelt,
Schleiern von Tränen, die ihnen die Phrase
verfetteten Herzens, der Vers auftreibt,
der über den Hortensienbusch
hinterm Lattenzaun des Wohlgefühls
matte Lilafarben streicht,
verwaschen wie die Küchenschürze,
Tränen, die ein schwarzer Sturm
ihnen jählings von den Wangen fegt.

Sturm, der kommt, der schon, ein Schakal
in den Hinterhöfen, heult, sich aufrauht
in den Schründen und Sprüngen
untanzbarer Rhythmen, einatmet
an den Sickergruben und Schächten
grüner Schäume, ausatmet
in den Flammen-Masken fremden Bluts,
die aus den rosenmüden Rabatten züngeln,
den weichen Mull der schönen Gesten
zerreißt und die papierne Trikolore
des bunten Selbstverzichts,
der mondüberleckte Paravent vor dem Bett
der Niemandslüste fällt, es schmilzt
die Ikone ohnmächtigen Schmachtens,
die Gardine brennt, die Aussicht wird frei
in sternenkühle Nächte, menschenleere.

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