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Die Heimsuchung

26.07.2022

Sie ragte schwebend schon, als ich erwachte,
falls ich erwachte, ragte schimmernd auf,
als ob im schlaffen Flausch des Vorhangs Zwielicht
Novemberdämmerung verhieß. Die Haut,
so weiß wie Kalk – doch war es Haut, nicht Firnis
toten Lichts, nicht Mehl des Geistermahls,
zerrieben zärtlich von Persephone?
Und eine aufgebrochne Purpurfrucht,
ein Mund, der nur in Tropfen reden konnte,
die dünne Schlieren formten, trüben Schmelz,
im fahlen Inkarnat zur Aber-Frucht,
die bitter ward, verrunzelt und verblaßt.
Und nenne Augen nicht, was keinen Blick,
was einen grauen Strahl mir zwischen wirrem
Tang des Haars und spröden Büscheln trieb
ins Angesicht, daß es von Pusteln juckte.
Was wollte sie von mir, die Schwärmerin,
lebendig tot, was ich ihr schuldig blieb,
was sie vergessen hat wie ein Geschmeid
in meinem Bett, bevor sie schied, ein Flattern
wie eines Flügels, der ins Leere flog?
Ich wußte es, mein Herz war das Geschmeide,
das sie vermißte, das warme Blut im kalten
Schattenreich, und als ich’s blitzen sah,
war es ein Messer, krumme Harpyienklaue,
da schrie ich auf und berstend war mein Schrei,
daß jäh ein Wind das Fenster aufgeschlagen
und wirbelte das Grauen aus dem Raum,
des Albtraums hohle Maske und Gespinst.
Kam‘s nicht wie Blumenodem ferner Gärten,
von Auen einer längst verwelkten Welt,
da liebend wir gewandelt Hand in Hand
und uns das Herz geküßt ein Duft von Veilchen?
Und hielten wir des Krugs umflorten Mund
der Quelle hin, schwang sich aus dunklem Glucksen
Nymphenton, und Lippen glänzten feucht.
Und ist ja dieses Kythera gebannt,
seit deine Taube ihr Genist verließ,
ein anderes am Acheron zu bauen,
so fern, kein leises Gurren dringt herüber,
leb ich in kahlen Verliesen dumpf dahin,
wo meiner Feigheit Seufzer widerhallen,
umsonst die Hoffnung, daß du wiederkehrst,
Ikone du des Ungelebten, o Gespenst,
mein Herz entreißend mich von mir erlöst.

 

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