Die Entgrenzten
Wenn sich ihnen eine Laus ins Fell setzt,
dürfen sie sich nicht kratzen und den Gast
nicht quetschen (sie tun es heimlich,
nachts auf dem Abtritt ihrer Freudenhäuser
hört man es manchmal knacken und in den Hinterhöfen
stinkt es schon öfters nach verkohltem Chitin),
denn sie leben in Harmonie, so kündet ihr Arsch-
Tatoo, mit allem, was da kreucht und fleucht.
Doch die wahrhaft Entgrenzten mischen
auf ihren Babelsfesten und dem Phrasenjahrmarkt
der Kirchentage den Auswurf, den Kot
ihrer Läuse, Wanzen und Schrecken (Pharaos Plagen),
um die geistige Auflösung, die sie Erlösung nennen,
zu entfesseln, Vanitas ist ihre Caritas,
in das unreine Brot, den Jauche-Wein.
Wenn das Unkraut, das Sciroccos dicke Lippen
in ihren schönen Garten geblasen, ihnen
aus platzenden Schoten um die Ohren knallt
und ihren Alpenveilchen ins Gesicht,
dürfen sie nicht zu Pestiziden greifen,
denn sie leben in Harmonie mit allem,
was da wuchert und sprießt, entgrenzten
Sinns lecken sie an der stinkendsten Morchel,
denn die Ekstatiker der Selbstentmannung opfern gern
den eigenen Samen, wenn nur der fremde im Schoß,
dem heimatlichen, stromert und strunzt.
Die Schakale, die über ihren Lattenzaun springen,
und das Kaninchen ihres Zöglings reißen,
des fremdgezeugten, oder den Mops ihrer
Lebensabschnittspartnerin vierteilen,
dürfen sie nicht schießen, denn die Entgrenzten
sind friedensbewegte Kretins des Herzens,
die gern das Eigne opfern, wenn nur das Fremde
die Zunge fletscht und in die Nacht, die heimatliche, jault.
Den Paradiesvögeln und bunten Papageien,
die morgens auf ihren Fenstersimsen hocken
und mit lüsternen Schnäbeln an die Scheiben klopfen,
leihen sie andächtig das Ohr, lernen an ihnen
ein frivoles Krächzen und Zungenbrechen,
schicken die Kleinen in die Schule ihrer greulichen
Prosodie, denn die Entgrenzten opfern gern
die eigene Mutter, wenn nur die fremde Zunge
in die aufgerissenen Stellen der eigenen,
in die selbstgebissene, offene Wunde
den betäubenden Sud des Vergessens träuft.