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Der Untergang des Ideals

17.10.2020

Philosophische Sentenzen und Aphorismen

Einmal reicht!

Sie haben die Hosen voll und faseln von der unsterblichen Seele.

Der Club der moralisch Entrüsteten und die Vorhut der von grauer Harmonie Begeisterten fusionieren zu einer neuen Kirche.

Wer grimassierender spricht und enigmatischer schreibt, hat in Deutschland eher Aussicht auf den Titel des tiefen Denkers.

Sklaven des weiblichen Schoßes schreiben einen weichen Stil, seine Verächter einen dornigen.

Der Blutrausch ist der Ursprung der natürlichen Religion.

Vergossenes Tierblut fließt durch die Adern des sozialen Organismus.

Das engelscheue Lächeln der Mädchen ist ein Abwehrreflex auf die animalische Begierde des Mannes.

Der Liebesgeist Christi kann nicht der Schöpfer DIESER Welt sein.

Die Schönheit Mozarts atmet die Atmosphäre einer anderen Erde.

Ein qualmendes Häuflein, nachdem sein Geist alle Pointen versprüht hatte.

Das Grauen ist der Humus der blauen Blume.

Warum sollte die Melancholie eine Krankheit sein, der debile Frohsinn aber von großer Gesundheit zeugen?

Die ihn aus dem warmen Pferch der Gemütlichkeit gewahren, halten den einsamen Waller im Schnee für ein Gespenst.

Stichel-Blicke der Grausamkeit, des Hochmuts und des Neides, die über das Bild der Schönheit kratzen. – Kunstpädagogen, die das Interpretation nennen.

Wir sehen nur, wie dies und das geschieht, wie dies und jenes sich zeigt, der Riß im Gebälk, die wieder keimende Pflanze, das Bild von der frühen kosmischen Hintergrundstrahlung. Wir können die Bilder nicht übereinanderlegen, die Ereignisse nicht aufeinanderpressen, ohne daß sich alles neutralisierte oder verwischte.

Wir finden keine Gesamt-Ansicht des Daseins. Wer sie zu haben vorgibt, steht auf einem Hügel, den ein anderer überragt.

Das historische Traktat über den düsteren und dämonischen Aspekt der Begeisterung ist noch ungeschrieben.

Die Idealisierung und Auratisierung des Dichters als Trägers und Aussenders eines säkularen Charismas, wie es bei Klopstock anhebt, beim frühen Goethe sich bis zur Selbstironie steigert, in Hölderlins tragischer Mission gipfelt und bei George ins Unheimliche verlöscht …

Begeisterte und moralisch Entrüstete können nur ja oder nein sagen, aber nicht sich des Urteils enthalten, wie es oftmals nüchterne Betrachtung und Abwägung erfordern.

Der sich des Urteils enthaltende Skeptiker gilt für moralisch und politisch verdächtig.

Begeisterung über eine Sache bezeugt nicht ihre Wahrheit und Tiefe.

Die Erlöser spielen, versuchen vergebens, das Dichterwort in Hostien zu wandeln.

Salbungsvolle Gesten und aus Kunsthonig geschnittene Verse, sie geben weder Orientierung noch Nahrung für die Daseinsfristung.

Falscher Priester, wie Hölderlin einmal selbst erschrocken konstatiert. Fanatische Heilige und enthusiastische Weltzertrümmerer, können wir ergänzen.

Weihe ist eine deutsch-romantische Fehlübertragung der griechischen Inspiration.

Musenanrufungen, die dem verkitschten Idol des verstümmelten Selbst gelten.

Man muß die großen Worte wie Gesteinsbrocken ausheben, um darunter das kleine Gewürm des Lebens sich winden und wimmeln zu sehen.

Con sordino, gedämpfter Klang vertraulich zugesagter Worte, der uns den Lärm der Welt vergessen läßt.

Die großen Gesten, die den Unsinn oder die Schwären unter ihrem geblähten rhetorischen Bausch verbergen.

Glacéhandschuhe über der sehenden Hand, Pflaster auf der Wunde, die weiterschwärt, Phrasen, die das Feuilleton und das Lehrbuch feiern.

Womit uns die aus der Enge der Familie in die Wüste des Kunstbetriebs geflüchtete emanzipierte Frau immerhin verschont, die phallischen Kringel des enthemmten Künstlers. – Es sei denn, sie ahmt sie unter seiner zuhälterhaften Anleitung nach.

Jene, die feierlich werden, wenn sie lügen. Oder besser: jene, deren feierlicher Ton ein sicheres Indiz dafür ist, daß sie lügen.

Die von der Enge und Dürftigkeit des Lebens nicht erdrückt werden, sondern sie tapfer ertragen, ohne dem Drang nachzugeben, die kahlen Wände mit den grellen Utopien des freien Daseins zu übertünchen …

Kaum einer konnte wie Goethe den Knacks vermeiden oder sublimieren, den jeder Zeitgeist einem jeden zufügt.

Romantische Parallelaktion: Säkularisierung der sozialen Welt und Sakralisierung der Dichtersprache.

Je näher der Untergang, umso dicker die Lippe, umso dreister die Lüge, umso schriller das Ideal.

Je geschändeter und wüster die Erde, umso mehr wächst die Begeisterung für die Natur.

Ein verschlissenes Prachtgewand wie das der alten Dichtersprache kann man nur auftrennen und ein neues, bescheidenes daraus weben.

Was sinnvoll klingt, muß deshalb nicht wahr sein.

Je eindeutiger und klarer die Lage, umso schiefer die Metaphern, umso dunkler die Schreibe.

Die nicht anders als dunkel schreiben können, sind verwirrt; die dunkel schreiben wollen, sind schamlose Schieler nach dem Preis, der noch stets für das Aparte und Exklusive abfällt. – Die klar schreiben wollen, aber was sie geschrieben haben am Ende unverständlich finden, sind die wahren Denker.

Der faule Liebhaber geht in den nahen Garten und schneidet einen Strauß üppiger Knospen; der wahre bricht in die Berge auf, um die seltene Blume zu finden.

Die ihr Leiden ausstellen und zu Markte tragen, sind schamloser als die im Luxus vegetierenden Parasiten.

Die wurmstichige Frucht fällt von selbst vom Zweig.

Die zu Tode gegenderte deutsche Sprache wird durch keine Transfusion klassischer Schreibweisen mehr lebendig.

Große Worte wie Gott, das Heil, das Paradies, Natur oder Humanität sind uns durch die süßlichen Grimassen und stieren Blicke derer, die sie wie Bonbons lutschen, vergällt.

Die immer nur die Phrasen vom ewigen Frieden, von Gerechtigkeit und Menschlichkeit im Munde führen, begrüßen heimlich jede Schand- und Bluttat, die das Weltgericht herbeiführt.

Um ein edles Reis zu pfropfen, bedarf es eines robusten Stammes.

Daß sich der animalische Mensch das Gesetz und die notwendigen Beschneidungen seiner Instinkte nicht freiwillig auferlegt, symbolisiert die mosaische Urkunde in den von Gott selbst geschriebenen und Mose überreichten Tafeln.

Eine durch staatlich verordnetes Gendern entstellte Sprache kann durch Aufkleben von Schönheitspflästerchen aus den klassischen Schriftstellern ihre alte Schönheit nicht zurückgewinnen.

Der entgeisterte Dichter, der sein eigenes Werk liest und den Besucher auf ein Komma aufmerksam macht.

Die Biographen Hölderlins schreiben unter Vorlage der bekannten Dokumente alle dasselbe, ohne den Mut aufzubringen, die tragische Verstrickung seines Lebens und Sagens zu entwirren, deren Ausdruck sowohl die Größe seiner Dichtung als auch seine Geisteskrankheit gewesen sind.

 

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