Der Enzian
Ja, es genügt, dem schmalen Pfad zu folgen,
und schwindelt es uns auch am jähen Hang,
will auch uns Schwankende zur Tiefe reißen,
was wie aus Nächten klagt, das dunkle Brausen.
Doch hält uns ja einander Blick um Blick,
daß wir Gestirne hinter Nebeln ahnen.
Ist nicht, was Anmut schmiegt um deine Locken,
Liebe, aus blauen Abgrunds Geist ein Hauch,
und fühlt sich deine Schläfe nicht geküßt,
wenn dir von Zweigen rinnt des Himmels Tau?
Doch ist der Gipfel fern, wenn schon ein Glänzen
von Kristallen ins Genist des Schlafes fiel.
Wir stehen auf und schütteln ab den Glitter,
und hören wir sie aus dem Tale rufen,
der ferngerückten Heimat Zwillingsglocken,
quält wieder uns der Augen grauer Durst,
zu stillen sich am Blau des Enzians.
Doch nicht nur wir sind fast am Staub des Worts
erstickt, verschmachtet fast am Schaum des Bilds,
wir suchen sie, die Wunderblume, nicht
für uns allein, vorm Tore sprach der Engel,
die jetzt im Tal noch schlafen, wachen auf,
strömt ihnen, was an holdem Duft wir bringen.
So, Liebe, scheuen wir die Dornen nicht,
und der uns streift im Todesfluge, lautlos,
der Eule nachtgetränkten Fittich kaum.
Und lädt uns auch das weiche Moos, lockt Zwitschern,
in Träumen zu verweilen, wir steigen, steigen,
bis uns der harsche Schnee, der ewige,
entgegenleuchtet, droben, wo Silber klirrt,
der Erde Stirne furcht ein schwarzer Wind.
Und riefest du: „Dort schimmert sie, o dort!“
und gingest hin, mit deiner zarten Hand,
den Enzian zu pflücken, ich aber läge,
ermattet vor dem hohen Ziel, voll Liebe
rief ich dir nach: „Du tu das Werk, mich aber
laß ruhen hier im dunklen Glanz der Höhe,
entschlummern lasse mich, laß mich im Rauschen
des Flügels, der aus Wolken niederweht.“
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