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Der Dichter Trunkenbold

02.10.2016

Lyrisches Spiel

 

Auf Moos und Gras obszön hingestreckt der Dichter, schnarchend lallt er vor sich hin. Es nähert sich ihm die schöne Maske der Poesie und beugt sich über den Berauschten.

 

Poesie:

Da schnarcht der Trunkenbold,
sein Hosenlatz steht offen,
als wäre ihm das Leben hold,
wir aber stehn betroffen.

Wir können es nicht dulden,
wenn unsre Diener fallen,
vergeuden, was sie schulden,
in wüstem Traumeslallen.

 

Sie schüttelt einen Zweig, Tauperlen rieseln auf den Schlafenden.

 

Dichter:

Bist du es, meine Schöne,
ich schmecke was von Tränen,
hat dich mein Blöke-Gähnen
betrübt, mein Traumgestöhne?

Ich schmecke Schmelz von Frauen,
doch greif ich leere Schemen,
die aus dem Dunkel tauen,
ich brauche neue Themen.

 

Die Poesie hat inzwischen eine Schar anmutiger Elfen und nackter Zwerge um sich geschart, die nun einen teils graziösen, teils wilden Reigen um den Erwachten vollführen.

 

Elfen:

Stier uns nicht allen auf die schönen Beine,
erwähl die eine, sonst kriegst du keine.

Hast du einer gefallen, winkt dir Liebe von allen,
bist du blind für die eine, bleibst du alleine.

 

Zwerge:

Wir gehen zu Werke mit Spitzen und Spaten,
wir wollen in frischer Quellen Kristallen waten,
wir werden dir die Haare rhythmisch waschen,
kannst bei uns vom Honig der Träume naschen.

 

Der Dichter hat sich erhoben, knöpft sich umständlich die Knöpfe des Hosenlatzes zu.

 

Dichter:

Ich will nicht euren Honig schlecken,
nicht in kaltes Wasser springen,
ich will auf weichen Schoß mich strecken,
ob Mädchen oder Moos, und singen

hohe Töne von meertiefen Leiden,
tiefe Töne von sternhohen Seligkeiten.

Doch um zu singen, darf mir meine Kehle
nicht heiser sein, drum gebt mir Wein,
so sing ich euch wie Philomele,
gebt mir den Zaubersaft vom Rhein.

 

Die Maske der Poesie kramt in ihrer großen perlenbestickten Reisetasche und zieht endlich einen silbernen Flachmann hervor und reicht ihn dem Dichter.

 

Poesie:

Da hast du Glück, nimm nur das,
es ist ein edles Naß,
zu magischem Genuß bestimmt,
es macht die Kehle weich,
die arme Seele reich,
darin die Zunge schwimmt,
ein Fisch im grünen Teich.

Du wirst die Schönheit sehen
aus Fäulnis auferstehen,
und was die Kröte quakt,
ist Wahrheit unbefragt.

Komm, Lieber, nimm zur Brust,
was dir deine Lebensgeister
reißt aus dem Schmierenkleister
deiner lahmen Lust.

 

Inzwischen hat die Maske der Poesie eine alte, runzlig-nackte, grauhaarige, blatternarbige, bucklige Zwergin herbeigelockt, der immer wieder ein dunkles Glucksen entfährt, und führt sie vor den stieren Blick des Dichters, der das Fläschchen leergetrunken mit einem lauten Rülpsen ins Gras geschleudert hat.

 

Dichter:

Mich wiegt ein süßer Zauber bang,
mich bannt ein dunkler Liebeszwang,
zu singen deine Schöne.

Wie konnte leben ich so lang,
verdorrt und ohne Widerklang
deiner Seelentöne.

Das Schimmern deiner Haut wie Tau,
die Haltung einer edlen Frau,
sie wölben meine Strophen.

Wie mystisch ist die trunkne Schau
in deiner Augen Wunderblau,
mein Vers ist dein Alkoven,

worin du deiner Glieder Glanz
entrollst wie einer Nymphe Schwanz,
dein Atem haucht mir Reime,

wie Blumen, die uns zugeneigt,
wenn Lenz aus Morgennebeln steigt,
o Glückes Liebeskeime!

 

Die häßliche Zwergin hat derweil zwar heftig gegluckst und geschluchzt, doch am Ende entreißt sie der Maske der Poesie ihre Tasche und schlägt dem verzückten Dichter damit ein paar Mal aufs Haupt, daß er aus seiner Vision erwacht und der dürftigen Wahrheit ansichtig wird.

 

Häßliche Zwergin:

Erwacht bist du aus deinem Wahn,
wie blaß ist deine Wange.
Nun wird dir angst und bange,
das schöne Lied ist abgetan.
Das schöne Lied ist abgetan,
erwacht bist du aus deinem Wahn.

Es stiert dich an die trübe Welt,
die grelle Fratze Aberwitz.
Ein fauler Zauber ist der Blitz,
der deinen stumpfen Sinn erhellt.
Was deinen stumpfen Sinn erhellt,
sind grelle Fratzen trüber Welt.

Erwacht bist du aus deinem Wahn.
Nun mußt du lieb- und reimlos bleiben
oder seichte Prosa schreiben.
Das schöne Lied ist abgetan.
Das schöne Lied ist abgetan,
erwacht bist du aus deinem Wahn.

 

Da packt die Maske der Poesie die Zwergin und stopft sie in ihre große Tasche, daß sie nur noch mit verdutzten Kinderaugen daraus hervorschaut.

 

Poesie:

Laß wirren dich nicht von dem armen Kind,
und gönn ihm seine heiße Rache.
Schau doch, ich mache dir selbst Schmutz und Grind
zum schönen Liede, schau und lache.

Lach und schaue, alles ist noch offen, ungetan,
und bist du auch ein Trunkenbold,
erblickst du Wahrheit noch im Wahn,
ich bleibe dir getreu und hold.

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