Deine Orte, damals
Ein Requiem
(Schimmer, vergehend
im trüben Spiegel,
einen Sterbenshauch entfernt.)
Dein Ort, damals,
rosigen Nebeln entstiegen,
wo deine Hand,
vom Nüsseschälen gebräunt,
den Knauf des Betts umklammerte.
Dein Ort, damals,
Ächzen unter heißem Teer,
als würden Gebete erstickt,
und war ein schwarzer Widerhall
überm nächtlichen Fluss
von den Glocken des Kirchturms,
die nach Rom entflogen.
Dein Ort, damals,
hinter gebauschter Seide parfümierter Träume,
als die heiße Saite auf der Gitarre riss
und die Schreie der Schwalben
Löcher in die Gardine schossen.
Dein Ort, damals,
die Füße im Rattenkot,
Viperngezisch im Haar,
die Lippen schäumig vom Maria-hilf-Gestöhn,
das Herz, eine Fledermaus,
an der Bunkerwand niedersinkend,
und neben dir das Kind hustet sich in den Wahnsinn
vom Qualm des Unterganges der Stadt.
Dein Ort, damals,
wo die Zahl der Punkte auf deinem Kleid
die Zahl der Küsse beschwor,
die du bekommen wolltest,
als der Steward dir den Hut zurückbrachte,
den der Wind aufs Vorderdeck
des Raddampfers gerissen hatte.
Dein Ort, damals,
als du keinen Ort mehr fandst
und gehetzt von der Sehnsucht
nach dem wahren Ort
von Wohnung zu Wohnung gezogen bist,
vom Rhein an die Mosel und zurück,
bis die Kraft dich verließ,
die Sehnsucht nicht.
Dein Ort, damals,
hinter den goldenen Wolken süßen Aroms,
als du vor dem Gnadenbild
dem Schmerz deiner Knie dich hingabst,
um meinetwillen,
um deinetwillen,
Rosen flechtend zum Kranz,
auf dass gesegnet sei die Frucht deines Leibs.
Dein Ort, damals,
auf dem Jahrmarkt des Sterbens,
als das Trällern der Töchter des Rheins sich mischte
mit dem Röcheln fauliger Kehlen,
und der Gnom im Ringeltrikot
die Lose in der Trommel schüttelte –
da war deine Seele schon fern,
eine zuckende Maus,
die sich durch die Halme des Metternicher Gärtchens wand,
bis endlich dein Mund blutete
vom Dorn einer letzten Frage:
„Wo bin ich?“
(Schimmer, vergehend
im trüben Spiegel,
einen Sterbenshauch entfernt.)
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