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Das Wetter ist schön

31.08.2018

Philosophische Sentenzen und Aphorismen

Die vollkommene künstlerische Form enthüllt wie der wolkenlose Himmel nichts als sich selbst.

Der blaue Himmel, der durch die wunderlich sich windenden Ranken mit den kleinen Sternen aus geronnenem Licht schimmert.

Der Eremit der ionischen Säule scheint schwebend in der transparenten Luft des südlichen Himmels zu stehen.

Ist der Akanthus ein rührendes Beiwerk, wie die Erinnerung an den Wald, aus dem in alter Zeit der hölzerne Träger des Gebäudes stammte?

Der Gedanke der Liebe schwebt herab, leise schwankend, wie die weiße Flocke, die auf der Erde schmilzt.

Melodien Mozarts, die sich wie ein schmeichelnder Lufthauch in die störrische Locke wühlen.

Empfindungen, die wie das Wasser unter dem Wechsel des Lichts ihre Farbe wechseln.

Bange Hemmung, sich frei zu entfalten, als würde man wie ein Falter auf dem Harz des Baumes kleben bleiben.

Das Gras hat den Gleichmut der großen Seele, auch wenn Wolkenschatten darüber hinziehen, es regnet und schneit oder der Dachs es aufwühlt.

Die ungeschriebenen Gespräche zwischen der Mondgöttin und dem Sonnengott.

Das Muster eines Ornaments, der Farbton der Farbpalette, der Kammerton a oder die Form des logischen Arguments stehen für sich selbst.

Wir sehen die Rose im Garten, wir sehen die wilde Rose am Wegrand, wir sehen das Rosenmotiv auf den Saum des Kleids gestickt oder als Abbild im Lehrbuch der Botanik, wir sehen Rosen auf den Bildern des Hortus conclusus – aber wir sehen keine Rose an sich.

„Wittgenstein hat es gesagt!“ – „Welcher Wittgenstein?“ – „Der Philosoph, der den Tractatus Logico-Philosophicus geschrieben hat!“ – „Wer?“ – „Na, der mit den Sprachspielen!“ – „Wer hat dieses seltsame Bild gemalt?“ – „Ich!“

Alles weitere Fragen erübrigt sich, wenn einer coram publico mit „Ich“ auf die Person weist, nach der gefragt wurde.

Wenn du eine Melodie Mozarts beschreiben könntest, würde keine noch so subtile Beschreibung, die kein bewertendes Prädikat enthielte, deinen Eindruck des Wohlgefallens ausdrücken.

Wie man den Lehrsatz des Pythagoras nicht beweisen kann, ohne gewisse Axiome der Geometrie über Punkt, Linie und Dreieck zugrunde zu legen, kann man den ästhetischen Eindruck des Wohlgefallens nicht wiedergeben, ohne ästhetische Grundbegriffe wie Ebenmaß und Harmonie vorauszusetzen.

Ebenmaß und Harmonie sind ästhetische Präferenzen, die uns an einer antiken Plastik oder einer Ode Hölderlins ansprechen. Die Tatsache, dass wir die Maßangaben der Proportionen und die Maße zur Bildung regelhafter Odenstrophen in Lehrbüchern vorfinden, verführt zu der irrigen Annahme, dass ästhetische Begriffe Gegenstände in der Welt sind, wie die Bücher, die von ihnen handeln.

Ästhetische, ethische und religiöse Grundbegriffe sind undefinierbar und aus anderen Begriffen, geschweige denn empirischen Aussagen, nicht ableitbar.

Die minutiöse botanische Beschreibung der Rose liefert uns keinen Grund dafür, sie schön zu finden.

Die umfangreiche Statistik über Tötungsdelikte liefert uns keinen Grund dafür, sie als Verbrechen anzusehen.

Die sorgfältige Naturbeschreibung des Kinds in der Krippe liefert uns keinen Grund dafür, in ihm den Messias zu erkennen.

Genausowenig wie man Geometrie durch das Vermessen von Kreisumfängen und Winkeln begründen kann, lassen sich ästhetische Begriffe durch das Studium des Verhaltens von Leuten im Museum gewinnen.

Dem Verhalten der Leute im Museum lässt sich nicht entnehmen, ob sie die Gemälde an der Wand für farbige Flächen oder für Bilder ansehen.

Wir können am Verhalten des Mannes, der sich vor dem Spiegel rasiert, nicht erkennen, ob er das gesehene Bild als Bild seiner selbst wahrnimmt. Er könnte auch glauben, einen anderen zu rasieren.

Wir lernen zu verstehen, dass die farbige Fläche der Leinwand in einem semantisch analogen Sinne ein Bild wie die seltsame Aufeinanderfolge von Lauten einen Satz darstellt.

Das erotische Begehren wünscht sich die Venus von Milo lebendig, doch würde sie von ihrem Sockel herabsteigen, wäre der ästhetische Eindruck zerstört.

Der Satz „Das Wetter ist schön“ könnte als Übersetzung des Satzes „Die Sonne scheint“ aufgefasst werden und in diesem Sinne als Bild einer Tatsache genommen werden, wenn er wahr ist.

Doch fassen wir den Satz „Das Wetter ist schön“ als Übersetzung des Satzes auf „Lass uns spazieren gehen“, wird er deine Zustimmung nicht finden, wenn du das grelle Sonnenlicht verabscheust.

Wir finden für den Satz „Das Bild ist schön“ keine adäquate Übersetzung in dem Sinne, wie wir den Satz „Das Wetter ist schön“ durch den empirisch gehaltvollen Satz „Die Sonne scheint“ wiedergeben können.

Demnach ähnelt der Satz „Das Bild ist schön“ mehr dem Satz „Das Wetter ist schön“, wenn wir diesen als Einladung zu einem Spaziergang verstehen.

Das Kind hat die Aufgabe, ein Schön-Wetter-Bild zu malen, erfüllt, indem es über einem Gewimmel von braunen und roten Tupfen in einer breiten blauen Fläche eine gelbe Scheibe mit einem lachenden Gesicht malte. Wenn ein anderes Kind sagt „Das Bild ist schön“, will es vielleicht damit ankündigen, ein ähnliches Bild zu malen.

Für den Bauer ist das Wetter schön, wenn er aufs Feld gehen und das Korn mähen kann, für den Bürger, wenn es ihn nach dem Frühstück zu einem Picknick im Freien lockt.

Wir verwenden das Wort „schön“ nicht als deskriptives, sondern als präskriptives Prädikat.

Wir können allerdings deskriptive Sätze als präskriptive auffassen und der Feststellung des Freundes beim Blick aus dem Fenster „Es regnet“ die Aufforderung „Lass uns zu Hause bleiben und noch ein wenig plaudern“ entnehmen oder derselben Feststellung der Mutter die Aufforderung an die Kinder „Zieht eure Regenmäntel an!“, wenn es nach draußen gehen soll.

Wenn die Behauptung „Es regnet“ falsch ist, wird die implizierte Aufforderung, sich mit einem Regenmantel zu versehen, nicht falsch, sondern sinnlos.

Die Negation der falschen Aussage „Es regnet“ ergibt eine wahre Aussage, doch die Negation einer Aufforderung ergibt die inverse Aufforderung, wie die Negation der Aufforderung, zu Hause zu bleiben, weil es regnet, die Aufforderung, nicht zu Hause zu bleiben, also nach draußen zu gehen.

Die Negation der Aussage „Das Bild ist schön“ kann die Aufforderung des Museumsbesuchers an seinen Freund implizieren: „Gehen wir weiter und schauen uns ein anderes Bild an!“

Die Aussage eines Kindes „Das Bild ist nicht schön“ kann die Aufforderung an seinen Urheber implizieren: „Male in die gelbe Scheibe ein lächelndes Gesicht!“

Sollte es mir nicht zu denken geben, wenn du als Mann von kultiviertem Geschmack und glänzender Bildung die Venus von Milo schön findest, ich aber gähnend ihren ausladenden Hintern betrachte?

Haben die Aussagen „Das Wetter ist schön“ und „Die Venus von Milo ist schön“ denselben epistemischen Status und denselben ästhetischen Geltungsanspruch?

Wir können nicht, wenn der Himmel wolkenlos strahlt, die Luft lau ist und die Hyazinthen duften, von schlechtem Wetter sprechen. Doch der Miesepeter, der die Jalousien heruntergelassen hat und sich durch die Kissen in seinen Weltschmerz wühlt, will es partout nicht schön nennen.

Vielleicht könnte ich den Miesepeter, gelänge es mir, ihn an die frische Luft zu locken, auf einem gemeinsamen Spaziergang umzustimmen und ihn mit meiner heiteren Stimmung anzustecken, am Ende davon überzeugen, dass unter blauem Himmel, in lauer Luft und dem Duft der Hyazinthen zu lustwandeln, eine schöne Sache sei.

Und diese Art der Überzeugungs- oder Bekehrungsarbeit stünde dir bevor, wenn du meinem Gähnen angesichts der Venus von Milo Einhalt zu gebieten vermöchtest.

Der Hinweis auf die schädigende Wirkung des Hagels, des Frosts und der Dürre sind gute Argumente, um die Rede vom schlechten Wetter plausibel zu machen, genauso wie der Hinweis auf den wolkenlosen Himmel, die laue Luft und den Duft der Hyazinthen ein gutes Argument dafür bietet, bei so schönem Wetter ein Picknick im Grünen zu machen.

Aber wenn der Miesepeter sich von meiner heiteren Stimmung anstecken ließ und am Ende unseres Spaziergangs das schöne Wetter pries, hat er keinem stichhaltigen Argument beigepflichtet und es war nicht das Licht der Vernunft, das die Schatten seiner melancholischen Grundstimmung zerstreute.

„Das Quellwasser ist rein“ kann eine Feststellung über die Qualität des Wassers und seine Eignung sein, getrunken werden zu können, und zugleich die Aufforderung implizieren, es rein oder sauber zu halten.

„Diese Stätte ist rein“ bedeutet im religiösen Kontext: „Übertritt die Schwelle nicht, sie ist heilig!“

Religiöse Prädikate wie rein und heilig scheinen deskriptiv zu sein und eine Eigenschaft ihrer Träger zu bezeichnen, doch sind sie in Wahrheit präskriptiv. Das zeigt sich, wenn wir versuchen den deskriptiven Gehalt der Ausdrücke anzugeben: Wir kommen nicht umhin, etwa zu sagen „Der Ort ist heilig, also verhalte dich entsprechend“, also auf präskriptive Ausdrücke zurückzugreifen.

Wenn Menschen ein Bild auf einen Stein stellen, rings Blumen und Kerzen anordnen, in ehrfürchtiger Stille davor verharren oder sanfte Weisen in getragenem Ton anstimmen, können wir annehmen, dass es sich um eine heilige Stätte handelt.

In der Beschreibung eines fremden Reisenden, der mit den Sitten des Landes nicht vertraut ist, fände man wohl die detaillierte Beschreibung des Altarsteins und des Kultbilds, fachkundige Hinweise auf ihre Beschaffenheit und künstlerische Gestaltung, aber nicht zwingend einen Grund, den beschriebenen Ort eine heilige Stätte zu nennen.

Wenn der Reisende allerdings aufgrund seiner Herkunft und Tradition mit religiösen Gepflogenheiten vertraut wäre, könnte er in dem Ort leicht eine Kultstätte sehen.

Eine Kultstätte oder einen Altar heilig zu nennen impliziert Verhaltensregularien wie beispielsweise die Vorschrift, der Laie oder Uneingeweihte dürfe sich ihm nicht nähern und ihn nicht berühren, nur der Geweihte oder der Priester dürfe ihn betreten oder dort vorgeschriebene Zeremonien ausüben und der Laie müsse sich, um ihnen beizuwohnen, im physischen oder geistlichen Sinne gereinigt haben.

Hatte ein Uneingeweihter oder Fremder den heiligen Bezirk einer antiken Gottheit, gleichgültig ob unabsichtlich oder in freventlicher Absicht, berührt, musste die Kultstätte und das Kultbild entsühnt oder gereinigt werden.

War es denn schmutzig geworden? Hatte das Heilige durch die Tabuverletzung etwas von seiner Heiligkeit eingebüßt?

Versteht man religiöse Ausdrücke wie „heilig“ und „rein“ deskriptiv, verirrt man sich leicht im Dickicht seltsamer Fragestellungen.

Der Straftäter, der ein Tötungsdelikt begangen hat, hat das Tötungsverbot verletzt, aber das Gesetz unangetastet gelassen, ja bestätigt.

Das strafrechtliche Tötungsverbot enthält deskriptive Merkmale, insofern es beispielsweise Totschlag und Mord unterscheidet, aber es erschöpft sich nicht in solchen Beschreibungen, sondern belegt die Tötungsdelikte mit nach der Schwere des Vergehens abgestuften Strafen.

Das Verbot wird verletzt und das Vergehen geahndet, aber das Gesetz bleibt unangetastet.

Wo ist das Gesetz? Es waltet, könnten wir sagen, in der Anklage, im Schuldspruch und der Verbüßung der Strafe.

Das Gesetz ist eine Institution wie der Staat, aber genausowenig wie der Staat aus den Gebäuden der Regierung besteht, findet sich das Gesetz in den Mauern des Gerichtsgebäudes. Es ist in gewisser Weise unsichtbar und wird nur sichtbar, wenn es ausgeübt wird.

Die Tatsache, dass das Tötungsverbot in einem Buch, dem Strafgesetzbuch, enthalten ist, verführt zu der irrigen Annahme, es existiere als ein Gegenstand in der Welt wie das Buch, das auf dem Tisch des Richters liegt.

Die Tatsache, dass wir die Kultstätte und den Altar heilig nennen, verführt zu der irrigen Annahme, als existiere das Heilige als ein Gegenstand in der Welt wie der Ort seiner Verehrung.

Durch die Annahme, dass das Heilige kein Gegenstand in der Welt ist, werden wir leicht zu der scheinbaren Folgerung verleitet, es müsse ein Gegenstand außerhalb der Welt sein, ein übernatürliches, überräumliches und außerzeitliches Wesen. Doch wir haben keine logische und semantische Möglichkeit, eine dimensionslose Existenz zu postulieren.

Wir können eine Dimension beispielsweise als Grenzwert oder Residuum der ihr unmittelbar übergeordneten Dimension konstruieren, wie den nulldimensionalen Punkt als Residuum oder Grenzwert der eindimensionalen Linie, die eindimensionale Linie als Residuum der zweidimensionalen Fläche oder die zweidimensionale Fläche als Residuum des dreidimensionalen Würfels. Der dimensionslosen Gottheit, von der wir keinen Grenzwert bilden können, vermögen wir keinen logischen Ort zuzuweisen, wie dem Punkt den logischen Ort als Grenzwert der Linie, der Linie den logischen Ort als Grenzwert der Fläche, der Fläche den logischen Ort als Grenzwert des Würfels.

Wir könnten vielleicht sagen, die Tatsache, dass wir überhaupt in einer beliebig dimensionalen Welt existieren, kann als Residuum dessen betrachtet werden, was wir Gott nennen.

Das Heilige oder Göttliche könnte demzufolge als die Grenze unserer Welt angesehen werden, nicht als ein ihr immanenter oder transzendenter Inhalt oder Gegenstand.

Gefragt, wer dieses seltsame Bild gemalt hat, tritt jemand vor und antwortet „Ich“. Alle weiteren Beschreibungen des Urhebers erübrigen sich.

Die Tatsache, dass wir den Ort der subjektiven Verlautbarung genau angeben und vermessen und den Laut der Äußerung phonologisch analysieren und grammatisch klassifizieren können, verführt zu der irrigen Annahme, als sei das mit „Ich“ Bezeichnete ein Gegenstand in der Welt wie der Mund, der den Laut von sich gibt.

Wäre der Mensch, der nach der Urheberschaft des Bildes gefragt, aus der Menge hervortritt, stumm und zeigte bloß mit dem Zeigefinger auf seine Brust, würde uns diese Geste genügen.

Doch die Tatsache, dass der Stumme die Auskunft „Ich“ mit der Geste des Zeigefingers auf seine Brust ersetzen oder übersetzen kann, sollte uns nicht zu der irrigen Annahme verleiten, er meine seinen Körper oder etwas, was ihm irgend unsichtbar innewohne, seine Seele.

 

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