Das Weltklima existiert nicht
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Peter begrüßt seinen Freund Hans mit einer Grußformel wie „Servus!“ oder „Hallo!“ und einem Handschlag. Diesen alltäglichen, konventionell mehr oder weniger vage geregelten Vorgang nennen wir Begrüßung.
Die Begrüßung besteht in der Tatsache, daß Peter und Hans Grußformeln austauschen und sich die Hand schütteln; die Tatsache bleibt bestehen, auch wenn sich Peter und Hans nur begrüßen, ohne sich die Hand zu geben, oder wenn sie sich stillschweigend die Hände reichen. Die Begrüßung ist nicht etwas, was es gäbe, ohne daß sich Leute auf die eine oder andere konventionell geregelte Art willkommen heißen würden.
„Wie geht’s, wie steht’s?“ ist keine echte Frage nach dem Befinden, sondern eine zur Konvention verblaßte Formel.
Begrüßungen sind vollständig individualisiert, denn sie vollziehen sich an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zwischen konkreten Individuen, die wir mit Namen benennen können.
In Briefen, Anschreiben, E-Mails finden wir den Niederschlag der in archaische Zeiten vor Erfindung der Schrift zurückreichenden Begrüßungsrituale in der Form der Anrede und der Datierung unter Angabe von Ort und Zeit.
Begrüßungen sind deklarative Sprechakte, deren Besonderheit sich darin zeigt, daß sie tun, was sie sagen.
Einer, der dazu befugt ist, äußert aus räumlich und sozial überragenden Warte: „Die Sitzung ist eröffnet“, und wenn die versammelte Menge von Individuen in ihren Gesprächen verstummt und ihre Aufmerksamkeit auf den Sprecher auf dem Podium wendet, geschieht, was er verkündet hat. Die Sitzung ist jene soziale Tatsache, die aufgrund der Begrüßung durch den Vorsitzenden konstituiert wird.
„Die Sitzung dauerte eine Stunde“ bedeutet die soziale Tatsache, daß eine bestimme Menge von Personen an einem bestimmten Ort eine Stunde lang zu einem bestimmten Zweck versammelt war. „Der Regen dauerte fast eine Stunde“ bedeutet die physische Tatsache, daß eine bestimmte Menge von Wassertropfen an einem bestimmten Ort fast eine Stunde lang vom Himmel fiel. Die soziale Tatsache wird im Gegensatz zur physischen nicht durchgehend von kausalen Gesetzen determiniert, denn jemand kann die Sitzung aus freien Stücken vorzeitig verlassen.
Was wir Regen nennen, ist mehr als die Menge der an einem Ort in einer bestimmten Zeitspanne niedergegangenen Wassertropfen. Denn wir könnten uns leicht eine exotische Gruppe denken, in der nur das Vorkommen von Wassertropfen zählt, nicht die Tatsache, daß es regnet. In einer anderen nicht ganz so exotischen Gruppe ist der Regen (wie alle übrigen Wetterphänomene) keine physische Tatsache, sondern eine mythisch-religiöse, die den Willen einer Gottheit ausdrückt.
„Schönes Wetter“ sagen wir beim Anblick des blauen Himmels, wenn die Sonne scheint und uns zu einem Spaziergang verlockt; die Wetterlage mutet uns düster und unwillkommen an, wenn uns ein scharfer Wind in die warme Stube scheucht und erste Flocken schneien. Das Wetter ist das, was wir an Wetterphänomenen wie Wolken, Regen und Wind, Nässe, Trockenheit, Hitze und Kälte wahrnehmen und mit Meßinstrumenten wie dem Thermometer und Barometer messen können.
Zyklisch wiederkehrende typische Wetterphänomene wie den täglichen Regenguß über den tropischen Wäldern, Scirocco und Monsun, die im Frühjahr vom Tauwasser anschwellenden Flüsse der Hochgebirge wie der Alpen oder des Himalaya, Nordlicht und Alpenglühen ordnen wir ihren jeweiligen regionalen Bereichen zu; bei statistisch gehäuften Wetterlagen über Wüsten wie der Sahara oder der Wüste Gobi und über Ozeanen und Kontinenten sprechen wir von klimatischen Zonen.
Doch ist es reiner Unfug aus den Jahresdurchschnittstemperaturen der Sahara, der Antarktis und des tropischen Regenwalds, also signifikanten Wetterwerten unterschiedlicher Klimazonen, wiederum eine Jahresdurchschnittstemperatur der Erde zu ermitteln und vom Weltklima zu reden. Temperaturdaten aber sind meteorologischer Grundbestand an Daten, die geeignet sind, anhand ihrer statistisch signifikanten Verteilung die Grenzen von spezifischen Klimazonen abzustecken.
Das Weltklima existiert nicht.
Die Begriffe solcher Art im Munde führen, tun es, wie es die Inbrunst, aber auch das ressentimentgeladene Stirnrunzeln ihrer Äußerungen bezeugt, aus Glaubensüberzeugungen, Weisen einer neuen apokalyptisch getönten Weltfrömmigkeit, nicht auf Basis methodisch strenger und wissenschaftstheoretisch fundierter Prüfung der verwendeten Begriffe.
Die Namen für Wetterphänomen wie Regen, Schnee und Gewitter sind, was ihren ontologischen Sinngehalt betrifft, physische Analoga zu historischen Begriffen wie der Gründung Roms, der Völkerwanderung und dem Ersten Weltkrieg oder sozialen Begriffen wie Person, Handlung und Gesellschaft.
Ohne Wassertropfen kein Regen, ohne Sandkörner kein Sandhaufen; auch wenn wir eine gewisse Zone von ontologischer Unbestimmtheit akzeptieren müssen, wodurch wir andererseits lästige Scheinfragen wie jene nach der bestimmten Menge von Tropfen oder Körnern, die ein vages Tröpfeln zu einem veritablen Regen, ein kaum merkliche Erhebung im Sand zu einem echten Haufen machen, abschütteln können.
Ähnliches gilt für Scheinfragen wie jene, ob der Schuß auf den österreichischen Thronfolger in Sarajewo der erste Schuß des Weltkriegs war, oder jene, ob das Überschreiten des Rubikons durch Caesar der erste Schlag gegen die römische Republik gewesen ist.
Der Regen ist kein Wesen sui generis hinter dem Wetterphänomen der niedergehenden Regentropfen; der Krieg ist kein Wesen suigeneris hinter den respektiven feindlichen militärischen Handlungen von Truppen zwischen der offiziellen Kriegserklärung und der Unterzeichnung der Kapitulation durch Sieger und Besiegte; die Gesellschaft kein Wesen sui generis hinter den sprachlichen und tätlichen Handlungen der sie bildenden Personen.
Ebensowenig ist das Klima, geschweige denn das Weltklima, ein Wesen sui generis hinter den statistisch signifikanten Wetterphänomenen der regionalen Klimazonen.
Der Regen ist die meteorologische Tatsache, daß eine bestimmte Menge von Wassertropfen zu einer bestimmten Zeit über einer bestimmten Landfläche niedergeht; er besteht nicht aus den Wassertropfen, sondern aus dieser Tatsache. Der Krieg ist die historische Tatsache, daß in einer bestimmten Zeitspanne feindliche Handlungen durch militärische Truppen vollzogen werden; er besteht nicht etwa aus der Anzahl der abgefeuerten Schüsse, sondern aus dieser Tatsache.
Sprachliche Benennungen und ontologische Begriffsbildungen wie Namen und Eigennamen, beispielsweise in dem Satz: „Der Krieg dauerte vier Jahre“ oder in dem Satz: „Peter hat sein Versprechen gehalten“, verleiten uns dazu, das mit den Namen Gemeinte als Wesen sui generis zu verstehen, das wie die chemischen Elemente Wasserstoff und Sauerstoff eine von der Molekülform des Wassers unabhängige ontologische Geltung beanspruchen dürfte.
Aber Peter ist jene Person, die uns wesentlich in dem sozialen Phänomen des gehaltenen oder auch gebrochenen Versprechens kenntlich wird und begegnet.
Natürlich ist Peter darüber hinaus noch alles Mögliche, beispielsweise freundlich, hilfsbereit und pflichtbewußt, aber diese Eigenschaften enthüllen sich uns erst in sozialen Gesten und Handlungen seiner Person, wenn er uns lächelnd den Vortritt läßt, für den erkrankten Freund Einkäufe erledigt oder das einmal gegebene Versprechen hält.
Wir haben keine physiognomischen, geschweige denn neurologischen Analysen anhand von Peters Gesichtsmimik betreiben müssen, um sagen zu können, daß er lächelt. Dennoch sind natürlich die wirklich stattfindenden Ennervationen an Peters Gesicht reale Merkmale, die in die Tatsache eingehen, die wir benennen, wenn wir sagen, daß er lächelt.
Auf ähnliche Weise gehen bei unserem Wahrnehmungsurteil, daß es regnet, die gesehenen und gefühlten Wassertropfen als reale Merkmale in die Feststellung der Tatsache ein, daß es regnet.
Doch die Feststellung der Tatsache, daß es regnet, ist im Gegensatz zur Wahrnehmung von realen Wassertropfen eine Funktion unseres Sprachvermögens und jener semantischen Weise der Begriffsbildung, die uns dank der Konstruktion von Aussagesätzen möglich ist, wie eben der Feststellung, daß es regnet.
Wir ermessen den ontologischen Unterschied von Entität oder Ding und Tatsache an Folgendem: Jemanden, der Wassertropfen nicht sehen oder auf der Haut fühlen könnte, hielten wir für kurzsichtig oder in seinem Tastsinn gestört und unempfindlich, während wir vermuten, daß jemand, der den Satz, daß es regnet, nicht bilden oder verstehen kann, der deutschen Sprache nicht mächtig ist.
Der ontologische Unterschied zwischen Dingen und Tatsachen erhellt aus dem epistemischen und logischen Unterschied, daß die Wahrnehmung von Dingen mehr oder weniger genau oder trügerisch, dagegen die Feststellung von Tatsachen richtig oder unrichtig, wahr oder falsch sein kann.
Jemand mag im dunklen Zimmer liegend draußen den Regen plätschern hören und halb im Traum imaginieren, es sei eine Art Musik, während er sich doch der bestehenden Tatsache bewußt ist, daß es regnet. Er könnte tags darauf seinem Freund von seinem imaginären Höreindruck erzählen, doch müßte er, um sich deutlich zu machen, Vergleiche oder Metaphern heranziehen, etwa die Wassermusik von Händel, während der Gedanke, der sich in einer Aussage über eine bestehende oder nicht bestehende Tatsache kundgibt, keiner Vergleiche und Metaphern, sondern nur der Zuteilung des Prädikates wahr oder falsch bedarf.
Folgt daraus, daß es Tatsachen wie den Regen, den Krieg, die soziale Handlung ohne die Möglichkeit und Wirklichkeit sprachlicher Begriffsbildung und Aussage nicht gibt, daß alles, was wir bewahrheiten oder als ungültig erklären können, gleichsam mit der Angel der Subjektivität schwingt? Ja und nein. Ja, denn nur wenn wir vom Wetter reden, gibt es außer fallenden Tropfen, kristallisierten Wassermolekülen und Lichtbrechungen, was wir Regen, Schneefall und Regenbogen nennen, nur wenn wir von feindlichen Kampfhandlungen reden, gibt es, was wir Krieg nennen; nur wenn wir von konventionellen Grußformeln und einladenden Gesten reden, gibt es, was wir Begrüßungsrituale nennen; nein, denn die durch die sprachliche Begriffsnildung und die semantische Funktion der Aussage festgestellten Tatsachen sind keine unbefragbaren und unbezweifelbaren privaten Empfindungen und Gefühle, sondern mitteilbare und überprüfbare öffentliche Angelegenheiten.
Klima gibt es wie Sprache, Moral, Kunst, Kultur und Gesellschaft nur im Plural.
Wenn man alle Farben mischt, entsteht schmutziges Grau.
Wenn man Weine unterschiedlicher Anbaugebiete und Lagen wahllos zusammenschüttet, entsteht ein ungenießbares Gebräu.
Man kann nicht gleichzeitig Walzer und Foxtrott tanzen.
Man kann sich nicht gleichzeitig nach Art der Eskimos und auf feine englische Art begrüßen.
Ähnlich wie bei den obskuren Bildungen „Weltethos“, „Weltmusik“ und „Weltkultur“ handelt es sich beim Begriff „Weltklima“ um einen sprachlogischen Zwitter, der es aufgrund inkonsistenter Eigenschaften nur zu einer ideologischen Scheinexistenz im von der Realität hermetisch abgedichteten medialen Echoraum weltanschaulicher Sekten bringt.
Wenn man alle natürlich vorkommenden und künstlich erzeugten Klänge und Geräusche als Formen von Musik deklariert, bezeugt man nicht nur seinen degenerierten musikalischen Geschmack, sondern auch die Tatsache, daß der Begriff Musik mangels jedweder Möglichkeit an Distinktion und Differenzierung zu einem ontologisch leeren Begriff entartet ist.
Wenn man alle Wetterphänomene aller Klimazonen zu Symptomen eines einheitlichen Weltklimas deklariert, erweist man dessen ontologische Unbestimmtheit oder Leere.
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