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Das versonnene Hündchen

10.11.2013

Der Dame mit dem Hündchen aus dem Café Ypsilon

Purzel heißt ein stilles Hündchen,
und sein Frauchen hat es lieb.

Manchmal stecktʼs das Schnuffel-Näschen
in feister Tulpen Blütenwulst –
reckt die gelb besamte Nase dann
in den sonntagnachmittäglich öd verdösten
Himmel überm Bethmannpark –
und niest.

Dann hält das stille Tier das Köpfchen
so herzergreifend schief –
als ob es uns was sagen möchte.

Manchmal läuftʼs dem Hörnchen nach,
pest wider das Verbot über die sanfte Bürste
des gartenamtlich grad rasierten Rasens –
es watscht das Ohr, es klatscht der Schwanz,
da ist das Eichkatzerl schwupp-die-wupp
den alten Ginkgobaum schon hochgelupft –
ʼs Hundi stoppt verdutzt.

Dann hält das stille Tier das Köpfchen
so herzergreifend schief –
als ob es uns was sagen möchte.

Zuhause macht es pfötchenpatschend Männchen
und schlapperschnappt nach zarten Pralinés
oder gesottnen Frankfurt-Würstchen.
Dann ruft das Frauchen: „Ab ins Körbchen!“
Helene Fischer schwingt schon müd-verzückt
das nackte Bein in des Applauses Lichterdom.
Doch das Hündchen bleibt auf dem Parkett versonnen
plötzlich stehen.

Dann hält das stille Tier das Köpfchen
so herzergreifend schief –
als ob es uns was sagen möchte.

Was könnt es uns denn sagen bloß?

Dass es nicht mehr Purzel heißen möchte,
sondern Poldi oder Friedolin?

Dass es Frauchen nicht mehr lieb hat?
Dass es aus dem Fell möcht fahren
und das Hundeleben satt hat?

Oder hat sein Hundeherz ʼnen Knacks
abgekriegt unter all den dicken Tropfen
honigsüßer Verse eines gewissen R. M. Rilke,
die sein Frauchen in den Kerzenschimmer
weicher Abendeinsamkeiten hat gelispelt?

Oder hatʼs grad partout vergessen,
was es uns schon lange sagen mochte?

Was ist nur los mit diesem Hündchen
und seinen Versonnenheitsabsencen?

 

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